Weg für 105-Zimmer-Hotel ist frei (Update)
Stadträte stimmten mehrheitlich für Konzept eines Freudenstädter Investors - Verbessertes Touri-Konzept soll eingesessenen Hoteliers helfen

Von Philipp Weber
Weinheim. Die Tür war zu, das Treppenhaus gut gefüllt: Mindestens 40 Anlieger des Amtshausplatzes, Hoteliers, Interessierte und Medienvertreter warteten am späten Mittwochnachmittag auf das Ende der nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung. Was hinter der Tür passierte, ging im wenig später folgenden öffentlichen Teil der Sitzung aus den Stellungnahmen von OB Manuel Just und den Fraktionen hervor. Noch etwas später standen die entsprechenden Bilder und Namen schon auf den Facebook-Seiten einiger Fraktionsvertreter: Zwei Investoren hatten den Stadträten zwei verschiedene Plankonzepte für einen Hotelbau an der Mannheimer Straße vorgestellt.
Ursprünglich hatte es ein Konzept A gegeben, das 125 Zimmer vorsah. Konzept B fiel mit nur 100 Zimmern etwas kleinteiliger aus – und war unter anderem deshalb von der Stadt empfohlen worden. Statt die Flinte ins Korn zu werfen, entwickelten die Macher von Konzept A im Vorfeld der Sitzung eine "abgespeckte" Variante. Dabei wird mit 105 Zimmern geplant. Das hat sich gelohnt: Die Stadträte stimmten nach der öffentlichen Aussprache mehrheitlich für dieses Konzept. Es stammt von der Freudenstädter Firma Tiryaki. Auch der Einstieg in ein Bebauungsplanverfahren erhielt das Plazet der Fraktionen.
Die eingesessenen Hoteliers im Saal zogen am Ende lange Gesichter, einer machte eine abwinkende Handbewegung. Sie hatten vor der Sitzung Faktenblätter erstellt, in denen sie neue Argumente gegen ein neues Hotel vorstellten. Ihre Kernthese ist, dass der Markt gesättigt sei. Zur Wiederinbetriebnahme des GUPS-Hotels mit 66 Betten kämen künftig auch noch Boarding-Houses hinzu: Die Kleinapartments für längere Beherbergungen sollen im 3-Glocken-Center und an der Viernheimer Straße entstehen.
Die Verwaltung hatte mit eigenen Faktenblättern reagiert. Die Bettenzahlen in den Boarding Houses seien zu hoch gegriffen, so das Gegenargument. Außerdem sprächen weder diese Angebote noch das GUPS-Hotel Kunden an, die für ein Tagungshotel im Drei-Sterne-Plus- oder Vier-Sterne-Segment interessant sind. Angesichts des massiven Interessenkonflikts wollte OB Just Gräben zuschütten: "Kein Stadtrat will Hoteliers gefährden", sagte er. Dem Gremium ginge es darum, abgewanderte Gäste zurückzugewinnen. Wer woanders übernachte, erzeuge in Weinheim gar keine Wertschöpfung, so der OB zu Beginn der Debatte.
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Uli Sckerl (GAL) räumte ein, dass ein schwieriger Entschluss anstehe. Für Laien sei es herausfordernd, die Zahlen von Verwaltung und Hoteliers einzuordnen. Und auch der im Frühjahr 2018 getätigte Grundsatzbeschlusses für den Hotelstandort an der Mannheimer Straße mache die endgültige Entscheidung nicht leichter. Letztlich habe sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Lokalpolitiker etwas tun müssten für die rund 500 Unternehmen in der Stadt. "Die Betriebe warten auf die Entscheidung. Es wäre unsinnig, sich dem entgegenzustellen", warb er für den Erhalt eines modernen Standorts. Zumal es unstrittig sei, dass die "Hotelentwicklung an Weinheim vorbeigeht".
Er wolle nicht von dem Beschluss von 2018 zurücktreten, schloss sich Christian Mayer (Freie Wähler) seinem Vorredner an. Das galt auch für eine Forderung, die praktisch das ganze Gremium mittrug: Die Stadt müsse ihr Tourismuskonzept auf den "aktuellen Stand" bringen und den Kurzzeit- und Wochenendbetrieb ankurbeln. Auch Holger Haring (CDU) ordnete den Hotelbau als "entscheidungsreif" ein: "Bei einer erneuten Vertagung setzen wir das Vertrauen von 500 Firmen praktisch in den Sand." Der Bedarf an 150 bis 170 zusätzlichen Hotelbetten sei zuverlässig ermittelt. Ein 100-Zimmer-Bau wäge den Bedarf an einem neuen Hotel mit den Interessen der Eingesessenen ab, lautete eines seiner Argumente für Konzept B.
Stella Kirgiane-Efremidou (SPD) stellte zwei verschiedene Positionen vor, die es in ihrer Fraktion gebe. Einerseits verdiene der Grundsatzbeschluss von 2018 Respekt, ebenso wie die Interessen der Weinheimer Firmen. Andererseits sei die Frage nach der politischen Verantwortung für die etablierten Hotelbetriebe nicht erschöpfend beantwortet, fand sie. Große Hotels in den Nachbarstädten lösten jetzt schon Verdrängungseffekte aus. Zumal die Stellungnahmen des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga hier nicht ernst genommen, bei anderer Gelegenheit aber gezielt eingeholt würden. Wenn die Stadt Tourismuskonzepte forciert, müsse sie auch die Differenzen zwischen Stadtmarketing und Hoteliers ausräumen.
Carsten Labudda (Die Linke) ging mit seinen Ratskollegen hart ins Gericht. Der Dehoga habe eine Kampagne gefahren, um die Interessen seine Mitglieder zu vertreten. Es sei beschämend, dass der Gemeinderat deswegen einen eineinhalb Jahre alten Grundsatzbeschluss ausgesetzt habe, spielte er auf die Vertagung der Hotelfrage im November an. Selbst wenn Plankonzept A in seiner alten Form zum Tragen käme, sei das Bettenangebot immer noch wesentlich kleiner als vor zehn Jahren. Angesichts zumeist allein reisender Geschäftsleute seien Bettenauslastungen unter 50 Prozent kein Unglück. Und wenn die etablierten Hoteliers Geld für Millionen-Investitionen hätten, gingen sie wohl nicht am Bettelstab.
Wolfgang Wetzel (FDP) hatte dagegen Fragen. Ob die vielen neuen Hotels in der Umgebung und die Plankonzepte für Weinheim nicht damit zu hätten, dass viel Kapital für Bauprojekte auf dem Markt ist, warf der Liberale ein: "Infrage kommen Wohnen, Gewerbe und eben Hotels." Ob ein verändertes Tourismuskonzept zu einer Auslastung bestehender Betriebe führe, war eine andere Frage. Oder ob die Betreiber von Boarding Houses nicht auch kurzzeitigen Mietphasen zustimmen, wenn keine längeren Buchungen da sind. "Wir tun uns noch schwer, das zu entscheiden."
OB Just versprach, das Touristik-Thema in die Hand zu nehmen. Er forderte die etablierten Hoteliers dazu auf, die Stadt dabei zu unterstützen. Nach einer Sitzungsunterbrechung hatte das Gremium zunächst über einen Antrag von Labudda abzustimmen: Er und Rudolf Large (SPD) hatten für Konzept A in seiner ursprünglichen Variante mit 125 Zimmern plädiert, um einen auskömmlichen Hotelbetrieb sicherzustellen. Der Antrag enthielt fünf Ja-Stimmen aus den Reihen von Linker, SPD und Freien Wählern und fiel damit durch. Danach stellte OB Just eine Begrenzung des Raumangebots auf 105 Zimmer zur Abstimmung, die überwiegende Mehrheit folgte. Erst dann kam es zur Entscheidung zwischen Plankonzept A und B. Entgegen der Empfehlung der Verwaltung setzte sich die "Diätvariante" von Konzept A durch: 22 Stadträte stimmten dafür, nur zwölf dagegen.
Update: Donnerstag, 5. Dezember 2019, 20.15 Uhr