Weinheim

Stürmen die Pflästerers den OB-Sessel?

Schon der Urgroßvater von Simon Pflästerer saß im Stadtrat - Nun will der Urenkel OB werden - Jetzt stellte er sich der Presse

07.12.2017 UPDATE: 08.12.2017 08:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Simon Pflästerer (34) beim Pressegespräch in der Ulner Kapelle. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt Simon Pflästerer. "Ich habe mit meinen Angehörigen, Freunden und Fraktionskollegen diskutiert - und mich selbst gefragt, ob ich das Zeug zum OB habe." Am Ende hat er sich entschieden: Der 34-Jährige wirft seinen Hut in den Ring und bewirbt sich um die Nachfolge von Heiner Bernhard. Gestern stellte er sich der Presse vor.

Wobei "vorstellen" das falsche Wort ist. Bereits seit September 2015 sitzt Simon Pflästerer im Gemeinderat. Im Gegensatz zu seinem Vater Heinrich allerdings nicht für die CDU - sondern für die Weinheimer Liste (WL). Darüber hinaus sind der Bewerber und seine Familie fest verwurzelt in der Zweiburgenstadt. Schon sein Urgroßvater und Namensgeber Simon Heinrich sei Stadt- und Kreisparlamentarier gewesen, heißt es in einer "Homestory" auf seiner Internetseite. Auch die Unternehmen der Metzger- und Gastronomenfamilie sind bekannt in der Zweiburgenstadt.

Hintergrund

Heiße Diskussionen um den Wert des OB-Jobs

Von Günther Grosch

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Heiße Diskussionen um den Wert des OB-Jobs

Von Günther Grosch

Das künftige Stadtoberhaupt ist noch lange nicht gewählt - und es steht auch erst ein einziger Bewerber fest. Dennoch gab es bei der Ratssitzung am Mittwoch Streit um die künftige OB-Besoldung. Die Verwaltung hatte beantragt, das monatliche Salär von 9335,50 Euro (B6) um 482 Euro brutto auf 9817,88 Euro (B7) zu erhöhen. Dabei handele es sich nicht um den Versuch, das Gehalt des OBs in letzter Minute zu verbessern, so Amtsinhaber Heiner Bernhard. Es gehe auch gar nicht um eine Gehaltserhöhung im engeren Sinne: "Ich werde bereits nach B7 bezahlt."

Die Verwaltung habe die Pflicht, das Thema vor einer OB-Amtszeit in den Gemeinderat einzubringen, da nun mal die Besoldungsgruppen B6 und B7 infrage kommen. Auch vor Bernhards erster Wahl 2002 hatte der Gemeinderat die Aufstockung auf B7 beschlossen, ohne dass feststand, wer Nachfolger von Uwe Kleefoot wird: "Diesen Prozess führen wir fort."

Die CDU tue sich mit der Besoldungsgruppe B7 schwer. Die mache im Vergleich zu B6 immerhin ein Plus von 5788,86 Euro im Jahr aus, so Carola Meyer. Vor allem die mit dem "Umfang und besonderen Schwierigkeitsgrad des Amtes" begründete Erhöhung bereite Teilen der Fraktion Probleme.

Gespalten zeigte sich auch die SPD. Die Mehrheit der Genossen votiere für die Eingruppierung nach B7, so Wolfgang Metzeltin. Diese Gehaltsstufe entspreche auch der aktuellen Situation im Rathaus: "Kein OB-Bewerber darf sich auf eine geringere Belastung oder verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen freuen."

Uneinheitlich war auch das von Mark Schüssler gezeichnete Meinungsbild bei den Freien Wählern. Am liebsten sähe man es, wenn sich der oder die OB erst seine oder ihre Sporen verdient. Dann könne man immer noch entscheiden. Auch die GAL konnte sich nicht zu einem einheitlichen Bekenntnis durchringen. Die Besoldung habe weder etwas mit "Persönlichkeitsbonus" noch "Bewährungsaufstieg" zu tun, so Uli Sckerl. Es gehe um die leistungsgerechte Bezahlung für die Bewältigung bestimmter, objektiver Herausforderungen. Und da sei es eben ein gewaltiger Unterschied, ob jemand mitten im Land OB ist und Zweckverbände an seiner Seite hat oder einer Großen Kreisstadt im Drei-Länder-Eck vorsteht. Hier führe die Pflege nachbarschaftlicher Beziehungen zu mehr Aufgaben: "B7 ist leistungsgerecht."

Das Amt verlange Leistung und stelle einen Spitzenjob dar, so Michael Lehner (WL). Die Besoldung müsse sich mit dem vergleichen lassen, was in der freien Wirtschaft gezahlt wird. Ein Weinheimer OB manage 500 bis 600 Angestellte. Und es verlange zusätzlich Nerven, auch noch einem ständig nervigen Gemeinderat vorzustehen. Dennoch votiere die WL angesichts von mehr als 33,8 Millionen Euro an Personalkosten im aktuellen Haushaltsplan und der schwierigen mittelfristigen Finanzplanung gegen B 7.

Er habe während seiner Amtszeit noch keine "in sich so widersprüchliche Aussage" von Lehner gehört wie diese, befand Bernhard. Hartmut Neumann, Leiter des Personalamts, sprang ihm bei. Für die Eingruppierung spielten ausschließlich Kriterien wie die der Einwohnerzahlen und der Komplexität des Amtes eine Rolle.

Die Entscheidung müsse vor dem Wahlkampf fallen, "ohne Verknüpfung mit der Person des (aussichtsreichsten) Kandidaten", drängte Bernhard. Aus Gründen der "Substanzerhaltung" und der "integrativen Gerechtigkeit" werde man mit Nein und damit gegen B7 stimmen, entschied schließlich Andrea Reister (FDP). Ein OB beziehe ja nicht nur Gehalt, sondern habe auch eine interessante Aufgabe mit Gestaltungsmöglichkeiten. Worauf sich Bernhard sarkastisch für die "Erlebnisqualität" der zurückliegenden fast 16 Jahre seiner Amtszeit bedankte: "Vielleicht muss ich noch was zurückzahlen."

Von heftigsten Debatten bei den Linken erzählte Carsten Labudda. Er stimmte mit Ja, Matthias Hördt mit Nein. "Weil ich nicht mit mir selbst streiten konnte", so Einzelstadträtin Christina Eitenmüller, enthalte sie sich. Am Ende votierten 24 Räte für B7. Neun stimmten mit Nein, bei zwei Enthaltungen. Das letzte Wort hatte der OB. Er meinte (wohl) scherzhaft: "Die Verwaltung liebt nicht. Die Verwaltung hasst nicht. Aber sie vergibt auch nicht."

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Dennoch - beziehungsweise gerade wegen seiner Verbundenheit zu Weinheim - will der Bewerber alte Zöpfe abschneiden: "Ein ,Weiter so‘ darf es nicht geben." Dabei kommt es ihm und WL-Fraktionschef Michael Lehner nicht zuletzt auf einen neuen Politikstil an. "OB und Gemeinderat müssen wieder zu einem guten Miteinander finden", sagen sie: Auch in der vorgestrigen Ratssitzung habe der Amtsinhaber die Beiträge von Stadträten abgewürgt. Pflästerer will das Gremium zudem in inhaltlicher Hinsicht stärken: Der Ältestenrat müsse wieder auf seine ureigensten Aufgaben reduziert, das Plenum mit mehr Rechten versehen werden: "Das Land gibt einen weiten Rahmen vor, den wir nicht nutzen."

Als zweiten Reformblock will Simon Pflästerer den Haushalt angehen: "Ich sehe in der Ausweisung von Gewerbegebieten nicht das große Allheilmittel." Vielmehr fordert das Duo Pflästerer/Lehner eine "ehrliche" Etatpolitik: "Wenn uns ein bestimmtes Thema wichtig ist, müssen wir den Leuten sagen, dass wir an anderer Stelle sparen müssen."

Auch diese Sätze haben einen aktuellen Bezug: Am Mittwoch starteten die Etatverhandlungen für das Haushaltsjahr 2018. Die Stadt plant trotz sprudelnder Steuereinnahmen mit einem Defizit von rund einer halben Million Euro - was dennoch eine Entspannung darstellt. Letztes Jahr hatte man für 2017 ein Minus von 13 Millionen, für 2018 von 6,7 Millionen Euro prognostiziert. Pflästerer glaubt aber sehr wohl daran, dass sich das Verhältnis von personellem Aufwand und erbrachter Leistung bei der Stadt deutlich verbessern ließe.

Die Wirtschaftsförderung will er neu ausrichten: "Es ging bisher fast nur darum, Unternehmen zu halten." Dabei liege Weinheim im deutschen "Silicon Valley", müsse Unternehmen aus neuen Branchen anziehen. Diese sieht er eher im Gewann Hammelsbrunnen als in den Breitwiesen: "Ich würde die offene Diskussion suchen, anstatt Menschen vor vollendete Tatsachen zu stellen." Er hofft darüber hinaus auf Kooperationen mit den Nachbarkommunen. Stichwort: Clusterbildung.

Beim Thema Wohnraum setzt er auf eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Würde er die Bildungskette - ein Leib- und Magenprojekt des Amtsinhabers - fortsetzten? Pflästerer verweist auf einen 100-Tage-Plan. Als OB würde er diese Zeit nutzen, um die Lage der Stadt unter die Lupe zu nehmen und Prioritäten zu setzen.

Wäre da noch das Thema Ortsteile. Der ehemalige "Waldschüler" und Heisenberg-Gymnasiast ist durch und durch Kernstädter: "Aber die Ortsteile machen die Vielfalt Weinheims aus." Ob Instrumente wie die unechte Teilortswahl noch zeitgemäß sind und wie das Bedürfnis nach Sportstätten befriedigt werden kann, auch darüber will er sich Gedanken machen. Ein stures Ja oder Nein vermeidet er, will eher Kompromisse eingehen. Verpflichtungen gegenüber alten Weggefährten fürchtet er nicht, wie er sagt: "Juristen sind für das Richteramt ausgebildet - wir bewerten die Sachlage, nicht die Person."

Zu einem Bündnis mit Parteien äußert er sich deutlich: "Ich trete als parteiunabhängiger Kandidat der Weinheimer Liste an." Er hoffe aus Stimmen aus allen Lagern. Sollte es trotzdem nicht reichen, will er WL-Stadtrat bleiben. Doch so weit ist es noch nicht: Nach gestrigen Angaben will die WL im Wahlkampf zunächst auf vergleichsweise kostengünstige Elemente setzen. Sprich: Viel Arbeit mit Onlinekanälen und eigenen Veranstaltungen - darunter eventuell eine Reihe mit deutschen Jungbürgermeistern.

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