Weinheim

Stadtjugendring-Geschäftsführer stellt "Sport um Mitternacht" vor

"Im Grunde haben wir schon Erfolg erzielt": Martin Wetzel spricht mit der RNZ im Vorfeld von des Projekts.

24.03.2023 UPDATE: 24.03.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Interview
Interview
Martin Wetzel
Geschäftsführer des Weinheimer Stadtjugendrings

Von Philipp Weber

Weinheim. Es ist so weit: Am Freitagabend geht "Sport um Mitternacht" von 22 bis 1 Uhr in der Halle der Bonhoeffer-Schule über die Bühne. Der Jugendgemeinderat hat das offene Sport- und Spaßprojekt gemeinsam mit dem Stadtjugendring auf die Beine gestellt, mehrere Sportvereine sowie Polizei und Suchtberatung sind mit im Boot.

Die RNZ hat sich im Vorfeld der ersten von vier geplanten Sportnächten mit Martin Wetzel unterhalten. Der Geschäftsführer des Stadtjugendrings nimmt Stellung zum Sinn des Präventionsprojekts, zu Gewalt unter Jugendlichen und zu deren Wahrnehmung in der Gesellschaft.

Herr Wetzel, am Freitagabend findet zum ersten Mal das Projekt "Sport um Mitternacht" statt. Jugendliche sind eingeladen, gemeinsam Tischtennis zu spielen, sich an einer Bungee-Run-Anlage auszuprobieren oder eine Runde zu kicken. Was muss passieren, damit die Premiere zum Erfolg wird?

Im Grunde genommen haben wir schon einen Erfolg erzielen können. Jugendgemeinderat, Stadtjugendring, Sportvereine, die Sportkreisjugend Mannheim und viele andere wirken in Weinheim zusammen, um Jugendliche zu erreichen. Die Zahl an Teilnehmenden ist im Vorfeld schwer abzuschätzen. Ich denke, bis zu 100 Jugendliche werden kommen. Eine vorläufige Bilanz würde ich auch erst nach der vierten Ausgabe von "Sport um Mitternacht" ziehen. Dann können wir schauen, ob wir das Format so beibehalten oder andere Schwerpunkte setzen.

Auch interessant
Weinheim: Was der runde Tisch nach Jugendgewalt-Skandal erarbeitet hat
Weinheim: Videos über Gewalt unter Jugendlichen bewegen eine Stadt

Eine Weinheimer Idee ist das Ganze ja nicht: In Nürnberg oder im Berliner Bezirk Spandau gab es "Sport um Mitternacht" sogar bis zu ein Mal pro Woche. Ziel ist es ja, Bindungskraft zu entwickeln, um an Jugendliche heranzukommen, die eher schwer zu erreichen sind.

Haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn denn schon mal so ein Angebot ausprobiert?

In meiner Zeit in Pforzheim haben wir einmal ein Fußballturnier unter jungen Männern ausgerichtet. Dabei kamen Menschen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammen. Da waren junge Leute aus dem Umfeld der Kirchen, aber auch Jungs aus eher gewaltaffinen Milieus.

Allerdings sind Turniere mit Platzierungen ein sehr zweischneidiges Schwert. Denn dabei wird Konkurrenz aufgebaut. In Weinheim und im aktuellen Zusammenhang setzen wir auf ein Projekt, das das Gemeinsame betont.

Wie genau tragen Angebote wie dieses dazu bei, Gewalt unter Jugendlichen einzudämmen?

Prävention kann man nicht in einfache kausale Zusammenhänge packen. Wenn es ausreichen würde, zum Beispiel ein Turnier in irgendeiner Sportart auszurichten, um Gewalt zu beenden, hätten wir es sehr leicht. Wichtig ist meines Erachtens, die Jugendlichen anzusprechen, und zwar von möglichst vielen Seiten aus.

Das passiert in der Stadt ja schon, wird nun aber noch mal intensiviert. Wenn man aber einen Zusammenhang herstellen will, kann man sagen, dass sich das Klima in der Stadt durch Aktionen wie "Sport um Mitternacht" unter Umständen verbessert. Das wiederum trägt dazu bei, dass das Gewaltpotenzial sinkt.

Das Thema "Gewalt unter Kindern und Jugendlichen" erfuhr in Weinheim ja erst im Sommer 2022 so richtig breite Aufmerksamkeit. Ein Video mit Drohungen, Angriffen und Demütigungen im öffentlichen Raum hat schockiert. Auf der anderen Seite sagen erfahrene Sozialarbeiter, dass Gewalt unter Jugendlichen oft eine Rolle spielt. Ein Widerspruch?

Auf der einen Seite hat man in dem Video durchaus verstörende Szenen gesehen: Da ist die massive Waffengewalt – und natürlich das junge Alter der Beteiligten. Die Aufnahmen dokumentieren ein Verhalten, das viele nicht mit Kindern in Verbindung bringen.

Dazu kommt die Kommentierung der Aufnahme durch weitverbreitete Medien, zum Teil in Kombination mit bekannten Influencern. Ich bin sogar auf einer Reise nach Berlin darauf angesprochen worden. Ich kann also sagen, dass dieser Vorfall sowohl in der Intensität als auch in der Publizität einzigartig war.

Die Tendenz unter Kindern und Jugendlichen, den anderen zu demütigen, ist aber leider kein Einzelfall. Dabei will man gerade Kindern dies nicht zutrauen; da hat die Gesellschaft schon so etwas wie einen blinden Fleck. Aber Kinder sind nicht immer lieb, genauso wenig wie Jugendliche und junge Erwachsene immer negativ auffallen oder stören wollen.

Was kann die Gesellschaft tun, um den blinden Fleck zu erhellen?

Das ist eine sehr philosophische Frage. Ich denke, die Gesellschaft muss sensibler werden für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen. Damit meine ich Aufmerksamkeit, die darüber hinausgeht, ein Verhalten zu beobachten und etwas hineinzuinterpretieren. Echtes Interesse zeigen für das, was diese bewegt, ist wichtiger. So wird es mit der abklingenden Corona-Problematik deutlich, wie sehr einige junge Menschen unter den aus Infektionsschutzgründen nötigen Schließungen gelitten haben.

Ich will aber klarstellen, dass ich damit keine Gewalt entschuldigen will! Ich möchte verdeutlichen, dass wir Kinder und Jugendliche fragen müssen: "Was brauchst Du?". Gerade wenn diese außerhalb des "bürgerlichen" Milieus angesiedelt sind. Hier setzt ja vor allem unsere Mobile Jugendarbeit an. Es geht aber auch darum, ihnen zum Beispiel in unseren Einrichtungen ein Lebensmodell vorzuleben, das ohne Gewalt und Drogenmissbrauch auskommt. Wichtig ist auch das Zusammenwirken vieler Akteure in der Stadt, die zum Beispiel Mitglieder im Stadtjugendring sind.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.