Weinheim

Kita-Bau verteuert sich um 85 Prozent

Neubau "Am Markusturm": Berechnung des Projektsteuerers weicht erheblich von Erstschätzung ab - Proteste im Kinder- und Jugendbeirat

09.05.2019 UPDATE: 10.05.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Die Evangelische Kirche will ein neues Kita-Gebäude im Birkenweg errichten lassen. Die Stadt bezuschusst den Bau mit einer 70-prozentigen Kostenübernahme. Foto: Dorn

Weinheim. (keke) "Wenn’s mal wieder etwas teurer kommt", dann wissen der Weinheimer Gemeinderat und seine Gremien davon ein allseits bekanntes Lied zu singen. Jüngstes Beispiel: Der beabsichtigte Neubau einer vier Gruppen zählenden Einrichtung in der Evangelischen Kindertagesstätte "Am Markusturm".

Gegenüber einer vorläufigen Kostenberechnung des Stuttgarter Architekturbüros Birk Heilmeyer & Frenzel in Höhe von 4,43 Millionen Euro haben sich die Gesamtkosten für den Neubau nach der Berechnung der Projektsteuerer vom Karlsruher Büro Harrer Ingenieure um knapp 174.000 Euro auf 4,6 Millionen Euro verteuert. Eine vom Herbst 2017 datierende erste Kostenschätzung hatte bei nur 2,4 Millionen Euro gelegen. Damit verbunden steigt die von der Stadt zu tragende 70-prozentige Investitionsfördersumme auf bis zu 3,22 Millionen Euro.

"Sorry, hier ist das Verständnis zu Ende"

Erster Bürgermeister Torsten Fetzner ist hiervon nur wenig überrascht: Schon bei der Ermittlung des aus einem offenen Architektenwettbewerb hervorgegangenen Siegerentwurfs im Juni 2018 sei absehbar gewesen, dass das veranschlagte Budget nicht ausreichen würde, sagte er am Mittwoch im Kinder- und Jugendbeirat. Die aktuelle Erhöhung um circa 85 Prozent sei vorwiegend auf die allgemeinen Baukostensteigerungen zurückzuführen.

Darüber hinaus seien weitere Kosten bisher nicht erfasst worden - darunter die Übergangsunterbringung der Kinder, der Abriss des bestehenden Gebäudes sowie das Ausweichquartier. Um mit dem Kindergartenneubau wie geplant im Frühjahr 2020 beginnen zu können, müssen die beiden bestehenden Kindergartengruppen spätestens im März in einem Ausweichquartier untergebracht werden.

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Auch wenn die Kostensteigerung angesichts der angestrebten Qualität der Einrichtung "vertretbar" sei und man wegen fehlender Kindergartenplätze zum Handeln gezwungen werde, so Fetzner, reiße dies dennoch wieder ein großes Loch in die Stadtkasse. Dass die Verwaltung den Projektsteuerer nicht in die Beiratssitzung eingeladen hatte, erwies sich als Fehler. Das zeigte der Sitzungsverlauf.

Der TSG Weinheim habe man zur Erstellung einer sechs Gruppen starken Kita-Einrichtung dreieinhalb Millionen Euro bewilligt, so CDU-Sprecher Heiko Fändrich. Jetzt solle man - "auch wenn jedes Bauvorhaben anders ist" - für lediglich vier Gruppen fast genauso viel Geld zahlen. Weil in der Gegenüberstellung das Verhältnis "nicht ganz klar" sei, wäre von Seiten der CDU die Anwesenheit des Projektsteuerers im Verlauf der beschließenden Gemeinderatssitzung am 22. Mai dringend erwünscht.

"Sorry, hier ist mein Verständnis zu Ende": Die derzeitige Kostenschätzung mochte Monika Springer (Freie Wähler) weder nachvollziehen noch sich damit anfreunden. In der Kostenvorlage sei die erforderliche Pfahlgründung des Gebäudes mit schätzungsweise weiteren 200.000 Euro noch gar nicht enthalten. Der Projektsteuerer müsse zur näheren Erläuterung weiterer Details "auf jeden Fall kommen".

Obwohl man noch nicht angefangen habe zu bauen, müssten sich die Stadtpolitiker schon jetzt mit erheblichen Mehrkosten befassen, reihte sich Stella Kirgiane-Efremidou in die Phalanx der Kritiker ein. Auch die SPD könne die Preissteigerung nicht verantworten. Eine Kostensteigerung um zwölf Prozent sei heute "normal". Wenn es gleich um 85 Prozent nach oben geht, sei dies offensichtlich auf unzureichende Vorarbeit zurückzuführen.

Erste Kostenschätzungen gingen erfahrungsgemäß zwar "immer ins Blaue". Trotzdem müsse man das Vorhaben auch mit anderen Kindertagesstätten und Kindergärten vergleichen, so Cornelia Münch-Schröder (GAL). Außerdem gelte es zu bedenken, dass noch gar keine Ausschreibungen erfolgt sind. Dennoch stelle sich die GAL "nicht knallhart auf die Ablehnungsseite". Es müsse weitergehen, man brauche die Plätze. Deshalb solle die Verwaltung auch überprüfen, ob das Verfahren nicht beschleunigt werden kann. Bis zum geplanten Bezug der Kita im Januar 2022 vergehe zu viel Zeit.

Der Bau von Kindergärten stelle eine Investition in die Zukunft dar und sei auf jeden Fall zu befürworten, so die Vorhersage von Karl Bär (WL): "Es kommen immer noch mehr Kinder dazu." Seine Vermutung: Die Kostensteigerung hänge auch damit zusammen, dass man in einem offenen Wettbewerb die Architekten frei walten lasse: "Und dann kommen die auf verrückte Ideen." Hätte man einen bekannten Planer aus der Umgebung genommen, wären die Kosten nicht durch die Decke geschossen.

Ort des Geschehens

Die von Bürgermeister Fetzner formulierte, einmütig gebilligte Quintessenz: "Der Kinder- und Jugendbeirat sieht sich derzeit nicht in der Lage, eine Entscheidung zu fällen." Prinzipiell begrüße der Beirat das Projekt, wolle vor der endgültigen Ratsentscheidung aber den Projektsteuerer ausführlich anhören lassen: sowohl zu den Kosten als auch zu Einsparmöglichkeiten.

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