Das ist der Minus-Haushalt 2020
Fast alle Fraktionen trugen Etat mit - Nur FDP und Deckert stimmten dagegen

Von Philipp Weber
Weinheim. Es ist ein anspruchsvoller Haushalt, aber die große Mehrheit der Weinheimer Stadträte trägt ihn mit. Bei drei Gegenstimmen von FDP und Einzelstadtrat Günter Deckert (Deutsche Liste) hat der Weinheimer Gemeinderat am Mittwoch den Etat 2020 und die Mittelfristige Finanzplanung bis ins Jahr 2023 beschlossen.
Im Dezember hatte OB Manuel Just den Haushaltsplanentwurf ins Gremium eingebracht, es folgten je eine Verhandlungsrunde im Hauptausschuss und im Gemeinderat. Die letzte Etappe bildeten die Haushaltsansprachen der sechs Fraktionschefs und des Einzelstadtrats Deckert. Die RNZ fasst zusammen, wie die Fraktionen den Etat einordnen – und wie sie zukünftig wirtschaften wollen.
>>>Das sagen die Fraktionen zum Haushalt 2020<<<
Mit dem prognostizierten Minus in Höhe von 5,1 Millionen Euro konnte kein Redner zufrieden sein: So groß ist der Unterschied zwischen Einnahmen und Aufwendungen. Dennoch lobte Elisabeth Kramer (GAL) Oberbürgermeister Just dafür, dass er von sich aus 1,3 Millionen Euro einsparen will. Sie forderte aber die Wiedereinsetzung der Haushaltsstruktur-Kommission, um das Sparen nicht allein OB und Verwaltung zu überlassen. Zumal die Kommission in der Vergangenheit erfolgreicher gewesen sei als ihr Ruf.
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Die Pro-Kopf-Verschuldung Weinheims würde um 112 Euro ansteigen, wenn die Stadt ihr Minus durch Kredite und nicht durch einen Griff in die fast 54 Millionen Euro dicke Rücklage ausgleichen würde, rechnete Günter Bäro (Freie Wähler) vor. Da in den kommenden Jahren Investitionen und dann auch wieder Kreditaufnahmen anstehen, dürfe es ein "Weiter so!" nicht geben. Umso bedauerlicher sei es, dass die Rekordeinnahmen des Bundes nur zum Teil in den Kommunen ankommen.
Hintergrund
> Der Haushaltsplan 2020 schließt mit ordentlichen Erträgen von rund 134,5 und ordentlichen Aufwendungen von circa 139,6 Millionen Euro. Der Etat kommt ohne Neuverschuldung und Steuererhöhungen aus.
> Größte Ausgaben-Brocken sind nicht etwa Sanierungsleistungen
> Der Haushaltsplan 2020 schließt mit ordentlichen Erträgen von rund 134,5 und ordentlichen Aufwendungen von circa 139,6 Millionen Euro. Der Etat kommt ohne Neuverschuldung und Steuererhöhungen aus.
> Größte Ausgaben-Brocken sind nicht etwa Sanierungsleistungen oder gar Bauinvestitionen, sondern unter anderem Transferaufwendungen in Höhe von 64 Millionen Euro oder die Personalausgaben, welche sich auf rund 37,9 Millionen Euro belaufen.
> Dennoch wird investiert: Die Stadt gibt 24,4 Millionen Euro aus, 19,2 Millionen Euro fließen in Baumaßnahmen. 6,2 Millionen Euro sind es 2020 fürs Schulzentrum Weststadt, 1,6 beziehungsweise 1,9 Millionen Euro sind es für die Erschließung der Allmendäcker oder für neue Friedhofsbauten. 900.000 Euro fließen schon in die Mietwohnungen in der Mannheimer Straße. web
Auch Holger Haring (CDU) glaubt nicht daran, dass die fetten Jahre weitergehen: Lediglich die Kauflust der Verbraucher und der Bauboom hätten die konjunkturelle Vollbremsung verhindert. Der aktuelle Etat sei am Rande der Genehmigungsfähigkeit. Dennoch sei Weinheim nach wie vor in einer luxuriösen Situation: Hat die Stadt ihre Pflichtaufgaben doch noch so gut im Griff, dass nicht gleich auf alles Wünschenswerte verzichtet werden muss.
Stella Kirgiane-Efremidou (SPD) bewertete das Haushaltsergebnis als "niederschmetternd". Angesichts der großen Investitionen – unter anderem in das Schulzentrum Weststadt – erinnerte sie daran, dass kommende Generationen die daraus resultierenden Abschreibungen zurückerwirtschaften müssen. Sie forderte mehr Verantwortungsbewusstsein im Gremium ein. Dieses müsse der Verwaltung gezielte Sparvorgaben machen.
Carsten Labudda (Die Linke) verzichtete auf lange Kommentare zum Weinheimer Minus. Er äußerste indes Verständnis dafür, dass die Klimaschutzaktivitäten der Stadt "aus Gründen der finanziellen Vernunft" zunächst nur mithilfe einer halben Stelle koordiniert werden sollen. Es war eine Bemerkung, über die sich GAL-Stadtrat Uli Sckerl im Verlauf des Abends noch hörbar ärgern sollte.
"Wir sehen heute mit großer Deutlichkeit die Konsequenzen aus den von der FDP über Jahre hinweg angesprochenen Mängeln und Schwachpunkten der Weinheimer Haushaltsführung", so Wolfgang Wetzel (FDP). Die Stadt werde ihren Aufgaben nur durch einen rasanten Abbau der Rücklagen gerecht, Weinheim habe zuletzt von einer unerwartet starken Konjunktur profitiert. Der größte Gewerbesteuerzahler (gemeint ist der Industriekonzern Freudenberg, Anm. d. Red.) verdiene sein Geld unter anderem als Zulieferer der schwächelnden Automobilindustrie. Der Boom gehe zu Ende.
Letztlich führe kein Weg daran vorbei, dass die Stadt im (Ergebnis-)Haushalt zu positiven Ergebnissen kommt, so der Liberale. Zumal viele Investitionen nur verschoben, aber eben nicht aufgehoben sind. Letztlich müsse die Verwaltung ihre Ausgaben deutlich reduzieren, verwies der Liberale auf den gescheiterten FDP-Antrag, die Verwaltung zu einem Sparziel in Höhe von zwei Millionen Euro zu bewegen. Weitere Sparbeträge kämen zustande, wenn die Stadt Weinheim nur noch dort soziale Verantwortung übernimmt, wo definitiv keine anderen zuständig sind.
Natürlich spielte auch die Frage eine Rolle, wie Weinheim zu mehr Einnahmen kommen kann. Sowohl Wetzel als auch GAL-Fraktionschefin Kramer sahen in der 2019 beschlossen Entwicklung der Hinteren Mult kein leuchtendes Beispiel für eine gelingende Gewerbeansiedlung. Beide verwiesen auf Prozessrisiken, da sich die Stadtspitze und die Gegner dieses Gewerbegebiets noch vor Gericht begegnen werden.
Günter Bäro verwies in puncto Gewerbeflächen auf die demnächst anlaufende Zukunftswerkstatt, die OB Manuel Just initiieren wird. Holger Haring wiederum brachte Gewerbekonzepte ins Gespräch, die unter anderem in Rheinfelden getestet werden: Dabei wird auf ein hochwertiges, ökologisch ausgeglichenes Wirtschaften in Zentrumsnähe gesetzt. Solche oder ähnliche Ziele müsse Weinheim mit hohem Tempo verfolgen, um nicht zwischen Heidelberg und Mannheim zerrieben zu werden. Außerdem müssten die Bürger unbedingt wissen, wie es stadtplanerisch weitergeht.
Carsten Labudda warb erneut für Gewerbeflächen im Tiefgewann: Weinheim brauche mehr Gewerbesteuerzahler, aber auch Arbeitgeber, lautete sein Verweis auf die Entwicklungen bei Freudenberg.