So lief der Tag ohne Wasser in Dossenheim
Die RNZ schaute sich am Donnerstag in der "trockenen" Bergstraßengemeinde um - Eine Chronologie der Ereignisse

Mit Lautsprecherdurchsagen warnte die Dossenheimer Feuerwehr die Einwohner vor der möglichen Verunreinigung. Foto: Priebe
Von Christoph Moll
Dossenheim. Es ist ein Tag, den die rund 12.500 Einwohner der Bergstraßengemeinde so schnell nicht vergessen werden. Die Verunsicherung über das möglicherweise verunreinigte Trinkwasser ist am gestrigen Donnerstag förmlich greifbar. Eine Chronologie der Ereignisse:
Gegen 8.30 Uhr: Im Rathaus geht ein Anruf ein. Ein Einwohner berichtet, dass das Wasser in seiner Badewanne blau sei. Nach weiteren Meldungen ist klar, dass etwas mit dem Trinkwasser nicht stimmt. Dossenheim hat keine Brunnen, das Wasser kommt aus Heidelberg, wie Bürgermeister Hans Lorenz erklärt. Die Gemeinde gibt die Information an die Behörden weiter und warnt Einrichtungen wie Kindergärten und die Grundschule.
9.42 Uhr: Über die Smartphone-Apps "Katwarn" und "Nina" wird gewarnt. Das hat Folgen für Petra Gramlich. Denn die Nummer der Sekretärin des Bürgermeisters wird als "Info-Telefon" genannt. Am laufenden Band rufen verunsicherte Bürger an und fragen, was los ist. Gramlich gibt geduldig Auskunft - auch als ein Anrufer fragt: "Ich habe HD als Autokennzeichen - bin ich auch betroffen?"
Hintergrund
Im Umland hatte Verfärbung eher geringe Auswirkungen
Nachdem die Wasserwarnung von Dossenheim auf Heidelberg ausgeweitet worden war, wuchs auch in den benachbarten Kommunen die Verunsicherung. Immer wieder fragten Leser, ob auch das Wasser in ihrer
Im Umland hatte Verfärbung eher geringe Auswirkungen
Nachdem die Wasserwarnung von Dossenheim auf Heidelberg ausgeweitet worden war, wuchs auch in den benachbarten Kommunen die Verunsicherung. Immer wieder fragten Leser, ob auch das Wasser in ihrer Gemeinde verunreinigt sei.
> Eppelheim ist nicht betroffen, sagte Bürgermeisterin Patricia Rebmann am Morgen auf RNZ-Nachfrage. "Wir hoffen, das bleibt auch so." Denn auch Eppelheim bezieht sein Wasser von den Heidelberger Stadtwerken. Allerdings kommt dieses aus einem anderen Wasserwerk als das für Dossenheim. "Das Eppelheimer Trinkwasser kann somit ohne Bedenken getrunken oder verzehrt werden", teilte die Stadt daher noch vormittags auf ihrer Internetseite mit. "Vorsorglich und ohne konkrete Gefahrsituation" wurde aber das Gisela-Mierke-Hallenbad geschlossen; erst nach Bekanntwerden der Entwarnung wurden es um 16.30 Uhr wieder geöffnet. Auch wurde die Essenausgabe an den Schulen gestoppt, da die Gerichte in Heidelberg zubereitet wurden. Für verunsicherte Bürger richtete die Stadtverwaltung ein Infotelefon ein.
> Leimen wird mit Wasser der Hardtgruppe versorgt, zu der auch Walldorf und Sandhausen gehören. Stadtsprecher Michael Ullrich reagierte schnell und erklärte: "Das hiesige Netz ist von der Verunreinigung nicht betroffen, das Wasser kann ohne Gefährdung wie gewohnt genutzt werden."
> Neckargemünd war ebenfalls nicht betroffen. Laut Stadtsprecherin Thordis Taag bezieht die Stadt ihr Wasser nicht aus Heidelberg, sondern aus eigenen Brunnen und von der Bodensee-Versorgung.
> Wilhelmsfeld ist über eine Leitung mit dem Dossenheimer Wassernetz verbunden. "Aber das Wasser fließt nur von unserer Seite - mit einem Druck von 20 Bar", betonte Bürgermeister Christoph Oeldorf. Es könne kein Wasser aus Dossenheim in das Wilhelmsfelder Netz gelangen. "Für alle Fälle haben wir aber die Leitung stillgelegt", sagte Oeldorf. Auch habe man an verschiedenen Stellen im Ort Proben genommen. "Wir konnten in keinster Weise etwas Auffälliges feststellen", so der Rathauschef weiter. Wilhelmsfeld gehört zum Zweckverband Eichelberg, dem zudem Teile von Heiligkreuzsteinach, Weinheim und Schriesheim angehören; das Wasser kommt zu einem Viertel aus einem Brunnen zwischen Schriesheim und Hirschberg, der überwiegende Rest aus Weinheim. (aham/lew)
Gegen 10 Uhr: Die Grundschule sorgt vor. Im Edeka-Großmarkt wird ein Auto voll mit Wasserflaschen geladen. Die Kinder müssen von zu Hause mitgebrachtes Leitungswasser auskippen.
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Gegen 10.30 Uhr: Im Rathaus kommt ein Krisenstab zusammen. Bürgermeister Hans Lorenz berät sich mit Vertretern von Verwaltung und Feuerwehr.
12 Uhr: Im Restaurant "Ambiente" wird beim Mittagessen improvisiert. "Wir bieten nur Gerichte an, für die wir kein Leitungswasser brauchen", erzählt Restaurantchefin Simone Aidonidis. Ein Steak mit Pommes oder Bratkartoffel? Kein Problem! Nudeln gibt’s zum Beispiel nicht. "Wir haben Bauchweh, weil wir nicht wissen, was los ist", gesteht Aidonidis, deren kleiner Sohn Simon berichtet: "Ich musste heute Morgen meine Zähne mit griechischem Wasser putzen." Gemeint ist Mineralwasser aus Griechenland, das die Familie zu Hause trinkt.

12.30 Uhr: In der Mensa der Kurpfalzgrundschule wird um diese Uhrzeit das Mittagessen ausgegeben - normalerweise. Gestern stehen die Kinder aber noch vor dem Eingang. "Wir haben Hunger!", rufen sie. In der Mensa dürfen Stefanie Müller und ihre Kollegin den fertigen Hackbraten und Pfannkuchen aber nicht ausgeben. Das Essen kommt zwar aus Schriesheim, wo das Wasser in Ordnung sein soll.
Doch vorsichtshalber wird es entsorgt. Stattdessen gibt es Brötchen, die im Akkord geschmiert und mit Wurst oder Käse belegt werden. Schulleiterin Anne Sikora berichtet, dass sich die Kinder ausnahmsweise nicht die Hände waschen müssen. Die Waschbecken sind mit Mülleimern blockiert, um den gewohnten Griff zum Hahn zu verhindern. "Die Kinder machen sich vor allem Sorgen um ihre Eltern", so Sikora.

13 Uhr: Im "Nah und gut"-Markt in der Ortsmitte wird die letzte Flasche stilles Wasser verkauft. Inhaber Gerd Weismehl hat am Morgen extra vier Paletten mit jeweils 40 Sechser-Packs mit 1,5-Liter-Flaschen geordert. "Wir haben in zwei Stunden 3000 Liter verkauft", bilanziert er.
Kurz nach 13 Uhr: "Du darfst Dir hier nicht die Hände mit Leitungswasser waschen!" Mit diesen Worten begrüßt ein Kind in der evangelischen Kindertagesstätte Lessingstraße den RNZ-Reporter. Alle wissen Bescheid. Da gerade die Grippe umgehe, sei Hygiene besonders wichtig, sagt Benjamin Vogt vom Leitungsteam. Das Händewaschen ist dank der morgens noch schnell gekauften Fünf-Liter-Wasserkanister möglich.
Hintergrund
Brunnenwasser des Beregnungsverbands war auffällig
Eine Sache macht stutzig: Auch das Wasser des Dossenheimer Beregnungsverbandes war gestern blau, wie der Verbandsvorsitzende Hans-Peter Stöhr berichtete. Das ist insofern merkwürdig, da der
Brunnenwasser des Beregnungsverbands war auffällig
Eine Sache macht stutzig: Auch das Wasser des Dossenheimer Beregnungsverbandes war gestern blau, wie der Verbandsvorsitzende Hans-Peter Stöhr berichtete. Das ist insofern merkwürdig, da der Beregnungsverband eigene Brunnen hat. Während das Leitungswasser aus dem Entensee auf Heidelberger Gemarkung kommt, fördert der Verband jetzt im Winter das Wasser aus einem Brunnen bei den Kleintierzüchtern. Dieser ist rund drei Kilometer vom Entensee entfernt. Noch ein Unterschied: "Das Trinkwasser ist aus dem Entensee ist uraltes Wasser", weiß Stöhr. Es kommt aus der Tiefe. "Sozusagen aus dem dritten Untergeschoss", erklärt der Dossenheimer weiter. Die Brunnen des Beregnungsverbandes würden nur zwölf bis 18 Meter in die Tiefe reichen, Stöhr nennt es "das erste Untergeschoss".
Hinzukommt: Das Trinkwassernetz ist nicht an das des Beregnungsverbands angeschlossen. "Die Ursache liegt also nicht in den Leitungen", war Stöhr überzeugt. Seine Sorge gestern Mittag: "Da muss was im Boden sein." Als die Entwarnung kam, war er zwar erleichtert, aber für die Blaufärbung hatte er noch immer keine Erklärung. (aham)
14.15 Uhr: Das Rathaus wird geschlossen. Die Mitarbeiter schwärmen aus, um Flugblätter zu verteilen. Fachbereichsleiter Thomas Schiller berichtet, dass drei Laster mit einem Fassungsvermögen von je 25 Kubikmeter Trinkwasser aus Bruchsal nach Dossenheim bringen sollen.
Die Veranstaltung eines Bestattungsinstituts mit dem Titel "Gut vorbereitet für die letzte Reise" im Rathaus findet trotz allem statt. Der Kaffee wird vorsorglich mit Mineralwasser gekocht.
15.15 Uhr: Im Hanna-und-Simeon-Heim und im Haus Stephanus läuft der Betrieb fast normal weiter - obwohl teilweise das Wasser abgestellt ist. Die Vorräte sind ausreichend, sodass mit Mineralwasser gekocht und Geschirr gespült wird, wie Detlef Bodamer berichtet, der derzeit beide Pflegeheime leitet.
15.39 Uhr: Aufatmen! Es gibt Entwarnung für Dossenheim.
Weitere Artikel zum Thema gibt es unter www.rnz.de/Trinkwasser