Wie geht es in Leimen weiter mit dem Bürgerentscheid?
Das Ringen um die Bebauung am Rathausplatz ist noch nicht vorbei – Der Gemeinderat nahm seinen Beschluss zurück – Ein "runder Tisch" soll es richten

Die vorbereiteten Stühle für die Zuhörer reichten nicht. Stapelweise mussten weitere Stühle in den Sitzungssaal gebracht werden und gingen weg wie "warme Semmeln".
Von Thomas Frenzel
Leimen. Die Sondersitzung des Gemeinderats am Donnerstagabend machte zweierlei überdeutlich. Erstens: Engagiert betriebene Kommunalpolitik lockt die Menschen durchaus hinterm Ofen hervor - und zwar in Scharen. Im Ratssaal des neuen Verwaltungsgebäudes reichten die aufgestellten Stühle bei weitem nicht aus, viele zusätzliche mussten herangeschafft werden. Und zweitens: Bei "Events" wie dieser Sondersitzung ist die Stellplatzkapazität des Rathausplatzes schlicht überfordert. Der verfügbare Asphalt war zugeparkt und rund um ihn herum alles, worauf sich ein Vehikel irgendwie abstellen lässt. Die Sondersitzung selbst lieferte viele Elemente von spannendem Parlamentarismus - und blieb am Ende dennoch eine entscheidende Antwort schuldig: Kommt es beim Bürgerbegehren gegen die geplante Hotelbebauung am Rathausplatz zu einem Bürgerentscheid - oder nicht?
Wie sehr bei der Rathausplatzbebauung die Fronten zwischen Bürgerinitiative und Stadtverwaltung verhärtet sind, offenbarte Alexander Hahn, der eine der beiden Vertrauensleute des Bürgerbegehrens. Seiner Anhörung war gemäß Gemeindeordnung ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet. Und Hahn nutzte sie für eine von Bürgerapplaus begleitete Breitseite gegen CDU und SPD und insbesondere gegen Oberbürgermeister Hans D. Reinwald als "treibender Kraft". Die Genannten hatten am 29. September 2016 die gemeinderätliche Mehrheit und sich dafür ausgesprochen, mit der in Leimen ansässigen CMS Invest GmbH über deren Konzept einer Rathausplatzbebauung zu verhandeln.
Dieses Konzept sieht bekanntlich ein 60-Betten-Hotel mit geräumigen Seminarmöglichkeiten und eine Tiefgarage auch unter dem benachbarten Hof der Turmschule vor. Hiergegen wiederum hatte sich eine Bürgerinitiative mit dem Motto "Festhalle - Nein!" formiert: Mit der Fragestellung "Sind Sie gegen eine Bebauung des Rathausplatzes nach dem Konzept der Fa. CMS?" hatte sie in der Stadt nahezu 3000 gültige Unterschriften gesammelt.
Hahn machte unmissverständlich klar, dass sich die BI mit einer bloßen Zurücknahme des bewussten Ratsbeschlusses vom September nicht zufrieden geben werde. Auch eine seitens des OB angebotene europaweite Ausschreibung der Rathausplatzbebauung komme nicht in Frage, wenn das CMS-Konzept dabei nicht ausgeschlossen werde. Alles andere sei ein Dolchstoß in den Rücken des Bürgerschaft, gegen den er mit allen legalen Mitteln vorgehen werde - sei es mit dem Gang vor das Verwaltungsgericht, sei es mit einem weiteren Bürgerbegehren.
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Jenseits der unstrittigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens - das geforderte Votum von sieben Prozent der Wahlberechtigten war übererfüllt - war sich der Gemeinderat auch bei der BI-Forderung nach einem "runden Tisch" einig. Diesen Tisch soll es mit Beteiligung der Geschäftswelt und der Bürgerschaft und damit auch der BI geben. Und dieser Tisch soll möglichst flott zu einem Ergebnis kommen.
Keinen Konsens gab es hingegen bei der Komplettablehnung des CMS-Projekts. Ganz im Gegenteil. Der OB, der von Hahn vorgetragene Details eines Acht-Augen-Gesprächs als aus dem Zusammenhang gerissen bezeichnete, stellte zweierlei klar: Selbstredend werde an einem "runden Tisch" versucht, einen Konsens herbeizuführen; bezüglich einer folgenden Ausschreibung werde aber der Gemeinderat entscheiden.
Die vom Bürgerinteresse an dieser Sondersitzung erkennbar beeindruckten Stadtmütter und -väter taten sich in ihrer Mehrheit erkennbar schwer, klare Kante zu zeigen. Klaus Feuchter (FDP) hatte es da einfach: Seine Fraktion war schon immer gegen das CMS-Hotel. Gegen den Verwaltungsvorschlag einer europaweiten Ausschreibung wehrte er sich vehement: Zum einen müsse erst festgelegt werden, was ausgeschrieben werde, und zum anderen sei die Stadt nach einer öffentlichen Ausschreibung nicht mehr Herr des Verfahrens. Ähnlich äußerte sich Mathias Kurz (FW), der sich für einen ergebnisoffenen runden Tisch aussprach.
Sehr sachlich, gleichwohl kritisch äußerte sich Peter Sandner (SPD). Aus dem Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs von 2008, der für eine Wiederherstellung der historischen Platzsituation stehe, würden alle nur herauspicken, was ihnen gefalle - auch die BI. Die Zeit sei aber nicht stehen geblieben, es habe schon einige Abweichungen gegeben und ein Bürgerentscheid sei nicht zwingend das Schlechteste. Hans Appel (CDU) warf ein, dass für die Genehmigung der Bürgermeister-Lingg-Straße als innerörtlicher Stadtkernumgehung die Rathausplatzbebauung vorausgesetzt worden sei.
Ralf Frühwirt (GALL) konstatierte mit Blick auf die erfolgte Wohnbebauung auf dem alten VfB-Hartplatz, dass es nicht das erste Mal sei, dass die Bürger etwas anderes wollten als der Gemeinderat - und er hoffte auf Lernfähigkeit. Er stellte denn auch den förmlichen Antrag, über die BI-Forderung nach einer Komplettabsage des CMS-Konzepts abzustimmen. Es war ein Antrag, über den in der Hektik der Sitzung aber nicht abgestimmt wurde.
Denn dieser Antrag und diese BI-Forderung beinhaltete die Gretchenfrage: Verwirft der Gemeinderat komplett ein Hotel-Seminar-Tiefgaragen-Konzept am Rathausplatz oder nicht? Entsprechend gerungen wurde über Formalien: Genügt die Rücknahme des Pro-CMS-Beschlusses vom September, um einen förmlichen Bürgerentscheid abzuwehren, oder muss dazu das CMS-Konzept, wie von der BI gefordert, komplett abgelehnt werden. Diese Diskussion mündete in eine vom OB geforderte Sitzungspause.
Es war eine Sitzungspause, die länger dauerte als gedacht. Der OB sprach mit den Fraktionssprechern, die Stadträte berieten sich fraktionsintern und fraktionsübergreifend, außerhalb des Sitzungssaal stimmten sich nicht zwingend grüne Fraktionen wie GALL und FDP ab, BI-Vertreter suchten das Gespräch mit ihren wohlgestimmten Mandatsträgern, die vielen Zuhörer diskutierten. Im neuen Ratssaal herrschte schier historische Betriebsamkeit. 20 Minuten lang.
Das Ergebnis dieser Unterbrechung war Einstimmigkeit. Ja zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, Ja zur Rücknahme des Septemberbeschlusses, Ja zu einem "runden Tisch" und Ja zu einer zusätzlichen Erklärung, wonach der Ratsbeschluss, "den Rathausplatz nach dem Konzept der Fa. CMS zu bebauen", aufgehoben werde.
Offen blieb für die Zuhörer, ob mit dieser Beschlusslage die umstrittene Hotel-Seminar-Tiefgaragen-Bebauung nun wirklich abgelehnt war oder nicht. Für die Stadtverwaltung jedenfalls war für einen Bürgerentscheid die Grundlage nicht mehr gegeben.
Das sahen einige Stadträte am Rande der Sitzung durchaus anders. Und nicht nur sie: Für BI-Sprecher Hahn war der Bürgerentscheid rein juristisch noch längst nicht vom Tisch.



