Den Idolen für kurze Zeit ganz nah (plus Video)
Hunderte Zuschauer feuerten Profis der Deutschland-Tour in Hirschberg und Ursenbach an - Spektakel dauerte nur wenige Sekunden

Spitzentrio am Gipfel: Um 12.41 Uhr kam die Ausreißergruppe an der Ursenbacher Höhe an. Foto: Dorn
Von Frederick Mersi und Stefan Zeeh
Bergstraße. Matti wartet auf sein Idol. In wenigen Minuten soll Pascal Ackermann die Landstraße zur Ursenbacher Höhe hinaufgeklettert kommen. Oben warten schon seine alten Handschuhe auf den Radprofi aus dem pfälzischen Kandel - an Mattis Händen.
"Ich habe ihn beim Bahnradrennen angefeuert, danach hat er mir seine Handschuhe gegeben", erzählt der Achtjährige aus Weingarten. Jetzt, ein Jahr später, will er mit seiner Familie und mehreren Hundert weiteren Zuschauern an der ersten Bergwertung der vierten Deutschland-Tour-Etappe die Fahrer anfeuern.

Aus Weingarten kamen Matti (8) und Jan (12) mit ihrer Familie und einem selbst gebastelten Transparent, um bei bestem Radsport-Wetter an der Ursenbacher Höhe den Deutschen Meister Pascal Ackermann anzufeuern. Foto: Dorn
Mit seinem vier Jahre älteren Bruder Jan hält er ein selbst bemaltes Transparent, "Ackermann - the best" steht darauf. Ob die beiden ihn in den wenigen Sekunden überhaupt erkennen werden? "Ja, natürlich", sagt Jan gelassen und lächelt. "Er trägt ja das Trikot des deutschen Meisters." Matti nickt und schaut die Landstraße hinunter in Richtung Rheinebene.
Währenddessen kündigt sich die Deutschland-Tour im Hirschberger Ortsteil Großsachsen an. Erste Begleitfahrzeuge passieren die Kreuzung Brunnengasse/Breitgasse. Frühestens sollen die Rennfahrer hier um 12.33 Uhr eintreffen. Einige Zuschauer haben aber erfahren, dass die ersten wohl schon einige Minuten vorher Großsachsen erreichen könnten. "Die haben ein anderes Tempo drauf als wir", stellt einer der selbst nach Großsachsen gefahrenen Radler fest.
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Das Geräusch eines Fernseh-Hubschraubers über Hohensachsen deutet darauf hin, dass das Feld der Rennfahrer die Nachbargemeinde erreicht hat. Eines von vielen Polizeimotorrädern nähert sich der Kreuzung unter lautem Hupen. "Morgen", ruft der Polizist den Zuschauern freundlich zu. Mittlerweile ist die Kreuzung auch für die aus Westen und Süden kommenden Fahrzeuge gesperrt.

Eng ging es in Großsachsen an der Kreuzung Brunnengasse/Breitgasse im Fahrerfeld zu. Foto: Zeeh
Und dann sausen die drei zu diesem Zeitpunkt führenden Radrennfahrer mit gut einer Minute Vorsprung auf das Hauptfeld unter kräftigem Applaus der mittlerweile gut 100 Zuschauer um die 90-Grad-Kurve. Jetzt geht es für sie rund 170 Höhenmeter hinauf in Richtung Ursenbacher Höhe.
Dort hat inzwischen auch der Skoda der Renn-Offiziellen geparkt, die festlegen, wer die Punkte für die Bergwertung einsammeln darf. Gegenüber wartet Siegfried Brombach aus Schwetzingen mit Sohn David (8) und Tochter Rosa (3) auf die Sportler. "Ich bin dem Radsport seit 1983 immer treu geblieben - ob gedopt wird oder nicht", sagt der Familienvater, der auch mal um 5 Uhr morgens aufsteht, um Rennrad zu fahren.
"Das ist eigentlich der schönste Sport der Welt." Jetzt stehen die Brombachs seit 10.20 Uhr an der Strecke und warten. "Eigentlich viel zu früh, aber das ist nicht so schlimm", findet Sohn David, der dem Katusha-Alpecin-Team die Daumen drückt. "Die hatten bisher keine gute Saison, die sollen auch mal was gewinnen."
Für Karlheinz Schulz, Ehrenvorsitzender des Schriesheimer Verkehrsvereins, ist das Sportliche nicht so wichtig. Er kann sich noch daran erinnern, wie die Deutschland-Tour mit Jan Ullrich durch die Talstraße führte. "Die waren alle nach zehn Sekunden durch", sagt er. "Aber die Leute kommen dafür von überall her. Da hätten wir auch einen Stand hinstellen können, wenn die Ankündigung nicht so kurzfristig gewesen wäre."
Die Stimmung ist dennoch prächtig: Die Zuschauer winken dem Hubschrauber und den Begleitfahrzeugen zu, werden auch von den Polizisten freundlich zurückgegrüßt. Um 12.41 Uhr zieht die Spitzengruppe vorbei, von den Zuschauern lautstark angefeuert. Gut fünf Minuten später folgt das Hauptfeld - mit Pascal Ackermann im Trikot des Deutschen Meisters.
Um 12.49 Uhr ist alles schon wieder vorbei: Die Polizei wünscht allen über Lautsprecher einen schönen Tag, die Zuschauerschar wandert, radelt und fährt gut gelaunt davon. Der achtjährige Matti strahlt übers ganze Gesicht. "Wir haben ihn erkannt", sagt er. "Wir sind echt froh, dass wir da waren."



