"Mittelgewann" Edingen-Neckarhausen: Berechnungen sind reines Zahlenspiel
"Nachgehakt" bei Kritikern und Befürwortern: Bei der Wirtschaftlichkeit kann wenig belegt, aber vieles angenommen werden

Wie viel Gewinn oder Verlust könnte das geplante Neubaugebiet im Mittelgewann in den kommenden Jahrzehnten mit sich bringen? Bei den Zahlen basiert vieles auf Annahmen. Foto: Gemeinde Edingen-Neckarhausen
Von Maren Wagner
Edingen-Neckarhausen. Wie weit Kritiker und Befürworter des geplanten Neubaugebiets "Mittelgewann" auseinanderliegen, lässt sich am Besten an Zahlen festmachen. Während die Verwaltung um Bürgermeister Simon Michler von jährlichen Gewinnen im sechsstelligen Bereich ausgeht, stellte die Bürgerinitiative "Bürgerbegehren Mittelgewann" eine Rechnung vor, die bis zum Jahr 2041 einen Verlust zwischen zweieinhalb und 8,1 Millionen Euro voraussagt. Gemein haben beide Rechnungen, dass sie auf Modellen beruhen, die heute noch nicht völlig vorhersagbar sind. Es sind Zahlenspiele.
Hintergrund
Im Vorfeld des Bürgerentscheids über das geplante Neubaugebiet Mittelgewann hat die RNZ unter der Überschrift "Nachgehakt" Thesen von Befürwortern und Kritikern aufgegriffen und sie noch einmal näher beleuchtet.
Mit Zahlen halten sich weder Kritiker noch Befürworter
Im Vorfeld des Bürgerentscheids über das geplante Neubaugebiet Mittelgewann hat die RNZ unter der Überschrift "Nachgehakt" Thesen von Befürwortern und Kritikern aufgegriffen und sie noch einmal näher beleuchtet.
Mit Zahlen halten sich weder Kritiker noch Befürworter zurück. Fakten sind steigende Anteile an der Einkommenssteuer und höhere Schlüsselzuweisungen genauso wie steigende Ausgaben bei den Umlagen. Wie hoch diese aber in den kommenden Jahrzehnten ausfallen werden, ist wie viele andere Zahlen heute noch nicht belegbar. mwg
Er hat es in den vergangenen Monaten immer wieder betont: Millionen-Gewinne verspricht sich Bürgermeister Simon Michler für die Gemeinde aus dem Umlageverfahren, sollte das Neubaugebiet kommen. Außerdem jährliche Einnahmen in den Hunderttausenden, die sich besonders aus dem höheren Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer und den steigenden Schlüsselzuweisungen vom Land zusammensetzen. Letztere beide sind grundsätzlich die Haupteinnahmequelle einer Gemeinde.
Steigen diese Anteile, erhöhen sich aber gleichzeitig die Kreisumlage und die Finanzausgleichsumlage, die alle zwei Jahre neu angepasst werden. Michler hat das bedacht: "Das wird sich irgendwann einpendeln", sagt er. Am Ende bleibe unterm Strich dennoch jährlich Geld in der Gemeinde hängen, vielleicht nicht im höheren, aber zumindest im niedrigen sechstelligen Bereich. Bei den Einnahmen, sagt Michler, seien langfristige Mehrkosten für die Infrastruktur und die Unterhaltung des Neubaugebiets bereits berücksichtigt.
Ausgangslage für Michlers Rechnung ist, dass er das Mittelgewann als Teil der Kommune sieht. Er geht davon aus, dass Edingen-Neckarhausen bald rund 600 Neubürger vorweisen kann. Die einen sollen ins Neubaugebiet ziehen, die anderen in diejenigen Wohnungen im Ort, die frei werden, wenn Edingen-Neckarhäuser im Mittelgewann bauen. Diese Annahme bedingt gleichzeitig, dass die Gemeinde als Ganzes an den Ausgaben beteiligt ist. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur Rechnung der Bürgerinitiative.
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Von einem "Totalverlust" des Neubaugebiets sprach Thilo Sekol vergangenen Donnerstag im Bürgersaal. Dorthin war der Hirschberger auf Einladung der Initiativen-Sprecher gekommen, um seine Berechnung der Wirtschaftlichkeit des Mittelgewanns vorzustellen. Dahinter steckt eine Gewinn- und Verlustrechnung, wie sie in Unternehmen vorgenommen wird. In vier Varianten stellt Sekol jeweils über 25 Jahre Einnahmen und Ausgaben des Neubaugebiets gegenüber und kommt in jedem Fall bis 2041 zu Millionenverlusten für die Gemeinde.
Das düsterste Szenario sieht ein Minus von rund acht Millionen Euro vorher. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit", sagte Sekol bei der Bürgerinformationsveranstaltung, entstehe im Mittelgewann ein jährlicher Verlust von etwa 280.000 Euro. Drei Ausgabenposten bestimmen seine Berechnungen. Dazu gehören die steigenden Kreis- und Finanzausgleichsumlagen. Sekol geht außerdem davon aus, dass die Verwaltung drei zusätzliche Vollzeitkräfte und eine Teilzeitkraft benötigt, um die Arbeit, die durch die neuen Bürger entsteht, bewältigen zu können. In Variante drei nimmt er diese Stellen heraus und kommt immer noch auf ein Minus von rund zweieinhalb Millionen Euro. Schließlich plant er jährlich zwischen 180.000 und 280.000 Euro an Folgekosten für den Erhalt der Infrastruktur ein.
Diese Zahlen für den Unterhalt wie auch weitere in der Untersuchung basieren laut Sekol auf der Wirtschaftlichkeitsanalyse des rund sieben Hektar großen Neubaugebiets "Sterzwinkel" in Hirschberg, gegen das er vor einigen Jahren in einer Bürgerinitiative erfolglos kämpfte. "Das Verhältnis ist ungefähr dasselbe", sagt Sekol: "Ich denke, das passt."
Sekols Berechnungen beziehen sich ausschließlich auf das Mittelgewann. Indem er das Neubaugebiet der Investitionsrechnung eines Unternehmens gleichsetzt, sieht er es als geschlossenen Bereich in Bezug auf Einnahmen und Ausgaben an. Das bedeutet, dass er zum Beispiel - anders als die Verwaltung und Bürgermeister Michler - eventuelle Neubürger, die in frei gewordene Wohnungen in Edingen-Neckarhausen ziehen sollen, nicht in seiner Berechnung berücksichtigt.



