Edinger Mittelgewann bietet hohes Konfliktpotenzial, ist aber kein Naturschutzgebiet
"Nachgehakt" bei Sebastian Olschewski vom Nabu: "Aus unserer Sicht unbedingt erhaltenswert"

Sebastian Olschewski vom Nabu (l.) kritisiert auch die Größe des geplanten Neubaugebiets. Edingen-Neckarhausen sollte eine Leuchtturmrolle gegen Flächenverbrauch einnehmen, wünscht er sich. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Bund und Land wollen den Flächenverbrauch senken, gleichzeitig fehlt es an Wohnraum. Der Naturschutzbund (Nabu) fordert ein zukunftsweisendes Flächenmanagement und würde Edingen-Neckarhausen dabei gerne eine Leuchtturmrolle zuweisen. Das Mittelgewann zu bebauen, halten die Naturschützer für den völlig falschen Weg.
Warum, hat die RNZ im Vorfeld des Bürgerentscheids Sebastian Olschewski gefragt, Zweiter Vorsitzender der Heidelberger Nabu-Gruppe, der die Bürgerinitiative "Bürgerbegehren Mittelgewann" stark unterstützt.
Hintergrund
Im Vorfeld des Bürgerentscheids über das geplante Neubaugebiet Mittelgewann hat die RNZ unter der Überschrift "Nachgehakt" Thesen von Befürwortern und Kritikern aufgegriffen und sie noch einmal näher beleuchtet.
Für das Mittelgewann ergibt sich naturschutzrechtlich
Im Vorfeld des Bürgerentscheids über das geplante Neubaugebiet Mittelgewann hat die RNZ unter der Überschrift "Nachgehakt" Thesen von Befürwortern und Kritikern aufgegriffen und sie noch einmal näher beleuchtet.
Für das Mittelgewann ergibt sich naturschutzrechtlich zwar kein besonderer Gebietsschutz, der Nabu verweist aber auf das hohe Konfliktpotenzial in Hinblick auf Umweltbelange und stellt die Frage, ob eine so große Fläche überhaupt überplant werden müsse.
Warum ist das Mittelgewann schützenswert?
Das Mittelgewann bietet auf einer Fläche von 15 Fußballfeldern Mensch und Tier wertvollen Lebensraum. Tierarten wie Steinkauz, Grünspecht und Gartenrotschwanz, die zum Teil bundesweit gefährdet sind, finden hier Rückzugsmöglichkeiten im dicht besiedelten und intensiv genutzten Rhein-Neckar-Raum. Es ist ein wichtiger Trittstein für Pflanzen und Tiere im grünen Wegenetz (Biotopverbund) Baden-Württembergs. Höhlenreiche Obstbäume mit Totholz sind mittlerweile selten geworden in unserer Landschaft, im Mittelgewann finden wir sie noch. Auch für die wohnortnahe Erholung sowie als klimatische Ausgleichsfläche zum Siedlungsraum erfüllt das Mittelgewann eine wichtige Funktion. Die landwirtschaftlich genutzten Böden im Mittelgewann sind sehr fruchtbar.
Ist der Schutzfaktor des Gebiets hoch genug, um eine Bebauung zu verhindern?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Aus unserer Sicht ist das Mittelgewann unbedingt erhaltenswert. Rechtlich gesehen unterliegt das Mittelgewann jedoch keiner Flächenschutzkategorie, zum Beispiel als Naturschutzgebiet, sodass sich naturschutzrechtlich kein besonderer Gebietsschutz ergibt. Das bedeutet aber nicht, dass der Lebensraum von Steinkauz und Co. einfach überbaut werden darf. Hier greift nämlich das Artenschutzrecht. Letztlich gibt es noch keine umfassende Inventarisierung der Flora und Fauna im Mittelgewann, aber bereits der jetzige Kenntnisstand zeigt den hohen Wert der Lebensräume. Letztlich behalten wir uns als Naturschutzverband natürlich vor, mögliche Fehlplanungen der Gemeinde notfalls auch gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn wir feststellen, hier kommt die Natur massiv unter die Baggerräder.
Was müsste an schützenswerten Arten vorhanden sein, um eine Bebauung zu verhindern und welche seltenen Tiere leben dort?
Das Mittelgewann hat eine besondere Bedeutung als Lebensraum für Vögel, Fledermäuse und Totholzkäfer. Einige von diesen Arten, zum Beispiel der bundesweit gefährdete Steinkauz, genießt einen gesetzlich strengen Schutz. Diese kleine Eule war einst im Rhein-Neckar-Raum weit verbreitet, durch Lebensraumverlust war sie bei uns fast ausgestorben. In den letzten Jahren kommt der kleine Nachtkobold langsam zurück. Dank intensiver Schutzmaßnahmen. Wenn die Untere Naturschutzbehörde aus Artenschutzsicht einer Bebauung zustimmen sollte, werden umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen notwendig, die über das bisher anvisierte Ausmaß hinausgehen.
Trifft der besagte Schutzfaktor nicht auf alle möglichen Baugebiete dieser Größenordnung mit Naherholungswert zu?
In diesem Punkt muss ich klar widersprechen: Nicht bei jedem potenziellen Erschließungsgebiet in Edingen-Neckarhausen gibt es ein vergleichbar hohes Konfliktpotenzial in Hinblick auf Umweltbelange wie im Mittelgewann. Der Landschaftsplan dokumentiert eindeutig: Das Mittelgewann birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Leider ist es in Baden-Württemberg nach wie vor verbreitete Realität, dass vergleichbare Gebiete baulich erschlossen werden, das macht uns und auch der Landesregierung große Sorgen.
Welche alternativen Baugebiete sieht der Nabu in Edingen-Neckarhausen als unproblematischer an?
Die Frage ist nicht wo, sondern ob überhaupt eine so große Fläche baulich erschlossen werden muss. Pro Tag werden in Baden-Württemberg 5,2 Hektar überplant oder überbaut. Die Freiflächen zerrinnen uns wie Sand zwischen den Fingern. Den Flächenverbrauch zu senken, ist erklärtes Ziel der Bundes- wie der Landesregierung.
Bis 2020 soll der Verbrauch bundesweit auf 30 Hektar pro Tag zurückgehen. Anteilig berechnet ergibt sich dadurch für Baden-Württemberg ein maximaler Flächenverbrauch von drei Hektar pro Tag. Langfristiges Ziel ist die Netto-Null. Das ist eine klare politische Ansage, von deren Ziel wir noch weit entfernt sind. Daher wollen wir vielmehr die Frage stellen: Wie sieht der Beitrag der Gemeinde Edingen-Neckarhausen zur Erreichung dieses Ziels aus?



