Bauinteressenten drängen in Reinhardsachsen auf Erschließung
Der Ort kann jungen Familien keine Bauplätze anbieten. Die problematische Entwässerung am Hang treibt die Kosten in die Höhe.

Walldürn-Reinhardsachsen. (hape/jam) "Wir haben 276 Einwohner. Wenn wir da aufgrund fehlender Bauplätze vier oder fünf zusätzliche Häuser verlieren, dann tut uns das weh." Reinhardsachsens Ortsvorsteher Heiko Berberich machte weder bei einem Vororttermin noch in der jüngsten Sitzung des Ortschaftsrats einen Hehl aus seiner Enttäuschung, dass die Stadt Walldürn die Finanzierung für die Erschließung von neun Grundstücken in seinem Ortsteil gestrichen hat.
Eigentlich könnte alles so schön sein: Reinhardsachsen ist mit seiner idyllischen Lage und den großzügigen Abständen bei der Bebauung ein "überaus lebens- und liebenswertes Örtchen", wie es Berberichs Vorgänger Winfried Kister formuliert. Das abgelegene Kleinod ist sogar so lebenswert, dass sich dort vor knapp einem halben Jahrhundert der "Ferienpark Madonnenländchen" etabliert hat. Und noch heute übt der Ortsteil eine Anziehungskraft aus. "Die jungen Familien wollen hierbleiben beziehungsweise sich nach einem kurzen Abstecher in die Großstadt wieder hier ansiedeln", berichtete Heiko Berberich. Laut dem Ortsvorsteher haben sich bereits vier Bauwillige gemeldet, ein fünfter sei "im Anflug". Daher ist es für den Ortsvorsteher "äußerst unbefriedigend, dass wir derzeit den jungen Bürgern keine Bauplätze anbieten können".
"Die jungen Familien wollen hierbleiben"
Die Grundstücke, die die jungen Familien begehren, liegen auf einer Anhöhe zwischen Reinhardsachsen und dem Feriendorf. Seit mehr als 20 Jahren ist dort das Baugebiet "Knorracker" ausgewiesen – Bürgermeister Joseph hatte 1998 einen entsprechenden Satzungsbeschluss der Stadt Walldürn für das knapp 2,4 Hektar große Areal unterzeichnet. Beinahe genauso lang wirbt dort ein vom Wetter gezeichnetes Schild mit der Aufschrift "Baumöglichkeit kurzfristig!" für die neun attraktiven Bauplätze mit Panoramablick.
Hintergrund
> Funkloch ade: Das Funkloch auf der Gemarkung Reinhardsachsen soll geschlossen werden. Ortsvorsteher Heiko Berberich verkündete in einer Sitzung des Ortschaftsrats, dass man mit der Telekom einig geworden sei, die einen Mobilfunkmast errichten möchte. Berberich geht davon
> Funkloch ade: Das Funkloch auf der Gemarkung Reinhardsachsen soll geschlossen werden. Ortsvorsteher Heiko Berberich verkündete in einer Sitzung des Ortschaftsrats, dass man mit der Telekom einig geworden sei, die einen Mobilfunkmast errichten möchte. Berberich geht davon aus, dass das Projekt binnen zweier Jahre für einen besseren Empfang auf der Höhe sorgen werde.
> Bürger wünschen sich "Regiomat": Eine Bürgerbefragung auf der Homepage (www.reinhardsachsen-info.de) hat ergeben, dass eine Mehrheit einen Abbau des Freiluftschachts in Reinhardsachsen im Rahmen der Platzneugestaltung befürwortet. Für die Errichtung eines Dorfbackhauses in der ehemaligen Dorfwaage sprachen sich sieben Einwohner aus, fünf würden sich bei Betrieb und Aufbau einbringen. Für einen "Regiomat" gab es mehr Befürworter: 35 Bürger würden dort einkaufen. Der Ortschaftsrat will dieses Thema nun weiterverfolgen.
> 2020 viel bewegt: In seinem Rückblick auf 2020 erinnerte Ortsvorsteher Heiko Berberich an die Instandsetzung des Wanderwegs "Kaltenbachschlucht". Zudem hat man im Dorfgemeinschaftshaus eine Raumteilungstür eingebaut, einen Präsentationsbildschirm angeschafft und das Innere saniert. An der Leichenhalle wurden ein neues Geländer angebracht, die Tür instandgesetzt sowie ein neuer Weihwasserkessel und ein neuer Aspergill angeschafft. Weiter erwähnte Berberich Erneuerungen diverser Ruhebänke in und um Reinhardsachsen und Kaltenbrunn, Malerarbeiten und Reparaturen an Bushaltestellen, die Erneuerung des Wildschutzzauns am Friedhof und diverser Hinweisschilder für Wanderer, Grabensäuberungen, das Entfernen abgestorbener Bäume an der Gemeindeverbindungstraße von Kaltenbrunn nach Wettersdorf sowie die Verfüllung von Schlaglöchern und Wegerändern mit Schotter und Erde.
> In Planung: ein neues Geländer im Dorfgemeinschaftshaus, die Erneuerung verblasster Straßenschilder im Erholungspark, Holzstreicharbeiten an der Außenfassade des Dorfgemeinschaftshauses und der Leichenhalle, eine Instandsetzung der Randsteine an der Kreisstraße, die Entfernung der Wildschutzzäune im Rahmen der Flurbereinigung, eine Prüfung bezüglich der Reparatur des Eckebrunnens, eine Prüfung des Anbaus für Feuerwehr und Ortsverwaltung am Dorfgemeinschaftshaus, Verkauf oder Vermietung der ehemaligen "Lehrerwohnung", das Einsetzen herausgebrochener Steine in der Friedhofsmauer, Straßenausbesserungen, die Reparatur des Brunnens in Kaltenbrunn, die Verlagerung des alten Waagehäuschens, die Verlegung des Grüngutplatzes und die Erweiterung des Spielplatzes mit neuen Spielgeräten.
> Bayern stellt sich quer: Der Bürgermeister aus Eichenbühl lehnt es Berberich zufolge ab, eine gemeinsame Fahrradweganbindung herzustellen. (hape)
Noch vor wenigen Monaten sah es aus, als würde nach den langen Jahren des Wartens neuer Schwung in die Angelegenheit kommen. Der Gemeinderat hatte für Grunderwerb und Erschließung Geld zugesagt – und das trotz der prekären Finanzlage der Stadt. Doch zu Beginn des Jahres kam dann der Rückschlag. Um den Haushalt zu entlasten und in den nächsten Jahren ein genehmigungsfähiges Zahlenwerk präsentieren zu können, beschloss der Finanzausschuss, die Mittel für den "Knorracker" in Reinhardsachsen zu streichen. Damit spart sich Walldürn im Jahr 2021 Ausgaben in Höhe von 275.000 Euro, im Jahr darauf weitere 1.069.500 Euro. "Die Million war ganz schnell wieder weg in Zeiten, in denen man sparen muss", kann der Ortsvorsteher diese Entscheidung nachvollziehen. Die "Million" – damit meint Berberich die Deckungslücke, die sich bei diesem Projekt nach aktuellem Stand nicht so einfach schließen lässt. Denn die Erschließungskosten stehen in keinem Verhältnis zu den Erlösen.
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Was dort auf der Höhe die Kosten in die Höhe treibt, ist die Entwässerung. Besonders deutlich wurde dies im Juni 2018: Damals spülte ein Gewitter eine Schlammlawine in die Ortschaft. Seitdem gelten drei der ursprünglich zwölf geplanten Bauplätze im "Knorracker" als unverkäuflich. Zudem stößt die 1980 gebaute Kläranlage in Reinhardsachsen, an die außerdem die Bevölkerung von Glashofen angebunden ist, bereits an ihre Kapazitätsgrenze.
Dennoch will der Ortsvorsteher weiter für die Erschließung kämpfen. Und auch die Stadtverwaltung hat das Thema weiterhin auf ihrer Agenda: Immerhin nimmt sie in diesem Jahr 20.000 Euro in die Hand, um zu überprüfen, wie sich der "Knorracker" günstiger erschließen ließe. Das Ergebnis soll bereits Mitte des Jahres vorliegen.
"Die Million war ganz schnell wieder weg"
Eine schnelle Lösung ist für die Bauwilligen trotzdem erst einmal nicht in Sicht. Denn die mittelfristige Finanzplanung bis 2024 sieht keine weiteren Ausgaben für das Areal vor. Doch einen Trost gibt es für Ortsvorsteher Heiko Berberich: Wenn das Geld einmal bewilligt ist, kann es schnell gehen. "Wir haben den Vorteil: Der Bebauungsplan ist durch." Außerdem rechnet Berberich nicht mit Problemen beim Grunderwerb.
Den jungen Familien, die sich ihren Traum vom Eigenheim in Reinhardsachsen verwirklichen wollen, bleibt dennoch nur, sich in Geduld zu üben oder sich anderweitig umzuschauen. Dafür müssen sie nicht unbedingt in die Ferne schweifen. Denn – so heißt es im Walldürner Haushaltsplan für 2021: "Ein Schwerpunkt liegt 2021 und in den Folgejahren beim Grunderwerb von Bauerwartungsland und den darauffolgenden Erschließungsmaßnahmen, um auch künftig attraktive und bezahlbare Bauplätze in Walldürn und den Ortsteilen anbieten zu können." Reinhardsachsen ist da allerdings durch den Rost gefallen.