Ministerpräsident Kretschmann hört sich Hardheimer Sorgen und Nöte an

Ministerpräsident hörte sich gestern in Hardheim die Sorgen und Nöte der Handelnden vor Ort an - Keine Zusagen für die Gemeinde

12.11.2015 UPDATE: 13.11.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Beim Rundgang durch die BEA in der Hardheimer Carl-Schurz-Kaserne zeigte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann gestern am frühen Abend von der vor Ort geleisteten Arbeit - wie hier beim Sprachkurs - beeindruckt. Alle Fotos: R. Busch

Von Rüdiger Busch

Hardheim. Spätestens seit dem bundesweiten Medienwirbel um ihren "Leitfaden für Flüchtlinge" ist der Name der Erftalgemeinde eng verbunden mit der Asylproblematik. Eine Besichtigung der Hardheimer Erstaufnahmeeinrichtung (BEA) in der Carl-Schurz-Kaserne durfte im Programm der Kreis-Bereisung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann denn auch nicht fehlen. Die vom Bürgermeister und vielen Hardheimern erhoffte Zusage, der Gemeinde keine zusätzlichen Flüchtlinge mehr zuzuweisen, blieb Kretschmann zwar schuldig. "Wir haben erst einmal nicht vor, die Kaserne noch weiter zu belegen", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann . Dass die derzeitige Belegungsgrenze von 650 Flüchtlingen aber dauerhaft Bestand haben wird, konnte er nicht zusichern: "Ich will kein Versprechen geben, das ich nachher nicht halten kann." Doch der Landesvater zeigte Verständnis für die besondere Belastung Hardheims und war angetan vom Engagement der ehrenamtlichen Helfer und der Organisation der BEA: "Ich habe einen sehr guten Eindruck gewonnen."

Im Eiltempo wurde 
Kretschmann durch die Einrichtung geführt, doch trotz des hohen Tempos war ihm einiges positiv aufgefallen: "Wie die Flüchtlinge mit einbezogen werden, ist beeindruckend." Im Kindergarten, bei Reinigungsdiensten oder bei den Sprachkursen: Überall bringen sich die Bewohner selbst mit ein. Lobende Worte fand er für die Arbeit der Hauptamtlichen und der vielen ehrenamtlichen Helfer: "Dies zeigt den starken Zusammenhalt unserer Gesellschaft." Für Landrat Dr. Achim Brötel ist das Engagement die "Stärke des ländlichen Raums."
Dieses Ehrenamt komme jedoch bei der großen Zahl an Flüchtlingen an seine Grenzen, gab Bürgermeister Volker Rohm zu bedenken: "Wie viele Flüchtlinge kann Hardheim, kann unser Land verkraften?" Hierzu hatte Kretschmann eine klare Ansicht: "Die Flüchtlinge kommen einfach, wir müssen sie ordentlich unterbringen." Angesichts des Flüchtlingszustroms könnten die Kasernen noch stärker genutzt werden. Auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge könne das Land in dieser Krisensituation keine Rücksicht nehmen: "In Nordbaden gibt es nun einmal überproportional viele Liegenschaften – das kann ich nicht ändern, ich kann sie mir nicht selber bauen."

Das Medieninteresse war riesig: Neben zwei Fernsehteams waren auch der Journalist und Bestsellerautor Matthias Matussek ("Die Welt") und weitere Journalisten dabei. Bürgermeister Volker Rohm sowie die Fraktionsvorsitzenden Dr. Ingo Großkinsky (CDU), Klaus Schneider (Freie Wähler) und Manfred Böhrer (SPD-Bürgerliste) sowie Pfarrer Markus Keller und Yvonne Wolfmüller als Vertreter von "Hardheim hilft" nahmen beim abschließenden Gespräch von Hardheimer Seite aus teil.

Bürgermeister Rohm und Pfarrer Keller wollten vom Ministerpräsident eine Zusage für eine Obergrenze für Hardheim: "Nein, die kann ich ihnen nicht geben, denn wir fahren auf Sicht." Langfristige Vorhersagen seien nicht möglich.

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Klaus Schneider wollte wissen, wann die versprochenen Sozialarbeiter in der BEA ihren Dienst antreten. Regierungspräsidentin Nicolette Kressl teilte mit, dass dies Sache der Wohlfahrtsverbände sei. 6,5 Stellen seien vorgesehen. MdL Peter Hauk wunderte sich, dass diese Stellenbesetzung nun Sache der Wohlfahrtsverbände sei. Bis die Sozialarbeiter ihren Dienst antreten, könnten die "helfenden Hände" der Bundeswehr einspringen, sagte der Ministerpräsident. Ein entsprechender Antrag sei gestellt.

Dr. Ingo Großkinsky sprach die Schwächung des ländlichen Raums an, der nun auch noch besonders starke Flüchtlingszuweisungen verkraften müsse. Diese Kritik wies Kretschmann von sich: Auch Städte wie Heidelberg und Mannheim seien stark belastet. "Das Land muss bei den Zuweisungen mit Augenmaß handeln", forderte Dr. Ingo Großkinsky, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat, "sonst kippt die Stimmung, und die Ehrenamtlichen brechen weg." Worte, die ankamen: "Wir versuchen, Rücksicht zu nehmen, so lange wir können", sagte Kretschmann und verwies auf verbesserte Abläufe und neue Erstaufnahmeeinrichtungen im Land. Das erhoffte Versprechen für Hardheim gab er aber nicht ab: "Bevor die Menschen im Freien schlafen müssen, werden wir sie in Kasernen unterbringen."

Manfred Böhrer wies auf die schlechten Verbindungen im öffentlichen Personennahverkehr hin. Von besseren Verbindungen würden die Flüchtlinge profitieren. Hier sei man dabei, Verbesserungen zu erreichen, sagte Referatsleiter Manfred Beuchert vom Regierungspräsidium. Gleiches gelte für Freizeitangebote für die Flüchtlinge: Es gebe Überlegungen, ihnen die Nutzung der Sportanlagen der Kaserne zu ermöglichen.