Flüchtlinge in Hardheim: Ehrenamtliche bringen Flüchtlingen Deutsch bei
Das engagierte Team aus Ehrenamtlichen trifft in ihrem Unterricht auf Wissbegierige verschiedenster Leistungsniveaus.

Inge Marie Bonin (l.) und ihre Mitstreiterinnen leisten mit ihren Deutschkursen in der BEA einen wertvollen Beitrag zur Integration - und die Teilnehmerinnen danken es mit Fleiß und Eifer. Fotos: R. Busch
Von Rüdiger Busch
Hardheim. "Ich möchte Krankenschwester werden", sagt die junge Frau aus Afghanistan. Dann ist ihre Sitznachbarin dran. Ihr fällt es noch schwer, ihren Berufswunsch auf Deutsch auszudrücken. Friseurin ist aber auch ein schwieriges Wort - zumindest, wenn man die Sprache erst seit vier Wochen lernt. In der Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Carl-Schurz-Kaserne leisten Ehrenamtliche Tag für Tag wertvolle Arbeit, indem sie Sprachunterricht erteilen. Initiatorin und treibende Kraft ist Inge Marie Bonin aus Seckach. Ihr zur Seite steht ein zwölfköpfiges Helferteam.
"Guten Morgen, wie geht es Ihnen?", fragt Inge Marie Bonin ihre 18 Schülerinnen. Und die antworten in erstaunlich gutem Deutsch: "Danke, gut. Und Ihnen?" Die Begrüßungsfloskeln haben die Frauen - alle zwischen Anfang 20 und Mitte 40 - schon gut drauf. Die Unterschiede im Leistungsniveau sind aber riesig. Während die 20-jährige Syrerin Marah Abo Alzahab darauf hofft, im Eiltempo die deutsche Sprache zu erlernen, um ihr in Damaskus begonnenes Ingenieursstudium möglichst schnell in Deutschland fortsetzen zu können, sitzen am Nebentisch zwei Frauen aus Afghanistan, die gerade erst lesen und schreiben lernen.
Egal ob Analphabetin oder Studentin: "Sie wollen lernen, sie sind wahnsinnig wissbegierig, und sie saugen die deutschen Begriffe förmlich auf", bestätigt Rita Schüle. Gemeinsam mit Marianne Ballarin und Birgit Bechtold unterstützt die Buchenerin die Kursleiterin. Schritt für Schritt bringen sie den Asylbewerberinnen Grundkenntnisse der deutschen Sprache bei. Mit Feuereifer ordnen die aus Afghanistan, Iran, Sri Lanka und Syrien stammenden Frauen Alltagsgegenständen wie Schere und Bleistift den korrekten deutschen Begriff zu. Wenn es hakt, hilft Englisch. Und wenn selbst dies nicht weiterführt, dann fungiert eine Schülerin kurzerhand als Dolmetscherin für ihre Nebensitzerin.
Wie ist die Sozialpädagogin und Lehrerin Inge Marie Bonin, die bis zu ihrer Pensionierung an der Fachschule für Sozialpädagogik in Buchen unterrichtete, zu diesem zeitaufwändigen Ehrenamt gekommen? Als die im Seckacher Arbeitskreis Asyl engagierte Bonin am Tag nach der Inbetriebnahme der BEA las, dass dringend Helfer gesucht würden, machte sie sich auf nach Hardheim. Da es für die vielen Kinder kaum Beschäftigungsmöglichkeiten gab, richtete sie mit einigen Mitstreiterinnen einen Raum als Kindergarten ein. Die Helferinnen besorgten Möbel, Spielsachen und Malutensilien, und schon ging es los.
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Waren es anfangs acht Interessierte, so freuen sich inzwischen täglich mehr als 40 Kinder auf die zwei Stunden Kindergarten am Vormittag - eine willkommene Abwechslung in ihrem eher tristen Alltag. Ein Pool an ehrenamtlichen Helfern für die Betreuung des Kindergartens wird gerade gebildet.
Parallel machte sich Inge Marie Bonin daran, einen Deutschkurs für Frauen ins Leben zu rufen. Aus diesem ersten Angebot sind inzwischen sieben Kurse mit insgesamt mehr als 100 Teilnehmern - Frauen, Männer und Kinder - geworden. Und die Nachfrage ist noch immer viel größer als die Möglichkeiten der ehrenamtlichen Sprachlehrer. Auch aus diesem Grund bilden die Sprachlehrer sogenannte Multiplikatoren aus - möglichst mehrsprachige Flüchtlinge, die ihre erlernten Deutschkenntnisse an andere Asylbewerber weitergeben.
Einer davon ist Ammar aus Syrien. Der 45-Jährige gelernte Labortechniker und fünf weitere Hilfslehrer unterstützen Uschi Butterweck. Die Hardheimer Gemeindereferentin bringt gerade etwa 40 Kindern und Jugendlichen die ersten deutschen Begriffe bei. Während sie an der Tafel unterrichtet, gehen die Hilfslehrer durch die Reihen und unterstützen dort, wo es nötig ist.
Dass allein das Vermitteln von Sprachkenntnissen aber nicht reicht, beweist eine Begebenheit am Rande des Unterrichtsbesuchs. Ein junger Mann, der einen von Inge Marie Bonins Kursen besucht, weigert sich, ihr zur Begrüßung die Hand zu reichen. Der Muslim gibt religiöse Gründe für sein in westlichen Augen verstörendes Verhalten an. "In der nächsten Unterrichtsstunde werde ich das Thema ansprechen", sagt die Lehrerin, "und deutlich machen, dass Mann und Frau bei uns gleichwertig sind."
Wer wirklich in Deutschland ankommen will, der darf einer Frau nicht den Handschlag verweigern. Doch zum Glück sind solche Erlebnisse die Ausnahme. "Die Menschen sind dankbar", unterstreicht Inge Marie Bonin, die sich selbst ein "Helfersyndrom" attestiert, "und sie sind mit großem Eifer dabei."
Wie wissbegierig die Teilnehmerinnen des Deutschkurses sind, lässt sich bei der zweiten Unterrichtseinheit miterleben. Jetzt geht es um die deutschen Begriffe für Bekleidung. Inge Marie Bonin zeigt auf das jeweilige Kleidungsstück und spricht das zugehörige Wort vor. Beim begriff "Hemd" muss schließlich auch der Berichterstatter herhalten - schließlich ist er der einzige anwesende Hemdträger. So kommt auch der Unterhaltungsfaktor nicht zu kurz. Der Deutschkurs erfüllt nämlich nicht nur den Zweck des Spracherwerbs: "Es gibt den Menschen auch das wichtige Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun", weiß Inge Marie Bonin, "sonst fällt ihnen irgendwann die Decke auf den Kopf."
Die Bewohner der Hardheimer BEA stehen noch ganz am Anfang ihres Asylverfahrens. Doch viele haben genaue Vorstellungen, was sie später einmal arbeiten möchten: Die Bandbreite reicht von Köchin bis Apothekerin, von Lehrerin bis Hebamme. Ob sich ihre Träume verwirklichen lassen, steht in den Sternen. Dank des ehrenamtlichen Engagements der Helfer und ihres eigenen Wissensdursts halten sie diesen ersten Schlüssel für eine erfolgreiche Integration aber zumindest schon in den Händen.
Info: Sowohl für den Kindergarten wie auch für den Deutschunterricht werden Helfer gesucht: Ansprechpartnerin ist Claudia Beger von "Hardheim hilft", Tel. 0176/45711715, E-Mail: c.beger@se-madonnenland.de.



