Rhein-Neckar

Wie Lithium aus Erdwärme entsteht

Vulcan-Energie-Chef Horst Kreuter über seine Pläne im Oberrheingraben.

16.05.2022 UPDATE: 17.05.2022 06:00 Uhr 4 Minuten
Vulcan Energie betreibt seit Jahresanfang das Geothermie-Werk in Insheim und plant viele weitere Anlagen. Foto: Klaus Venus

Von Alexander Albrecht

Rhein-Neckar. Die Karlsruher Firma Vulcan Energie will bis 2025 fünf bis sechs Geothermie-Anlagen im Oberrheingraben bauen – mindestens eine davon in der Region – und dabei neben Wärme auch Lithium für die Automobilwirtschaft gewinnen. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Hat sich die Vulcan Energie schon an die Arbeit gemacht? Ja. Laut Geschäftsführer Horst Kreuter hat sich das Unternehmen von den Behörden für insgesamt mehr als 1200 Quadratkilometer Fläche von Hessen über Baden-Württemberg bis nach Rheinland-Pfalz sogenannte Bergrechte gesichert. Das heißt: Vulcan Energie darf diesen Raum für die Gewinnung von Erdwärme und Lithium erkunden. "Wir haben im Falle von Hessen schon eine 3D-Seismik, also eine Art Ultraschallunterschung, zur Analyse des Untergrunds gekauft, werten die Daten aus und schauen dann, wo ein Kraftwerk entstehen kann", erklärt Kreuter. Er geht davon aus, "dass wir auf der gesamten Fläche sicher über 30 Anlagen bauen könnten". Wo genau, könne er "in diesem Stadium" noch nicht sagen. Man wisse aber von den beiden ersten Untersuchungen, dass sich Insheim bei Landau eigne. Vulcan Energie hat das dortige Geothermie-Kraftwerk von den Pfalzwerken übernommen.

Horst Kreuter. Foto: zg

Eine Anlage soll zwischen Lampertheim, Mannheim und Schriesheim/Hirschberg entstehen. Wie weit sind die Planungen? "Wir wollen im Sommer, voraussichtlich im August, mit der 3D-Seismik den Untergrund untersuchen", kündigt Kreuter an. Dafür benötige man etwa 10.000 Boxen in der Größe einer Butterbrotdose, die im Untersuchungsgebiet verteilt würden. Spezielle Lastwagen sendeten ein Signal in den Boden. "Die Reflexionen aus dem Untergrund werden von diesen Geophonen aufgenommen", erklärt Kreuter. Vier bis sechs Monate brauche die Firma für die Auswertung. "Wir machen dann einen Kreis von etwa 1,5 Kilometern um das Zielgebiet herum und bemühen uns in dieser Fläche um ein Grundstück", so der Geschäftsführer. Geeignet seien Standorte, in denen im Reservoir viel Thermalwasser fließt. Vieles spreche dafür, dass es nicht nur bei einem Projekt bleibe.

Wie hoch sind die Investitionen? Für die ersten fünf Projekte – dazu gehört die Geothermie- und die Lithiumextraktionsanlage direkt vor Ort sowie eine Raffinerie in Frankfurt-Höchst, wo sich Vulcan gerade ein Grundstück gesichert hat – plant das von Kreuter und einem Australier gegründete Start-up mit einer Summe von etwa 1,7 Milliarden Euro. Das Unternehmen will eigenen Angaben zufolge Ende 2024 mit der Produktion beginnen und hat seine Lithium-Chargen für den Zeitraum 2025 bis 2030 bereits an VW, Stellantis (früher Fiat Chrysler), Renault, LG Energy Solution – zweitgrößter Batterieproduzent der Welt – an Umicore, ein Unternehmen, das Kathoden herstellt, verkauft.

Auch interessant
Horst Kreuter im Interview: Wie Lithium aus Erdwärme entsteht
Heidelberg: Wenn die Wärme aus der Luft kommt
Schefflenz: Klimaschutz "im großen Stil denken"
Waghäusel: Induzierte Erdbeben sind "kein Thema"

Vulcan Energie will Lithium gewinnen und gleichzeitig Wärme an die Mannheimer MVV verkaufen, die diese ins Fernwärmenetz einspeisen möchte. Wie geht das? "Wir suchen den Untergrund auf und stellen eine Produktionsbohrung mit zwei bis drei Ästen her", sagt Kreuter. Der Oberrheingraben sei wie ein Puzzle in Blöcke zerbrochen, mal liege das Reservoir in 2500 Metern Tiefe, mal in 4000. Das Thermalwasser wird mit etwa 100 Litern pro Sekunde an die Oberfläche gebracht. "Das hat dann eine Temperatur von 150 bis 180 Grad", weiß Kreuter. Für die Lithiumgewinnung muss das Wasser auf 60 bis 70 Grad abgekühlt werden. "Das machen wir mit Energiegewinnung, Wärme, Kälte oder Strom", so Kreuter. Insgesamt brauche Vulcan etwa die Hälfte der Wärmeenergie aus den Bohrungen für die Lithiumherstellung. "Die ist dann CO₂-frei, weil wir ja die Geothermie nutzen", betont der Firmenchef.

Wie entsteht dann das Lithium? Das abgekühlte Thermalwasser wird durch große Zylinder geleitet. Darin befindet sich ein sogenannter Sorbent, in dessen Lücken nur die Lithiumionen passen. "Alle anderen Inhaltsstoffe des Thermalwassers fließen durch", sagt Kreuter. Das Wasser an sich gelangt durch eine zweite Bohrung zurück in den Untergrund, wodurch an der Oberfläche ein geschlossenener Kreislauf entsteht. "Die Zylinder mit dem Sorbent spülen wir mit klarem Wasser, dabei entsteht Lithiumchlorid", erklärt Kreuter. Übrig blieben relativ wenig Lithiumchlorid und viel Wasser. "Mit der Energie aus der Geothermieanlage erreichen wir in einem geschlossenen Kreislauf eine Verdampfung, der Lithiumchlorid-Anteil steigt auf 40 Prozent." Anschließend werde das Lithiumchlorid-Wassergemisch nach Frankfurt-Höchst gebracht.

Was passiert dort? Das Gemisch wird in einer Elektrolyseanlage zu Lithiumhydroxid verarbeitet, wobei Vulcan Energie mit einer Spezialfirma zusammenarbeitet. Das Hydroxid, ein weißes Pulver, kommt dann in die Autobatterie. "Das restliche Wasser fahren wir in unsere Anlage zurück, wo das Wasser wieder verwendet wird", sagt Kreuter. Da man sehr viel Wärme übrig habe, könne man regionale Netze wie das der MVV mit CO₂-freier Energie versorgen. "Und letztlich können wir dadurch auch die Abhängigkeit von Russland reduzieren". Geothermie verfüge in Deutschland über ein Potenzial, das etwa 40 Prozent des russischen Erdgases ersetzen könne, das hierzulande zum Heizen verwendet werde.

Welche praktischen Erfahrungen hat Vulcan Energie schon gesammelt? Laut Kreuter hat das Unternehmen in seiner Pilotanlage in Insheim schon kiloweise Lithiumhydroxid produziert und es in die Labore transportiert. Es erfülle alle Qualitätsanforderungen der Batteriehersteller. In einem weiteren Schritt soll in Insheim eine Demonstrationsanlage gebaut werden, die pro Monat mehrere Tonnen herstellen kann. "Dabei passen wir eine seit 20 Jahren etablierte Technologie an die chemische Zusammensetzung unseres Thermalwassers im Oberrheingraben an", erklärt Kreuter. "Nach unserer ersten Abschätzung sind wir uns sicher, dass wir 30 Jahre und länger Lithium fördern können, ohne dass die Menge abnimmt." Zu ähnlichen Ergebnissen kämen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Wie viele Autobatterien können mit dem Lithiumhydroxid versorgt werden? Kreuter gibt als Ziel vor, aus den ersten fünf bis sechs Anlagen 40.000 Tonnen des Feststoffs zu gewinnen. "Das reicht etwa für eine Million Autobatterien." Man gehe davon aus, einmal den Bedarf der Batterieherstellung in Deutschland vollständig und in der EU zu etwa 25 Prozent abdecken zu können. "Allein in Europa werden etwa 50 Fabriken für Lithium-Ionen-Batterien geplant", so Kreuter.

Wo kommt das Lithium bislang her? "Aktuell sind wir in Deutschland fast zu 100 Prozent vom Import abhängig", sagt Kreuter. 60 Prozent des Lithiums weltweit stamme aus dem Tagebau, überwiegend aus Australien. Dort gebe es Gesteinsschichten, die etwa ein Prozent Lithium enthielten. "Dieses Gestein wird gebrochen, gemahlen und anschließend nach China gebracht, wo das Lithium durch den Einsatz von Kohleenergie aus dem Stein herausgebrannt wird", erklärt Kreuter. Dabei entstehe jedoch sehr viel klimaschädliches CO₂ – pro Tonne Lithiumhydroxid rund 15 Tonnen. Etwa 40 Prozent stammten aus Südamerika, vornehmlich aus den Anden, wo es in Salzseen und aus Grundwasser gewonnen werde. Dabei entstehe zwar weniger Kohlenstoffdioxid, allerdings brauche man mehr Chemie und Wasser, das in diesen Gegenden ohnehin recht knapp sei.

Info: Das ausführliche Interview mit Horst Kreuter lesen Sie hier.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.