Das sagt der BUND-Vorsitzende zum Artenschutz-Volksbegehren
"Wir brauchen die Landwirte" - Er möchte Bauern und Verbraucher aber mitnehmen

Die Feldlerche nennt Siegfried Demuth als Beispiel für Arten, die unter intensiver Landwirtschaft leiden. Foto: dpa
Von Philipp Weber
Weinheim. Seit 35 Jahren engagiert sich Siegfried Demuth für den Naturschutz. "Hauptziel dieser Arbeit ist, den Artenschwund zu stoppen", erklärt der 52-jährige Diplom-Biologe und Vorsitzender der BUND-Ortsgruppe Weinheim.
Er hofft daher auf viele Unterschriften für das Volksbegehren "Rettet die Bienen". Im RNZ-Interview erklärt er, warum er sich trotzdem eine Alternative zum geforderten Gesetzentwurf wünscht.
Herr Demuth, Sie setzen sich für Artenschutz ein und wollen die ursprüngliche Bergstraßenlandschaft mit ihrem Obst- und Weinbau erhalten. Nach den Protesten der Landwirte klingt das widersprüchlich.
Diese beiden Anliegen muss man nicht trennen, sie sind gar nicht zu trennen. Das zeigt der Blick in die Geschichte. Wir leben in einer uralten Kulturlandschaft, die es schon zu Zeiten der Römer gab. Die Landwirtschaft nach "Guter fachlicher Praxis" - so der Rechtsbegriff für den konventionellen Anbau - haben wir in dieser Form seit den 1950er- und 60er-Jahren. Damit verbunden sind eine Intensivierung der Landwirtschaft und ein starker Rückgang der Artenvielfalt. Prominente Beispiele sind die Feldlerche oder das Rebhuhn. Erstere hat es schwer, letzteres ist de facto aus Baden verschwunden. Der geforderte Ausbau der extensiven Biolandwirtschaft würde dem ein Stück weit entgegenwirken, doch der eigentliche Knackpunkt ist der Pestizideinsatz, der bis 2025 um 50 Prozent verringert und in Schutzgebieten verboten werden soll.
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Unter anderem dagegen protestieren die Bauern mit wirkungsvoller Symbolik. Können Sie die Sorgen verstehen?
Dazu muss man wissen, dass die Landwirtschaft in Baden-Württemberg kleinteilig strukturiert ist. Familienbetriebe mit zum Teil nur 100 Hektar Land würde man in Norddeutschland belächeln. Dass die Bauern Existenzängste haben, nehme ich ihnen ab. Auch wenn ich die grünen Holzkreuze etwas übertrieben finde. Ganz nüchtern betrachtet, ist es aber tatsächlich ein Problem dieses Volksbegehrens, dass es die Bauern gegen uns aufbringt. Wir brauchen die Landwirte, weil sie die größten Flächen haben. Ich würde mir wünschen, dass das Land einen Alternativentwurf ausarbeitet, der die Bedenken von Landwirten, Obst- und Weinproduzenten und Landschaftsschützern aufgreift.

Siegfried Demuth. Foto: zg
Ist das Volksbegehren also allenfalls gut gemeint, aber so nicht umzusetzen?
Das Problem liegt nicht bei den Initiatoren, die den Artenschutz endlich ins Zentrum der Debatte gerückt haben und denen ich 770.000 Unterschriften wünsche. Schon allein, damit das Thema weiterverfolgt wird. Die Schwierigkeit besteht in der Natur des Volksbegehrens. Es bildet die vielen, zum Teil ressortübergreifenden Aspekte des Themas nicht ab. Sonst wäre es ungültig. Meine Skepsis rührt auch daher, dass die Zeiträume bis zur Umsetzung kurz sind. Der Weg hin zu mehr Artenschutz ist sehr lang, die Landwirtschaft wird ohnehin in großen Teilen von EU und Bund geregelt. Wir sollten jetzt möglichst viele mitnehmen, gerade auch die Verbraucher.
Sind die nicht das Problem? Selbst Interessierte staunen, wie "hässlich" Früchte aus biologischem Anbau seien.
Das ist ein wichtiger, aber schwieriger Aspekt. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann man niemanden zwingen, bestimmte Produkte zu kaufen. Mehr Infos für Verbraucher und entsprechende Projekte in Schulen sind gute Ansätze. Damit lässt sich aber nicht die Tatsache aus der Welt schaffen, dass manche Bevölkerungsschichten keine streng biologischen Produkte zahlen können. Gemüse aus Bio-Anbau ist vergleichsweise günstig, aber bei Fleisch oder Saft sind die Unterschiede zum Discounter groß. Ein Ansatz wäre der Bio-Pfennig, der die Verbraucher - analog zum Wasserpfennig - ins Boot holt.
Landwirte aus der Region monieren, dass das Volksbegehren auf sie abziele und Themen wie Lichtverschmutzung oder Flächenversiegelung außen vor blieben. Außerdem sorge man mit grünen Zwischensaaten nach der Haupternte für die naturnahe Bewirtschaftung der Felder.
Die Zwischenfrucht ist Teil der "Guten fachlichen Praxis". Sie verhindert, dass der Boden offenliegt und weggeschwemmt wird, gerade in unebenen Gebieten wie dem Kraichgau. Außerdem saugen die Pflanzen Nitratreste auf, die vom Dung der Hauptfrucht übrig sind. Das schützt das Grundwasser. Um aber noch mal auf das Beispiel mit den Rebhühnern zurückzukommen: Diese profitierten früher von den Resten der Ernte auf Stoppelfeldern, andere Vogelarten auch. Ich habe das bei Landwirten angeregt. Die befürchten indes, dass die Böden im Herbst verhärten und aufwendig umgepflügt werden müssen. Die anderen Einwände sind nicht falsch: Wenn eine Streuobstwiese in eine Fabrikhalle umgewandelt wird, ist dieser Lebensraum nun mal verloren.
Wenn alles so kompliziert ist: Lässt sich in absehbarer Zeit irgendetwas ändern?
Auf jeden Fall. Die Stadt Weinheim zum Beispiel ist eine "Pestizidfreie Kommune". Das heißt, sie setzt auf ihren eigenen Flächen keine Pestizide ein. Außerdem gab es bis 2005 ein Landesgesetz, das Pestizide in Naturschutzgebieten und Privatgärten verboten hat. Dort stehen keine Existenzen auf dem Spiel. Dieses Gesetz wurde durch weniger eindeutige Regelungen des Bundes ersetzt. Hier könnte man ganz schnell etwas ändern.



