Region Wiesloch-Walldorf

Das fürchten Winzer und Bauern beim Volksbegehren Artenschutz

Dramatische Auswirkungen - "Ganz ohne Pflanzenschutz geht es nicht"

09.10.2019 UPDATE: 10.10.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 32 Sekunden

Zeigen mit dem "grünen Kreuz" ihren Protest gegen die aktuelle Agrar- und Umweltpolitik: Obstbaumeister Manfred Epp, die Landwirte Andreas und Manfred Sommer sowie ihr Lehrling Jan Holder. Foto: Pfeifer

Rund um Wiesloch-Walldorf. (rö) Artenschutz findet Klaus Müller gut und auch das Ziel "Rettet die Bienen" kann er unterschreiben. Schaut sich der Malscher Winzer aber den Gesetzesentwurf zum Volksbegehren an, sagt er klipp und klar: "Das ist zu radikal, das geht für uns definitiv zu weit."

Landwirt Manfred Sommer (Unterhof) nennt die Forderungen "extrem" und "absurd". Obstbaumeister Manfred Epp aus Horrenberg findet das Volksbegehren vor allem "populistisch aufgemacht". Und Andreas Sommer, der mit seinem Vater den Sommerhof führt, kritisiert, "dass alles an uns Landwirten hängen bleibt". Dabei sei Arten- und Umweltschutz doch "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe".

Deshalb haben die Sommers auf einem Feld am Ortseingang von Unterhof eines der grünen Kreuze aufgestellt, mit denen die Landwirtschaft ihren stillen Protest gegen eine Agrar- und Umweltpolitik kundtut, die für sie unerträglich geworden ist. "Das ist überhastet und schießt übers Ziel hinaus", sagt Andreas Sommers Frau Melissa Pflüger-Sommer. "Niemand denkt an die Konsequenzen für Landwirtschaft und Verbraucher."

Klaus Müller. Foto: Pfeifer)

Klaus Müller, Vorsitzender der Winzergenossenschaft Kraichgau, bewirtschaftet 17 Hektar Rebfläche und zweieinhalb Hektar Streuobstwiesen. Seine Trauben gibt er bei der Genossenschaft ab, das Obst landet in der heimischen Brennerei. Da er sein Obst nicht "makellos an den Mann bringen" muss, wie heutzutage vom Verbraucher gefordert, kann er hier guten Gewissens auf Pflanzenschutz verzichten. Beim Wein ist das nicht möglich: "Wir brauchen gesundes Lesegut."

Denn die vom Markt diktierte Vorgabe der Winzer von Baden lautet: "Mit fünf Prozent Oidium behaftete Trauben werden nicht angenommen", sonst schleichen sich Fehltöne in den Wein. Gegen den Pilzbefall - neben Oidium auch Peronospora und Botrytis - "müssen wir aktiv etwas machen", aber immer nach dem Grundsatz "so wenig wie möglich". Mit pilzresistenten Sorten haben die Winzer keine guten Erfahrungen gemacht. Der in den 90er Jahren angepflanzte Regent wird inzwischen "schon wieder gerodet", weil ihn der Verbraucher nicht angenommen hat.

Auch interessant
"Rettet die Bienen": So positioniert sich Kretschmann gegen das Bienen-Volksbegehren
Neckar-Odenwald-Kreis: Mit grünen Kreuzen gegen das neue Agrarpaket
Volksbegehren "Rettet die Bienen": Zwischen Artenschutz und Existenzsorgen
Hirschberg: "Ja zur Biene - Nein zum Volksbegehren"
Bienen-Volksbegehren: Der Bienenflüsterer von Baden-Württemberg
Baden-Württemberg: Volksbegehren Artenschutz angelaufen (Update)

Der Johanniter ist "ein Nischenprodukt, kein großer Schlager". Tierische Schädlinge wie der Traubenwickler werden in den Weinbergen rund um den Letzenberg dagegen schon seit fast zehn Jahren mit der sogenannten "Pheromonverwirrung" bekämpft. "Da kommen wir ohne Insektizide aus, das haben wir im Griff."

Ohne Pflanzenschutzmittel, so sagt es Manfred Epp aus Obstbauernsicht, "wären alle Kulturen außer Äpfeln Hobby". Er meint: "Wir hätten dann keine heimischen Erdbeeren oder Kirschen mehr." Und: "Alles, was an Regionalität aufgebaut wurde, wäre weg." Unter den sieben verschiedenen Kulturen, die der Sommerhof anbaut, würden laut Manfred Sommer der Raps und die Zuckerrüben "als Erste verschwinden", der noch am ehesten pflegeleichte Mais "würde gewinnen".

Probleme haben die Landwirte damit, dass sie laut dem Volksbegehren künftig auf 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel verzichten sollen. Man betreibe schon jetzt integrierten Pflanzenschutz, "da weiß ich nicht, wo ich einsparen soll", so Manfred Sommer. "Machen wir das beim Unkraut? Bei den Schädlingen? Dann kann ich einen Totalausfall haben."

Ein Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzflächen und eine Ausweitung des Ökoweinbaus auf 50 Prozent, wie im Gesetzesentwurf gefordert, hätten für die Winzer in der Region gravierende Auswirkungen, befürchtet Klaus Müller: "Da entstehen Existenzängste." Gerade kleinere Betriebe, die schon jetzt zu kämpfen hätten, "werden noch schneller aufgeben". Davon wäre dann auch die hiesige Kulturlandschaft betroffen: "Die würde sich radikal verändern", prophezeit Müller.

"Ob Verbuschung und Wildgehölz besser für den Naturschutz sind?" Das gilt auch für andere Regionen: "Am Kaiserstuhl könnten 50 Prozent der Flächen nicht mehr bewirtschaftet werden." Manfred Sommer weist darauf hin, dass man durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auch "aktiven Erosionsschutz" betreibe. "Sonst müssten wir den Boden stärker bearbeiten." Der speichert dann weniger Wasser, die Humusschicht baut sich ab, die Erosionsgefahr steigt.

Neben der reinen Existenz geht’s auch um den Ruf: "Wir wollen nicht die Buhmänner sein", sagt Klaus Müller. "Die Stimmung ist schlechter als die wirtschaftliche Lage", sind laut Manfred Sommer viele Landwirte frustriert. "Keiner hat mehr Lust, diesen Beruf zu lernen", weiß sein Lehrling Jan Holder.

"Auch der Biowinzer kann nicht nur mit Backpulver und Kalkmischungen arbeiten", sagt Klaus Müller. Kupfer und Schwefel, die im ökologischen Weinbau gespritzt werden, dürften aber nach dem Volksbegehren künftig auch nicht mehr angewendet werden. Ohnehin seien auch die Ökobetriebe nicht glücklich mit der geforderten Ausweitung auf 50 Prozent: "Dann ist die Nische nicht mehr da, das Alleinstellungsmerkmal geht verloren", so Müller. "Der Markt ist gar nicht da", glaubt Andreas Sommer, "das wird sich kein Verbraucher vorschreiben lassen".

Klaus Müller sieht den Weinbau auch ohne Volksbegehren auf einem guten Weg: Das gilt für die gute fachliche Ausbildung der Winzer, für die Standards des umweltschonenden Weinbaus, aber auch fürs Pflanzen von Blühstreifen. Viele Blühflächen hat auch der Ortsbauernverband in Dielheim geschaffen, daneben aber auch versucht, die Bevölkerung zu sensibilisieren: mit Infotagen und über 1000 verteilten Päckchen mit Blühmischungen, die jeder zuhause einpflanzen kann.

Die Produktionsbedingungen seien heute schon "vorbildlich, wir haben die strengsten Gesetze, die sichersten Lebensmittel". Die Landwirtschaft sei zu vielem bereit: "Es sperrt sich niemand, wenn das im Einvernehmen geschieht", sagt Manfred Sommer. Er sehe für die Zukunft eine Mischung, die die guten Komponenten aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft vereint. Man müsse einen Kompromiss finden, findet Andreas Sommer, sagt aber auch: "Ganz ohne Pflanzenschutz geht es nicht."

Ort des Geschehens

Vom Konsumenten wünscht sich Klaus Müller mehr Wertschätzung: "Für einen guten Wein muss man auch Geld hinlegen", es könne nicht immer alles nur "billig, billig, billig" sein. "Geiz ist geil", moniert auch Melissa Pflüger-Sommer, dass "jeder gute Lebensmittel" haben, aber nichts dafür ausgeben wolle. Und apropos Bienen: "Inzwischen sagen auch die Imker: Lasst unsere Bauern in Ruhe", so Melissa Pflüger-Sommer. Manfred Sommer bestätigt das: "Wir kommen gut mit den Imkern aus."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.