Der Bienenflüsterer von Baden-Württemberg
Tobias Miltenberger lebt für die Bienen - Deshalb initiierte er das Volksbegehren mit

"Sie liegen auch sonst auf der Intensivstation", sagt Miltenberger über seine Insekten, denen die Nahrung fehlt. Foto: S. Gollnow
Von Nico Pointner
Stuttgart. Tobias Miltenberger wurde schon so oft gestochen, dass er aufgehört hat zu zählen. Aber er spüre die Stiche auch kaum noch, weder Schmerz noch Schwellung, sagt er. "Bei mir passiert da nicht mehr viel." Er nehme es den kleinen Tierchen auf keinen Fall krumm. Und erzählt gleich darauf, dass Bienengift im asiatischen Raum ja als heilsam gelte. Einmal habe er sich gar bewusst von zwei Bienen in den Nacken stechen lassen, um seine Muskulatur zu entspannen. "Bienengift ist ein wertvolles Mittel."
Tobias Miltenberger liebt Bienen. Er ist Berufsimker. Im Sommer ist er fast täglich bei den Tieren. "Ich lebe von und mit den Bienen", sagt er. Er betreibt mit seinem Kompagnon David Gerstmeier eine eigene Imkerei, Summtgart heißt die. Dabei gehe es nicht darum, möglichst viel Honig zu produzieren, sondern auf die Bedürfnisse der Bienen zu achten. Mit Gerstmeier gründete er außerdem das Institut proBiene, betreibt Bildungsarbeit, ist sozusagen Lobbyist für die summenden Insekten. Und im Frühjahr haben die beiden das Volksbegehren für mehr Artenschutz gestartet.

"Damit die Bienen bleiben, unterschreiben!": Artenschützer in Stuttgart. Foto: M. Murat
Die Faszination für die Biene packte Tobias Miltenberger in den 90er Jahren auf Reisen in Südamerika. Seitdem lässt sie ihn nicht mehr los. Meist sind die Tierchen ganz entspannt, wenn er sich nähert. Er steht auf einer Obstwiese zwischen Zwetschgen- und Apfelbäumen im Stuttgarter Stadtteil Sonnenberg zwischen zwanzig kleinen Holzkisten am Boden. In jedem Kasten lebt ein Volk - rund 40.000 Bienen gehen darin emsig ihrer Arbeit nach. Zu hören sind sie kaum. Miltenberger nimmt ein Rähmchen aus einem Kasten, etwa 1000 Bienen krabbeln daran friedlich über die Waben. Er hält sich die Waben wenige Zentimeter vor die Nase. "Sie sehen ja, wie ruhig die sind."
Wenn Miltenberger die Bienen beobachtet, gerät er ins Schwärmen wie ein kleiner Junge. "Hier schlüpft gerade eine!", ruft er dann etwa. Oder: "Die Farben sind der Wahnsinn!" Man könne die Biene mit allen Sinnen erleben, sagt er und strahlt. Dann erzählt er, dass die Bienen-Königin eigentlich mehr Mutter ist als Monarchin. Oder dass kein anderes Tier die ökologischen Zusammenhänge so gut aufzeige wie die Biene.
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Hintergrund
Erster Tag des Volksbegehrens
Unter dem Motto "Rettet die Bienen" ist das Volksbegehren für mehr Artenschutz am Dienstag in Baden-Württemberg angelaufen. In rund 15 Städten in Baden-Württemberg sammelten die Naturschützer und Bienenfreunde nach
Erster Tag des Volksbegehrens
Unter dem Motto "Rettet die Bienen" ist das Volksbegehren für mehr Artenschutz am Dienstag in Baden-Württemberg angelaufen. In rund 15 Städten in Baden-Württemberg sammelten die Naturschützer und Bienenfreunde nach eigenen Angaben Unterschriften. Am Stuttgarter Schlossplatz warben zeitweise rund 20 Naturschützer für das Volksbegehren, sie waren teils in Bienenkostümen verkleidet und riefen "Damit die Bienen bleiben, unterschreiben!".
Doch auch die Kritiker meldeten sich am Dienstag zu Wort. "Das Volksbegehren blendet manche negativen Folgen aus, etwa für den Wein- und Obstbau in Schutzgebieten", teilte Fraktionschef Wolfgang Reinhart am Dienstag mit. "Die CDU-Fraktion kann daher nicht empfehlen, das Volksbegehren in dieser Form zu unterstützen."
Kurz zuvor hatten sich schon fünf oberschwäbische Abgeordnete, darunter CDU-Generalsekretär Manuel Hagel, von dem Volksbegehren distanziert. Das Problem liege nicht in dessen Ziel, so die Abgeordneten, sondern an dem, was ganz nebenbei alles an wichtigen Strukturen zerschlagen werde. Unter anderem fürchten sie "verheerende Folgen für die Vermarktungschancen baden-württembergischer Biobauern".
Für den Landesbauernverband warnte dessen Vorsitzender Joachim Rukwied, das Volksbegehren "gefährdet die Existenz vieler Familienbetriebe". "Was wir brauchen, sind vernünftige, umsetzbare Lösungen", so Rukwied, die auch der Landwirtschaft Entwicklungsperspektiven bieten. "Die radikalen Vorschläge des Volksbegehrens werden diesem Anspruch in keiner Weise gerecht." (sös/lsw)
Mit einem Blick weiß er, wie es seinen gelb-schwarzen Tierchen geht - gerade alles andere als gut. Den Völkern in Sonnenberg macht eine Milbe zu schaffen. Aber der Parasitenbefall sei nur ein Symptom. "Sie liegen auch sonst auf der Intensivstation." Weil es immer weniger Blumenwiesen gebe, werde es immer schwieriger für die Tiere, Nahrung zu finden. Dabei brauchen sie Futter für den Winter. Miltenberg hält die Waben gegen das Licht. "Da müsste eigentlich ein fetter Honigkranz sein. Aber da ist nichts", sagt er. Er muss notfüttern.
Miltenberger spricht von einer Bienenkrise. Von den rund 400 Arten der Wildbiene im Südwesten stünde ein Großteil auf der Roten Liste. Mit einem Volksbegehren will er die Bienen im Südwesten retten. Zum ersten Mal dürfen die Bürger im Land damit über einen Gesetzentwurf entscheiden. Unter dem Motto "Rettet die Bienen" ging die Unterschriftensammlung am Dienstag los. Innerhalb der nächsten Monate muss jeder zehnte Wahlberechtigte in Baden-Württemberg unterschreiben. 770.000 Menschen. Dann ist der Landtag am Zug. Wenn die Abgeordneten dem Entwurf nicht unverändert zustimmen, gibt es eine Volksabstimmung.
In Bayern stimmten bereits 18,4 Prozent der Wahlberechtigten für ein ähnliches Volksbegehren. Aber die Forderungen von Miltenberger und Gerstmeier gehen deutlich weiter. Der Anteil der Flächen, auf denen Pestizide genutzt werden, soll bis 2025 halbiert werden. In Naturschutzgebieten sollen sie verboten werden. Die ökologische Landwirtschaft soll zudem bis 2035 auf 50 Prozent ausgebaut werden.
Unterstützt wird das Begehren unter anderem von Naturschutzverbänden wie dem Nabu, von Anbauverbänden wie Demeter, von den Aktivisten von Fridays for Future. Außerdem steht der Klimaschutz unter den politischen Themen hoch im Kurs. "Wir haben schon damit gerechnet, dass das richtig Schwung aufnimmt", sagt er.
Aber es gibt auch Kritik. Die Regierungsparteien Grüne und CDU betrachten das Volksbegehren teils mit Skepsis. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte sich bislang eher zurückhaltend. Mal abgesehen vom offenen Widerstand von Landwirten, Weinbauern, selbst von Imkern und aus der Biobauern-Szene. "Von einer Ökobewegung wie Bioland bin ich enttäuscht", sagt Miltenberger. Auch von seiner eigenen Partei, den Grünen, wünscht er sich mehr Mut.
Miltenberger sagt, dass es nicht einfach wird, den Gesetzesentwurf durchzubringen. Er sieht sich selbst nicht als Radikalen, sondern als Idealist - und hat wenig Lust auf Kompromisse. "Die Maßnahmen sind notwendig", sagt er zu den eigenen Forderungen. "Ich habe noch keinen besseren Vorschlag gehört."



