Baden-Württemberg

Volksbegehren Artenschutz angelaufen (Update)

770.000 Unterschriften nötig - Initiatoren: "Kein Selbstläufer"

23.09.2019 UPDATE: 24.09.2019 11:49 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Stuttgart. (dpa-lsw) Unter dem Motto "Rettet die Bienen" ist das Volksbegehren für mehr Artenschutz am Dienstag in Baden-Württemberg angelaufen. In rund 15 Städten in Baden-Württemberg sammelten die Naturschützer und Bienenfreunde nach eigenen Angaben Unterschriften.

Am Stuttgarter Schlossplatz warben zeitweise rund 20 Naturschützer für das Volksbegehren, sie waren teils in Bienenkostümen verkleidet und riefen "Damit die Bienen bleiben, unterschreiben!". Berufsimker David Gerstmeier berichtete von guter Resonanz. "Die Menschen wissen, dass es den Bienen nicht mehr gut geht." Die Stuttgarter Gruppe wurde nach etwa einer Stunde von der Polizei unterbrochen. Die Sammlung war nach Auskunft von BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch für einen anderen Ort in der Innenstadt angemeldet.

Zum ersten Mal dürfen die Bürger im Land damit über einen Gesetzentwurf entscheiden. Innerhalb der nächsten Monate muss jeder zehnte Wahlberechtigte in Baden-Württemberg unterschreiben - das sind etwa 770 000 Menschen. Dann ist der Landtag am Zug. Wenn die Abgeordneten dem Entwurf nicht unverändert zustimmen, gibt es eine Volksabstimmung.

Der Anteil der Flächen, auf denen Pestizide genutzt werden, soll nach dem Volksbegehren bis 2025 halbiert werden. In Naturschutzgebieten sollen sie verboten werden. Die ökologische Landwirtschaft soll zudem bis 2035 auf 50 Prozent ausgebaut werden.

Update: Dienstag, 24. September 2019, 13.33 Uhr

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Hier alles auf einen Blick, was Sie zum Volksbegehren wissen müssen:

> Forderungen: Der Gesetzesentwurf, den die Stuttgarter Berufsimker David Gerstmeier und Tobias Miltenberger angestoßen haben, stellt weitreichende Forderungen. Allgemein geht es um einen stärkeren Schutz der Artenvielfalt aller Tiere und Pflanzen. Der Anteil der Flächen, auf denen Pestizide genutzt werden, soll deshalb bis 2025 halbiert werden. In Naturschutzgebieten sollen sie verboten werden. Die ökologische Landwirtschaft soll zudem bis 2035 auf 50 Prozent ausgebaut werden. Streuobstflächen sollen besser geschützt werden.

> Ablauf: Von Dienstag an dürfen dafür Unterschriften gesammelt werden. Die Initiatoren kündigten gleich zu Beginn organisierte Aktionen in rund 15 Städten an. Wahlberechtigt sind deutsche Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten in einer baden-württembergischen Kommune mit Erstwohnsitz gemeldet sind. Wahlberechtigte können die Formblätter auch im Internet herunterladen und an das Wahlamt ihrer Gemeinde schicken. Vom 18. Oktober bis 17. Januar können sich Bürger auch in den Rathäusern in Listen eintragen.

Jeder zehnte Wahlberechtigte in Baden-Württemberg - etwa 770 000 Menschen - muss unterschreiben, damit der Gesetzentwurf dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt wird.

> Volksabstimmung: Wenn die Abgeordneten dem Entwurf nicht unverändert zustimmen, gibt es eine Volksabstimmung. Der Landtag könnte den Forderungen der Naturschützer dann auch einen eigenen Entwurf entgegenstellen. Bei der Volksabstimmung müssten mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen.

> Unterstützer: Mittlerweile hat sich ein Trägerkreis aus 13 Organisationen gebildet - dazu gehören der Naturschutzbund Nabu oder der Bio-Anbauverband Demeter. Mehr als 120 Organisationen unterstützen das Volksbegehren den Initiatoren zufolge. Die Träger des Volksbegehrens sind optimistisch, hoffen auf mehr als eine Million Unterschriften.

> Kritiker: Allerdings gibt es auch Kritik aus verschiedensten Ecken. Der Landesbauernverband kritisierte unter anderem die Forderungen nach mehr Ökolandbau, weil das den Markt zerstöre. Der Badische Weinbauverband warnte vor dem Niedergang des Weinbaus. Auch der Öko-Anbauverband Bioland lehnt das Begehren ab. Auch die Regierungsparteien Grüne und CDU betrachten es teils mit Skepsis.

> Streitpunkt Pestizide: Umstritten ist besonders die Neugestaltung des Paragrafs 34 des Naturschutzgesetzes. Weil Pflanzenschutzmittel auch in Schutzgebieten verboten werden sollen, fürchten Bauern um ihre Existenz. Die Grünen hatten sich erst am Wochenende auf ihrem Landesparteitag in Sindelfingen von dem geforderten Pestizid-Verbot distanziert. Man sehe "Probleme, Klärungs- und Handlungsbedarf", heißt es in einem Antrag des Landesvorstands.

"Ich bin enttäuscht", kommentierte Volksbegehrens-Initiator Miltenberger, selbst Grünen-Parteimitglied, den Beschluss. Nabu-Landeschef Johannes Enssle verwies am Montag auf mögliche Ausnahmeregelungen für Pflanzenschutzmittel, die die Artenvielfalt nicht gefährdeten.

> Kampagne: Die Sprecher des Volksbegehrens wehrten sich gegen die Kritik. "Die Gegner ökologischer Landwirtschaft haben es geschafft, Ängste zu schüren", kritisierte etwa Tanja Holzschuh von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Sie sprach von einer "Angstkampagne". "Wir dürfen nicht jedes Mal zurückschrecken, sobald einzelne Interessensgruppen ihre kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteile gegen die ökologischen Anforderungen unserer Zeit ausspielen wollen", teilte Bund-Landeschefin Brigitte Dahlbender mit. Sie forderte Standfestigkeit. "Die Natur macht nämlich keine Kompromisse - sie verschwindet einfach, wenn wir nichts unternehmen. Und den Preis dafür zahlen wir alle."

Update: Montag, 23. September 2019, 16.40 Uhr

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