Stadt hatte wohl keine andere Wahl als Abbruch
Kritik an Abbau der "Versuchsanordnung" für ruhigeren Verkehr ab 13. März. OB Kurz: Verlängerung rechtlich ausgeschlossen.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Ab dem kommenden Montag will die Stadt Schilder, Warnbaken, Markierungen und Autosperren für den Verkehrsversuch entfernen. Das dürfte nach Angaben des Baudezernats ein paar Wochen dauern, könnte aber zu Beginn der Bundesgartenschau am 14. April abgeschlossen sein. Was unter anderem die SPD- und die CDU-Fraktion begrüßen und Einzelhandelsverbände freut, stößt bei den Grünen, der Initiative "Quadradentscheid" und Anwohnern auf erhebliche Kritik.
> Den Bürgerverein Innenstadt West hat der nahende Abbau und die schrittweise Rückkehr zur alten Verkehrsführung "völlig unerwartet" getroffen. "Niemand von uns hat damit gerechnet, dass wir wieder tägliche Staus in Kunststraße und Fressgasse und eine völlig verstopfte Markstraße mit Hupkonzerten bis spät in die Nacht ertragen müssen", schreibt der dreiköpfige Vorstand auf RNZ-Anfrage.
In der Autoposer-Szene werde es sich in kürzester Zeit herumsprechen, dass die drei Straßen wieder für Korsos zur Verfügung stünden. Anwohnerinnen und Anwohner würden um den erholsamen Schlaf gebracht.
Schleierhaft ist dem Verein auch, warum die "Rolle rückwärts" ausgerechnet in die Zeit der Buga falle, die sich doch mit dem Label "nachhaltig" rühme. Autofahrer könnten unter den derzeitigen Bedingungen ohne größere Einschränkungen in die City kommen. Die aktiven Bürger schlagen vor, mit der Bundesgartenschau auch für die Parkhäuser zu werben oder Park-and-Ride-Plätze anzubieten.
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Unverständlich ist dem Verein, dass nun die Marktstraße – während des Versuchs teilweise als reine Fahrradstraße ausgewiesen – ähnlich hohen Belastungen ausgesetzt sein solle wie in den ersten Monaten des Verkehrsexperiments die Erbprinzenstraße, letzter Seitenarm für Pkw-Lenker in der Fressgasse, die vor der Sperrung abbiegen müssen.
"Für uns stehen der Wert unserer Immobilien und in erster Linie unsere Gesundheit auf dem Spiel", betont der Bürgerverein. Und verlangt, die Sperrungen für den Durchgangsverkehr in der Fressgasse und der Kunststraße wenigstens in den Nachstunden aufrechtzuerhalten. Das wäre eine deutliche Entlastung der Anwohner, ohne die Einzelhändler zu schwächen.
> Die Radfahrer-Initiative "Quadradentscheid" wirft etwas polemisch CDU und SPD vor, dass mit ihren Stimmen das "Autolager" Fakten geschaffen habe – ehe wie geplant über die wissenschaftliche Auswertung eines Fachbüros in der Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses Ende Mai diskutiert worden ist. Christdemokraten und Genossen wollen bei der Entscheidung über die "Verstetigung" der Verkehrsberuhigung in der Innenstadt Anwohner und Einzelhändler beteiligen.
Eine Rolle, den auf ein Jahr angelegten Versuch zum 13. März zu beenden, könnte auch ein Widerspruch von drei Geschäftsleuten gespielt haben. Das Trio ist der Meinung, der Test verstoße gegen die Straßenverkehrsordnung. Da der Widerspruch nicht veröffentlicht wurde und die Stadt wegen des laufenden Verfahrens keine Angaben dazu macht, blieben die Argumente der Händler im Dunkeln, wettert "Quadradentscheid".
> Die Grünen als größte Fraktion im Gemeinderat erklären, der "Abbruch" des Verkehrsversuchs entspreche nicht der ursprünglichen Vereinbarung und werde ohne Perspektive für eine dauerhafte Verkehrsberuhigung vollzogen. Damit stoße man betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern ebenso vor den Kopf wie all jenen Verkehrsteilnehmern, die sich ein sicheres Straßennetz wünschten. Abgesehen davon sei die Verkehrswende unabdingbar, um die Auswirkungen des Klimawandels in Grenzen zu halten und mehr Lebensqualität zu schaffen.
Deshalb stellten die Grünen in der Sitzung des Hauptausschusses am Dienstag auch einen Antrag, den Versuch fortzusetzen. Mittelfristig wünschen sie sich, die Fußgängerzonen auf einen Teil der Markt- und Kunststraße sowie der Fressgasse auszuweiten. Da der Antrag aber laut Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) nicht rechtzeitig eingegangen war, schaffte er es erst gar nicht auf die Tagesordnung. Gesprochen wurde über den Versuch aber trotzdem.
> Die Diskussion: Kurz gab eine ausführliche rechtliche Einschätzung ab. Danach dürfe der Versuch nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) maximal ein Jahr dauern – also bis 13. März – und nur aus besonderen sachlichen Gründen verlängert werden, die hier aber nicht vorlägen.
Während die StVO eine Bundesvorschrift ist, regelt das Land, ob eine Straße zu einer Fußgängerzone umgewandelt werden kann. Vereinfacht gesagt: Die StVO darf in diesem Fall weder eine dauerhafte Lösung schaffen noch Landesrecht aushebeln.
Das konnte Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier zwar nachvollziehen, wunderte sich aber trotzdem: "Wir probieren etwas aus und dann kommt plötzlich alles wieder weg, bevor wir darüber gesprochen haben, wie es eigentlich weitergeht." Kurz sagte, die Entscheidung erfolge auf Basis der Evaluation, die dem Gemeinderat im Mai vorgestellt würde.
Was wohl Verwirrung stiftete: Die Ergebnisse der Fachfirma sollten eigentlich kurz nach Auslaufen des Tests vorliegen und erörtert werden, nicht erst in zwei Monaten. Das Unternehmen braucht für die Auswertung aber länger, und so war zuletzt unklar, ob die Versuchsanordnung bis dahin bestehen bleibt oder abgebaut wird. Jetzt herrscht zumindest dahingehend Gewissheit.