Fressgasse und Kunststraße zu Fußgängerzonen machen?
Die CDU kann sich das zwar gut vorstellen, aber am Verkehrsversuch der Stadt lässt sie kein gutes Haar. Die Sperrungen sollen ab 1. April zurückgebaut werden.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Gewählt wird der neue Oberbürgermeister zwar erst am 18. Juni – doch der Wahlkampf ist längst eröffnet. Dazu gehören gegenseitige Sticheleien genauso wie das Kramen in den Archiven. Wer hat was, wann und wie gesagt – und lässt sich das vielleicht zum eigenen Vorteil nutzen?
Die Sozialen Medien bieten dazu eine breite Spielwiese. Auf Facebook posten derzeit Grünen-Politiker genüsslich ein Video der CDU-Gemeinderatsfraktion von 2019. Stadträte stellen darin ihr Konzept einer "neuen Innenstadt" vor, und das lässt aufhorchen. Die wichtigsten Botschaften: Die Fußgängerzonen sollen sich verdoppeln, Fressgasse und Kunststraße autofrei werden. Mehr Bäume, mehr Grün und mehr Aufenthaltsqualität in der City. Raus mit dem Durchgangsverkehr – rein in die Parkhäuser.
Moment mal. Ist das nicht dieselbe CDU-Fraktion, die jetzt den Verkehrsversuch mit abschnittsweisen Autosperren in der Kunststraße und der Fressgasse beenden will? Ja, aber – so versucht Fraktionschef Claudius Kranz den vermeintlichen Widerspruch aufzulösen. Die CDU stehe zu ihrer Idee von vor drei Jahren und habe damals auch im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag gestellt, der von der Mehrheit abgeschmettert worden sei.
Der Verkehrsversuch sei dagegen vor einem Jahr zu einem falschen Zeitpunkt gestartet worden. Damals wie heute ist der Fahrlachtunnel gesperrt, die Hochstraße Süd in Richtung Ludwigshafen abgerissen. Dazu kam die Großbaustelle am Hauptbahnhof. Um die Erreichbarkeit der Innenstadt zu sichern, dachte die CDU über zwei neue Tiefgaragen nach: eine unter der neugebauten "Zentrale" der Sparkasse Rhein-Neckar Nord, die andere unter den Kapuzinerplanken.
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Stattdessen habe das Dezernat von Bau- und Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) im nicht abgesperrten Bereich der Kunststraße und Fressgasse Parkplätze zugunsten von "hässlichen Blumenkübeln" entfernt, obwohl dort keine Außengastronomie und die Maßnahme gar nicht vom Gemeinderatsbeschluss gedeckt sei. Zudem ärgert sich Kranz darüber, dass die Stadt ihr schon vor Jahren gegebenes Versprechen für ein intelligentes, digitales Parkleitsystem immer noch nicht eingelöst habe.
Der auf ein Jahr angelegte Verkehrsversuch endet laut Gemeinderatsbeschluss am 31. März. Doch was kommt danach? Eisenhauers Sprecherin Corinna Hiss hatte Anfang November 2022 auf RNZ-Anfrage gesagt, dass die Absperrungen und sonstige Maßnahmen so lange bestehen blieben, bis der Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderats über das weitere Vorgehen entschieden hat. Das Gremium tagt dazu erst am 23. Mai.
Bis dahin will eine Fachfirma ihre Ergebnisse einer Evaluation vorlegen. Die CDU pochte zuletzt auf einen "Abbruch" des Versuchs Ende März, die Grünen verlangten bereits eine Ausweitung. Eisenhauers Büroleiter Adrian Werning bestätigte am Dienstag das planmäßige Auslaufen des Versuchs in knapp fünf Wochen. Dagegen konnte er noch nicht sagen, wie es dann konkret weitergehen, dazu bedürfe es noch Abstimmungen mit dem Dezernat für Ordnung und Sicherheit sowie dem Stadtraumservice.
Nach RNZ-Informationen hat Eisenhauer seine Auffassung korrigiert und bereitet die Stadt den Rückbau der "Versuchsanordnung" ab 1. April vor – was die Grünen bereits als "Geldverschwendung" kritisiert haben. Legt man den Zeitraum für den Aufbau zugrunde, könnte es einige Woche dauern, bis alle Sperren und Schilder beseitigt und die Markierungen entfernt wurden. "Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der Auswertung", sagte SPD-Fraktionschef und OB-Kandidat Thorsten Riehle der RNZ. Er liegt mit Kranz gar nicht so weit auseinander. Beide plädieren dafür, vor einem weiteren Beschluss nicht nur im Gemeinderat über eine mögliche Verstetigung der Verkehrsberuhigung zu debattieren, sondern das Gespräch mit Anwohnern, Passanten, Geschäftsleuten und kreativen Planern zu suchen.
Erst danach könne der Ausschuss entscheiden, wie der Durchfahrtsverkehr und die Autoposer künftig aus der City herausgehalten werden können – bei gleichzeitig guter Erreichbarkeit der Parkhäuser, sind sich Kranz und Riehle einig. "Uns ist dabei auch die Aufwertung eventuell betroffener Straßen und Bereiche wichtig", sagte der SPD-Mann. Wie die CDU übte auch er Kritik an Eisenhauers Dezernat und am Stadtmarketing. Seit einem Jahr schaffe man es nicht, den abgesperrten Bereich in der Fressgasse mit Foodtrucks, Platzkonzerten oder Diskussionen über die Verkehrswende zu bespielen.
Klagen angrenzender Einzelhändler müssen man sich genauer anschauen. Sind sinkende Umsätze dem Versuch geschuldet oder Ausdruck einer allgemeinen Entwicklung? All das brauche Zeit, so Riehle. Insofern kann es gut sein, dass eine Grundsatzentscheidung bei der Mai-Sitzung vertagt wird.