Tod von Joy Fleming

"Mama Soul" schlief ganz friedlich ein (plus Fotogalerie)

Sängerin Joy Fleming ist überraschend im Alter von 72 Jahren gestorben - Sie hätte das Zeug zum Weltstar gehabt

28.09.2017 UPDATE: 29.09.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 15 Sekunden

Die "Monnemer Gosch" hatte eine großartige Stimme: Joy Fleming bei einem Auftritt in der Sinsheimer Stadthalle im Dezember 2014. Foto: Barth

Von Micha Hörnle und Christiane Barth

Sinsheim/Mannheim. Damit hätte keiner gerechnet: Dass Joy Fleming, die die Vitalität für sich gepachtet hatte, schon mit 72 Jahren stirbt - und dass irgendwann diese unfassbare Stimme jemals schweigen wird. Ihr Tod am Mittwochabend im Sinsheimer Stadtteil Hilsbach kam völlig überraschend. "Sie ist auf der Couch friedlich eingeschlafen", sagte ihr Sohn und Manager Bernd Liebenow. Der Notarzt hätte nichts mehr für sie tun können.

Joy Fleming war die wohl unterschätzteste Blues- und Jazzsängerin Deutschlands, aber im Verkennen von wahrem Talent hat das Land ja Übung. Übrigens nicht nur das Land, sondern auch die Region, denn auch ihre Mutterstadt Mannheim ehrte diese Naturgewalt an Ton und Temperament nicht ganz so, wie sie es verdient gehabt hätte. Dabei hat sie der Stadt mit dem "Neckarbrückenblues" (Songtext siehe links) vor 45 Jahren das größte denkbare musikalische Denkmal gesetzt. Immerhin erhielt sie 1976 die wichtigste inoffizielle Auszeichnung in Mannheim, den Bloomaul-Orden.

Und so hieß auch ihre Autobiografie folgerichtig "Über alle Brücken": Darin erzählt Joy Fleming über ihre Kindheit und Jugend in Mannheim, über ihren Vater, der sie schlug, regelrecht misshandelte, und über den Beginn ihrer Karriere. Es sei ihr lange schwer gefallen - ihr, einer Frau, die es längst zu Ruhm gebracht hatte - über die wenig rühmliche Vergangenheit zu sprechen. Doch müsse es jetzt raus, daher habe sie ein Buch darüber geschrieben, verriet sie 2013 in einem RNZ-Interview. Auch ein zweites Buch wollte sie schreiben. Doch dazu kam es nicht mehr.

"Kind, mach doch mal das Radio lauter, da singt eine so schön", hat ihre Mutter gesagt. Wer da sang, war aber nicht eine Stimme aus dem Radio, sondern die spätere "Mama Soul aus Mannheim", Erna Liebenow, die als blutjunge und betörend schöne junge Sängerin in den "Ami-Clubs" entdeckt wurde und sich bis Mitte der 70er-Jahre zu nationalem Ruhm emporarbeitete. Höhepunkt war ihre Teilnahme beim "Grand Prix Eurovision de la Chanson", den heute nur noch alle "Eurovision Song Contest" nennen.

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Hintergrund

Der Neckarbrückenblues war der bekannteste Song von Joy Fleming. Es geht um einen untreuen Ehemann, der immer "iwwer die Brick" zu Prostituierten geht:

Her, her mol her, was ich Dir jetzt sag e will.

Des is ä kleeni Gschicht vun geschtern

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Der Neckarbrückenblues war der bekannteste Song von Joy Fleming. Es geht um einen untreuen Ehemann, der immer "iwwer die Brick" zu Prostituierten geht:

Her, her mol her, was ich Dir jetzt sag e will.

Des is ä kleeni Gschicht vun geschtern morge.

Do is de Briefträger zu ma kumme un hot gsacht,

Klenie kumm mol her, ich hab da was zu sage.

Oh, deun Karl is schun widder iwwer die Brick,

iwwer die Brick is er widder niwwer zu der onnere.

Oh, hab ich zu dem Briefträger gsacht:

Her mol, des is moin Karl sei Sach.

Ma zwingt keen Mensch zu seunem Glick.

un wann er meent er muss iwwer die Brick,

soll er doch, soll er doch, soll er doch.

Oh, ich weeß, der kummt a widder zurück.

Der kummt schun widder, wann er Hunger hot.

Die Männer kumme alleweil widder zurück.

Dann sin se hungrisch oder kronk. - Gott sei Donk.

Und ach moin Karl g’heert zu dere Sort.

Gott sei Dank, Gott sei Dank, Gott sei Dank.

Ne, so oft kann der gar net fort,

wie er widder zurück kummt iwwer die Brick.

Do steht er schun widder an de Dür, moin Karl

un dann sacht er ganz fresch zu mir:

Kleeni her, her mol her

ich geh mol schnell uff ä Bier,

ich bin bald widder zurück.

Oh Karl, Oh Karl, Oh Karl, Oh Karl, Oh Karl,

Du hoscht doin’ Hut tief im G’nick.

Isch wääß ganz genau,

jetzt geht er widder iwwer die Brick.

Er geht widder üwwer die Mannemer Brick,

die Mannemer Neckarbrick.

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1975 schmetterte sie durchaus leidenschaftlich "Ein Lied kann eine Brücke sein" - und kam am Ende doch nur auf einen enttäuschenden - und auch unverdienten - drittletzten Platz. "West᠆deutschland hat in ihr einen Weltstar, die Welt hatte nur noch keine Gelegenheit, es zu bemerken", schrieb das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Danach war es auch mit ihrer großen Karriere vorbei, sie tingelte, beispielsweise auf dem Mannheimer Stadt-fest - aber in Würde.

Auch, wenn ihre Wurzeln in der größten Stadt der Kurpfalz lagen, gestand sie doch bei einem Auftritt vor drei Jahren in der Sinsheimer Stadthalle, das ländliche Leben in den Kraichgau-Dörfern Steinsfurt, später dann Hilsbach, schätzen und lieben gelernt zu haben. "Des Därfel", vertraute sie im Februar 1977 der RNZ an, "mit dem goldig Kirchel hat mir glei g’falle." In Hilsbach hatte sie einen Bauernhof, der fast ein kleiner Zoo war.

Hier wohnte sie 40 Jahre lang, seit Anfang 1977, aber auch nur die leichteste Kraichgauer Klangfärbung nahm sie nie an. Stets sprach sie von "meiner Stadt Mannheim", wenngleich sie sichtlich das beschauliche Leben auf dem Bauernhof genoss. Ihren Lebensgefährten Bruno Masselon, mit dem sie 2014 in Sinsheim noch ein Konzert gab, nannte sie auch auf der Bühne liebevoll "Chéri". Sie wirkte durchaus mit sich und ihrem Leben im Reinen, und mit dem Franzosen hatte sie auch den idealen musikalischen (und wohl auch seelischen) Begleiter gefunden. Nach zwei gescheiterten Ehen hatte sie genug vom Heiraten - sie lebte mit Masselon jahrzehntelang in "wilder Ehe". Und doch wirkte sie gesundheitlich angeschlagen bei ihrem Konzert und hatte Mühe beim Gehen; "Chéri" stützte sie.

Wenn sie aber sang, schien all dies vergessen: die Stimme klar und kraftvoll, eine echte Röhre, für die man sie liebte. Nur einmal musste Fleming erneut ansetzen - ansonsten war sie ganz das altgeübte Zirkuspferd, das eigentlich nur fürs Publikum da sein wollte. Das Schöne an ihrer späteren, etwas bescheideneren Karriere, war, dass sie endlich das singen konnte, was sie wollte - und nicht, was die Plattenbosse ihr vorgaben. Und so schmuggelte sie alte Jazz- und Blues-Klassiker in Kurpfälzer Gewand in ihre Auftritte.

Am liebsten sang sie "Fever", weil das auf Mannemerisch fast genauso hieß: "Fiewa". Apropos Mannheim: Auch mit der alten Konkurrentin Heidelberg machte Joy Fleming ihren Frieden: Als sie 2005 den Hofnarren-Orden der Perkeo-Gesellschaft erhielt, gestand sie, dass ihr Vater Heidelberger gewesen sei, sie mithin auch halbe Heidelbergerin sei. Die Züchtigungen, die sie von ihrem Vater erlitt, beschönigte sie nicht, als sie in der Sinsheimer Stadtbibliothek aus ihrem Buch las. Er sei teuflisch gewesen, noch heute könne man die Narben erkennen.

Joy Fleming wurde auch geliebt für ihre unverblümte Art, Dinge auszusprechen, die andere vornehm verschweigen: "Peter Alexander war ein toller Künstler, seine Frau aber war ein Reff", sagte sie damals in Sinsheim - nicht in gepflegtem Hochdeutsch, das man von ihr gar nicht kannte, sondern so, wie ihr "de Schnawwel g’wachse isch".

Direkt und geradeheraus: Sie hielt nichts von gekünstelter Noblesse. Und gerade weil sie sich auch nach über 50 Jahren im Showgeschäft nicht verbiegen ließ und ihr Herz auf der Zunge trug, liebten sie ihre Fans. Joy Fleming hinterlässt ihren Lebensgefährten, drei Söhne und eine Tochter.

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