Messerattacke in Mannheim

Täter hatte eine "blütenweiße" Polizei-Akte

Der Tatort soll in den kommenden zwei Wochen der Trauer und dem Gedenken an den ermordeten Polizisten gewidmet sein.

05.06.2024 UPDATE: 05.06.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Ein Meer von Blumen, Kerzen und persönlichen Grüßen auf dem Marktplatz ist deutliches Zeichen der großen Anteilnahme der Mannheimer am Tod des jungen Polizisten. Foto: Kreutzer

Von Alexander Albrecht und

Theo Westermann, RNZ Stuttgart

Mannheim/Stuttgart. Tumulte wie vergangenen Sonntag bei einer Mahnwache gegen eine Kundgebung der AfD werden sich in den kommenden zwei Wochen am und auf dem Mannheimer Marktplatz nicht wiederholen.

> Oberbürgermeister erlässt Versammlungsverbot: Christian Specht (CDU) hat bis Sonntag, 16. Juni, jegliche Veranstaltungen auf dem Marktplatz per Allgemeinverfügung untersagt. Dieser solle ganz der Trauer und dem Gedenken an den von einem 25-jährigen Attentäter erstochenen Polizisten gewidmet werden, sagte der CDU-Politiker am Dienstag bei der Sitzung des Hauptausschusses des Gemeinderats.

Von der Regelung ausgenommen sind die regulären Marktstände, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Der Landesverband der AfD hatte für Freitagabend eine weitere Kundgebung auf dem Marktplatz geplant. Nach der Verfügung muss sich die Partei einen neuen Ort für ihre Veranstaltung suchen.

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Vor der Entscheidung des Oberbürgermeisters hatte Ulrike Schäfer, die Vizepräsidentin des Mannheimer Polizeipräsidiums, eindringlich gebeten, den Angehörigen des umgebrachten Beamten sowie seinen Kollegen Raum und die Zeit zu geben, "sich mit dem Tod eines geliebten und sehr geschätzten Menschen auseinanderzusetzen".

> Neckarbischofsheim trauert: Die Heimatstadt des ermordeten Polizisten lädt für diesen Freitag um 18.30 Uhr zu einem stillen Gedenken vor dem Rathaus ein.

> Täter war wohl Islamist: Wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag bei einer Pressekonferenz der Landesregierung sagte, verdichten sich Erkenntnisse, dass es sich bei der tödlichen Messerattacke um eine religiös und extremistisch motivierte Straftat handele. Was den Attentäter angeht, sehe er keine Hinweise, dass dieser einer größeren Gruppe angehört habe. Es deute alles auf einen islamistisch radikalisierten Einzeltäter hin. Inzwischen führt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen.

> Asylantrag abgelehnt, aber Bleiberecht: Der 25-Jährige lebte mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in einer Heppenheimer Hochhauswohnung. In Afghanistan geboren, kam er 2013 nach Deutschland und stellte einen Asylantrag, der 2014 abgelehnt wurde. Die Behörden verhängten allerdings ein Abschiebeverbot, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Wie die "Welt" schreibt, erteilten ihm die Behörde neun Jahre später eine befristete Aufenthaltsgenehmigung.

In der Zwischenzeit sei der Mann zum ersten Mal Vater geworden, das Kind besitze die deutsche Staatsangehörigkeit und der Afghane habe das Sorgerecht. Informationen des "Spiegel" zufolge war er den Sicherheitsbehörden bisher nicht als Extremist bekannt. Seine Akte bei der Polizei sei "blütenweiß" und enthalte nicht einmal einfache Vergehen. Laut eines Zeitungsberichts von 2014 hatte der Absolvent einer Hauptschule für den Taekwondo-Verein Bensheim Bergstraße an einer Meisterschaft im Vollkontakt teilgenommen.

> Attacke in der Waffenverbotszone: In der Debatte um Konsequenzen aus dem Attentat fordern Politiker und der Deutsche Städtetag Waffenverbotszonen. Eine solche gibt es in Mannheim bereits seit Ende vergangenen Jahres – den Marktplatz mit eingeschlossen. Dort ist das Führen von Waffen und Messern mit einer Klingenlänge von über vier Zentimetern verboten. Die Polizei darf jedoch ohne Verdacht nicht kontrollieren.

Sollte der Afghane vor der Tat nur auf dem Marktplatz "herumgestanden" haben, dann hätten die Beamten auch keinen Grund gehabt, ihn zu überprüfen. Noch dazu gilt das Verbot nur freitags und samstags sowie an Feiertagen zwischen 20 und 6 Uhr. Der Täter startete den Angriff auf die Angehörigen der islamkritischen Bewegung "Pax Europa" aber am vergangenen Freitag kurz nach 11.30 Uhr.

> Riesige Spendenbereitschaft: Das Bündnis der Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft (BFHu) hat über die Plattform "GoFundMe" bis Dienstagnachmittag mehr als 480.000 Euro gesammelt. Der Verein der Spezialeinheit der Bundespolizei hatte sich nach einem Hubschrauberunglück am 21. März 2013 gegründet. Bei einer Großübung am Berlinger Olympiastadion war ein Helikopter der Bundespolizei mit einem anderen kollidiert. Ein Pilot starb, mehrere Menschen wurden teils schwer verletzt.

Inzwischen kooperiert der Verein mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Baden-Württemberg und seinem Mannheimer Ortsverbandsvorsitzenden Thomas Mohr. Dieser sagte der RNZ: "Wir dürfen bestimmen, wohin das Geld fließt. Empfänger werden ausschließlich die Hinterbliebenen des ermordeten Polizisten sein und Kollegen, die professionelle Hilfe brauchen."

> Neues Spendenkonto: In Absprache mit den Angehörigen des verstorbenen 29-Jährigen und nach vielen Anfragen spendenbereiter Menschen hat die Polizeistiftung Baden-Württemberg ein entsprechendes Konto eingerichtet. Das Geld soll im Dienst verletzter Beamter oder Hinterbliebenen getöteter Kollegen zugutekommen. Spendenkonto: Polizeistiftung Baden-Württemberg, Stichwort: Rouven, IBAN: DE 48.6005.0101.7871 5214 50.

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