Die Altstadt hat (fast) eine neue Bürgerinitiative
150 Interessierte kamen Informationsveranstaltung - Eindeutiges Stimmungsbild

Dicht gedrängt saßen die Bürger vornehmlich Altstädter im Café Schafheutle, um sich gegen die Neubaupläne im Providenzgarten erst zu informieren und dann zu organisieren. Foto: Hentschel
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Im Café Schafheutle drängten sich am Donnerstagabend gut 150 Personen - und unter ihnen herrschte, wie am Ende eine Abstimmung ergab, Einigkeit: Alle setzen sich für den Erhalt des Providenzgartens in der Altstadt ein. Damit sollte der evangelischen Stadtkirche, die sich am Samstag zur Synode trifft und über die Zukunft des Areals entscheiden will, ein klares Zeichen gesandt werden: Die Debatte um die Grünfläche hinter der Providenzkirche hat die breite Stadtöffentlichkeit erreicht - und die Stimmen gegen eine Teilbebauung des Geländes werden stärker.
Mittlerweile wurden über 2000 Unterschriften gesammelt, die bis Samstag den Kirchensynodalen zugegangen sein sollen. Von denen war allerdings keiner im Café Schafheutle anwesend, was die Vorsitzende des Vereins Alt-Heidelberg, Karin Werner-Jensen ärgerte: "Ich verstehe nicht, wieso die Kirche keinen Bürgerdialog gemacht hat. Sie soll ihre Entscheidung vertagen."
Das Treffen am Donnerstag war eine Art Vorstufe zur Gründung einer Bürgerinitiative oder eines Fördervereins, denn immer noch setzt Initiator Klaus Hekking, der für die CDU in den Gemeinderat einziehen will, auf einen Kauf oder eine Pacht des etwa 1600 Quadratmeter großen Gärtchens, auf dem zwei Dutzend besonders geschützte Bäume stehen. Die Kirche gibt zwar an, diese unbedingt erhalten zu wollen, wenn hier der Neubau der Hochschule für Kirchenmusik (bisher in der Weststadt) und eines Providenz-Gemeindehauses (das alte ist marode) entstehen soll.
Aber so richtig nahm ihr das keiner ab: Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) warf eine Grafik an die Wand, die illustrierte, wie kurios um die Baumkronen herumgeformt und vor allem vier Stockwerke hoch der Neubau sein müsste, um alles unterzubringen und die Bäume zu schonen. Sein Wunsch: "Die Kirche beschränkt sich auf das Grundstück des alten Gemeindehauses. Die Stadt pachtet das Restgelände und macht einen öffentlichen Park daraus."
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Weiler-Lorentz errechnete sogar die jährliche Pacht des Grundstückes, dessen Wert er auf 2,6 Millionen Euro taxierte: 100.000 Euro. Mit ein bisschen Glück könnten diese Summe auch Mäzene schultern: "Wir haben schon einige Großsponsoren im Hintergrund", so Hekking. "Am Geld wird es nicht scheitern."
Der ehemalige SRH-Chef hatte sogar eine überraschende Lösung für einen neuen Kirchenmusik-Hochschulstandort in petto - er ließ seine alten Kontakte spielen. So ist der Wieblinger Gesundheits- und Bildungskonzern SRH bereit, "mit der Kirche über einen Standort auf ihrem Campus zu reden", zumal man dort auch Musiktherapie studieren kann. Hekking: "Da gibt es jede Menge Synergien - von der Verwaltung bis hin zur Bibliothek."
In der Debatte streiften die Bürger viele Aspekte: Da ging es um die Frage, ob Providenz überhaupt ein Gemeindehaus brauche ("Da findet eh nichts mehr drin statt"), ob man daraus nicht gleich ein Bürgerzentrum für die Altstadt machen sollte und ob das jetzige Gebäude der Hochschule für Kirchenmusik in der Weststadt wirklich so marode ist. "Das Gebäude ist gut in Schuss, hat vier große Orgeln und zwei Säle", sagte Jürgen Gottschling, der selbst mal dort studiert hat.
Altstadt-Original Fritz Hartmann warf beeindruckende Bilder des mächtigen Ginkgos ("der mit dem zweitstärksten Stammumfang in Deutschland") an die Wand und beschwor inständig, ihn nicht für einen Neubau zu opfern, während andere gerade den ökologischen Wert des gesamten Baumensembles ("Die 20 Eiben werden immer gern vergessen") hervorhoben. Gerd Wagner, der einst die Altstadtinitiative "Linda" mitgründete, sagte: "Die Kirche wird sich dem Druck der Bürger nicht entziehen können."
So wurde dann auch per Handheben einstimmig die Kirche aufgefordert, erstens die Grundsatzentscheidung für den Umzug der Kirchenmusik-Hochschule von der heutigen Tagesordnung der Synode zu nehmen und zweitens in einen Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten.