"Viel Entfremdung zu spüren"

ZdK-Präsident Alois Glück über das Verhältnis der Kirche zu den Gläubigen und notwendige Reformen

20.10.2014 UPDATE: 20.10.2014 06:00 Uhr 1 Minute, 38 Sekunden
Alois Glück. Foto: dpa
Von Rasmus Buchsteiner, RNZ Berlin

Berlin. Der frühere CSU-Politiker Alois Glück ist seit 2009 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Reformer und Gegner eines Öffnungskurses haben bei der Familiensynode im Vatikan harte Debatten ausgetragen. Bei den Konservativen war sogar von "Verrat" die Rede. Steht die katholische Kirche vor einer Zerreißprobe?

Diese Gefahr besteht nicht. Die Debatte wird schließlich offen und ehrlich geführt. Es ist ganz normal, dass es dabei Spannungen gibt. Man muss die Auseinandersetzung so gestalten, dass jedem klar ist, dass es um die Sache geht und nicht um Machtfragen in der Kirche. Es müssen grundsätzliche Fragen besprochen werden. Wir müssen sehen, ob kirchliche Lehre sich weiterentwickeln kann oder Tradition nur verstanden wird als starres Festhalten am Bestehenden. Ich bin überzeugt, dass wir eine Weiterentwicklung katholischer Lehrmeinungen benötigen. Nach Jahrzehnten der Erstarrung müssen wir diese Diskussion jetzt führen.

Wie weit ist die Kirche vom Alltag der Gläubigen entfernt?

Die Umfrage des Vatikans in Deutschland und in weiten Teilen der Welt hat gezeigt, dass sich die offizielle kirchliche Lehre und das Leben der Katholiken weit auseinanderentwickelt haben. Da ist viel Entfremdung zu spüren. Wir können Menschen, die eine rein aus naturrechtlichen Positionen heraus entwickelte Lehre nicht mehr verstehen, nicht einfach den Glauben absprechen. Es geht nicht um Veränderung, sondern um Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre. Das muss die Kirche angehen, wenn sie nicht noch mehr Menschen verlieren will.

Auf welche Veränderungen hoffen Sie beim Umgang mit Wiederverheirateten?

Die übergroße Mehrheit der Katholiken in Deutschland hofft hier auf Bewegung. Wir müssen für Wiederverheiratete den Zugang zu den Sakramenten ermöglichen. Ich bin gegen einen Automatismus, sondern für Entscheidungen im konkreten Einzelfall. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht, die den Glauben und das Leben in der Kirche mitleben wollen. Sie auf Dauer von den Sakramenten auszuschließen, kann nicht der richtige Weg sein. Darüber werden wir jetzt in Deutschland ausführlich reden. Für mich gilt dabei der Grundsatz, dass die Unauflöslichkeit der Ehe nicht zur Disposition steht.

Wird die katholische Kirche zu neuen Positionen mit Blick auf homosexuelle Lebensgemeinschaften finden?

Die Positionen haben sich ja schon geändert. In der Familiensynode ist sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, dass Offenheit gegenüber Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften notwendig ist. Wie sich die Positionen dazu weiterentwickeln, muss jetzt in der Weltkirche beraten werden.

Können Sie sich homosexuelle Paare mit dem Segen der katholischen Kirche vorstellen?

Es kann durchaus Wege geben, solche Beziehungen zu segnen. Aber es wird sicher keine Gleichsetzung mit der Ehe zwischen Mann und Frau erfolgen. Das würde dem katholischen Verständnis von Familie grundlegend widersprechen.