Heidelberger Flüchtlinge wollen etwas zurückgeben
Eine Initiative von Flüchtlingen bringt ihre Glücksgefühle über Frieden, Demokratie und Sicherheit zum Ausdruck

Wohltuender Kontrast zum lautstarken Protest: Am Rande der Merkel-Kundgebung auf dem Universitätsplatz bedankten sich die Flüchtlinge mit Transparenten bei Deutschland (in der Mitte Hakan Arisoy mit seiner "Oma"-Puppe). Fotos: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Hakan Arisoy würde am liebsten alle Menschen, die ihm auf der Straße begegnen, sofort umarmen. Seit April ist er im Land. Viel Deutsch kann er noch nicht, denn sein Integrationskurs startete erst in der vergangenen Woche. Doch zwei Worte wiederholt Arisoy immer wieder: "Dankeschön Deutschland".
"Dankeschön Deutschland" ist auch der Name einer Initiative von Flüchtlingen, die erstmals bei der Kundgebung von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Universitätsplatz in Erscheinung getreten ist. Die Aktivisten hielten Transparente hoch. "Ich bin Lehrer. Danke dafür, dass ich hier Frieden, Freiheit und Demokratie erleben darf", war auf einem zu lesen. Ein Journalist bedankte sich für den Rechtsstaat, ein Banker für die Sicherheit in Deutschland.

Hakan Arisoy mit seinen Marionetten. Die Oma symbolisiert Deutschland, die Kinder Flüchtlinge.
Vor vier Monaten wurde die Initiative von Arisoy und einigen Mitstreitern gegründet. Die Idee kam ihnen im Ramadan, beim gemeinsamen Fastenbrechen, zu dem der Frauenverein "Eva" ins Bürgerzentrum Kirchheim eingeladen hatte. Mittlerweile ist der 36-jährige, der in der Türkei ein bekannter Marionettenspieler ist, der Vorsitzende von "Dankeschön Deutschland". Aus Angst vor einer möglichen Verhaftung hat er die Türkei verlassen. Er ist nämlich Anhänger der Hizmet-Bewegung des islamischen Geistlichen Fethullah Gülen. Dieser wird vom türkischen Staatspräsidenten Erdogan beschuldigt, hinter dem gescheiterten Militärputsch vom Juli letzten Jahres zu stecken.
In Deutschland fühlt sich Arisoy nun sicher. "Endlich kann ich wieder atmen und arbeiten", sagt er. In einer Hockenheimer Grundschule darf er sogar an zwei Tagen in der Woche Kinder in der Kunst der Marionettenherstellung unterrichten. Seine Dankbarkeit brachte er in einem selbst geschriebenen Stück zum Ausdruck. Eine Oma symbolisiert darin Deutschland - mit ihrem großen Herz nimmt sie Flüchtlingskinder aus aller Herren Länder auf. Damit trat Arisoy schon mehrfach auf - in einem Leimener Seniorenheim, bei interkulturellen Festen und im Registrierzentrum Patrick Henry Village. "Die Oma symbolisiert nicht etwa die Bundeskanzlerin, sondern alle Deutschen", stellt Meryem Ari klar, die die Initiative nicht nur als Dolmetscherin unterstützt. Die Erzieherin in Ausbildung lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Auch der freie Journalist und türkisch-stämmige Deutsche Halil hilft, wo er kann, bringt Flüchtlinge zum Arzt oder begleitet sie bei Ämtergängen.
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Hintergrund
Dankeschön Deutschland ist nicht nur eine Initiative, mit der die Mitglieder ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollen, sondern sie unterstützt auch andere Flüchtlingen bei der Integration. Die Ehrenamtlichen helfen bei Behördengängen, bei Fahrten ins Krankenhaus oder bei
Dankeschön Deutschland ist nicht nur eine Initiative, mit der die Mitglieder ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollen, sondern sie unterstützt auch andere Flüchtlingen bei der Integration. Die Ehrenamtlichen helfen bei Behördengängen, bei Fahrten ins Krankenhaus oder bei schulischen Problemen. Beratung bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ist ebenfalls geplant. "Die Initiative Dankeschön Deutschland ist die Stimme der Menschen, die in allen Ländern dieser Welt verfolgt und unterdrückt werden und verteidigt die Rechte dieser Menschen ungeachtet von Religionszugehörigkeit, ethnischer Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht", heißt es in der Präambel der Vereinssatzung.
Info: Wer Kontakt mit der Initiative aufnehmen möchte, kann dies am besten über das Kontaktformular der Homepage tun: www.dankeschoen-deutschland.com hob
Zwar sei die Initiative offen für alle Nationalitäten und Ethnien, wie Ari betont. Bisher engagieren sich aber nur ein paar Gülen-Anhänger. Aus Angst um die Familie in der Türkei möchten die meisten ihre Nachnamen nicht nennen. So auch Cafer (41). Der zweite Vorsitzende ist seit Juli 2016 in Deutschland. Auch er hatte in der Türkei einen guten Job, arbeitete als Investmentberater für große Firmen und Kommunen. Als er sich bei einer Geschäftsreise in Deutschland befand, wurde in seiner Heimat geputscht. Drei der vier Inhaber seiner Firma wurden verhaftet. Cafer entschied sich, in der Bundesrepublik zu bleiben, und beantragte Asyl.
"Ich möchte mich im Namen von allen Flüchtlingen bedanken", sagt Cafer. Und die Glücksgefühle von Hakan Arisoy sind schon fast kurios. Als Autofahrer in Deutschland musste er bereits zwei Mal Bußgelder bezahlen. "Ich habe mich darüber gefreut. Denn ich weiß, das Geld ist gut angelegt."