Wie die Ära Reinhold Zundel begann
1966 wurde Zundel erstmals zum Oberbürgermeister gewählt. Es war eine knappe Entscheidung.

Von Steffen Blatt
Heidelberg. Die Liste reicht zurück bis ins Jahr 1805, zu Georg Daniel Mays, der Heidelberg von da an 14 Jahre lang als Stadtoberhaupt regierte. 20 Männer und eine Frau sind ihm seitdem im Amt des Oberbürgermeisters gefolgt – acht von ihnen nach Ende des Zweiten Weltkrieges. In der Serie "Heidelbergs Oberbürgermeister" wirft die RNZ vor der OB-Wahl am 6. November in mehreren Teilen einen Blick zurück auf die Amtsinhaber und Wahlen seit 1945.
Es ist ein spannender Wahlabend an diesem 3. Juli 1966, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei Kandidaten. Am Ende steht fest: SPD-Kandidat Reinhold Zundel ist neuer Oberbürgermeister, mit nur 267 Stimmen Vorsprung vor Siegfried Kampf, der von CDU, FDP und den Freien Wählern unterstützt wurde.
Im ersten Wahlgang hatte der Abstand zwischen den beiden Führenden noch 2110 Stimmen betragen. Schließlich beginnt mit einem knappen Ergebnis von 50,2 zu 49,6 Prozent die "Ära Zundel", die bis 1990 dauert und Heidelberg prägen soll wie vielleicht keine davor oder danach. Der dritte Bewerber, Heinz Marzahn, kommt auf 0,2 Prozent der Stimmen.
Der Wahlsieger Zundel wird von den Heidelbergern ordentlich gefeiert: Im Hotel "Denner" in der Bergheimer Straße, wo er die ersten Glückwünsche entgegengenommen hat, bringt ihm der Perkeo-Fanfarenzug zunächst ein Ständchen. Dann geht es, eskortiert von der Polizei, mit Blaulicht und mit Pauken und Trompeten zum Gasthaus "Schinderhannes" in die Theaterstraße, wo mit Musik und Böllerschüssen weitergefeiert wird. Auf dem Weg winkt eine "große Menschenmenge" dem neuen OB zu, vermerkt die RNZ. Im "Schinderhannes" wird dann ein Fass Bier aus Zundels Geburtsort Brackenheim angestochen.
Auch interessant
Hintergrund
Mehr zur Heidelberger OB-Wahl 2022 finden sie auf www.rnz.de/obwahlhd.
Mehr zur Heidelberger OB-Wahl 2022 finden sie auf www.rnz.de/obwahlhd.
Vorangegangen ist ein harter Wahlkampf, in dem es nicht immer nur um Sachargumente ging. Die Kampf-Unterstützer stellen vor allem die große Verwaltungserfahrung ihres 54-jährigen Kandidaten heraus, der seit 1955 als Oberstadtdirektor im niedersächsischen Hildesheim Chef der kompletten Verwaltung ist.
Zundel dagegen ist erst 36 Jahre alt und Ministerialrat im hessischen Justizprüfungsamt, zuvor hat er als Richter gearbeitet und die Referendar-Ausbildung geleitet. Kommunalpolitische Erfahrung hat er nur kurz als Magistratsrat und kommissarischer Leiter der Stadtwerke im hessischen Langen gesammelt – was seine Gegner mehrfach betonen und die mögliche Wahl Zundels sogar als "großes Risiko" für Heidelberg bezeichnen.
Am Ende setzt sich die Persönlichkeit Zundel durch, wie Ressortleiter Karl Stauder in der RNZ am Montag nach der Wahl kommentiert. Denn der kommt offenbar bei den Menschen besser an als der etwas zurückhaltendere Kampf. Wie eng das Rennen war und wie sehr die beiden Lager bis zum Schluss versuchten, die Heidelberger zu überzeugen, zeigt unter anderem die RNZ-Samstagsausgabe vom 2./3. Juli 1966. Darin finden sich acht große Anzeigen zur OB-Wahl (drei für Zundel, fünf für Kampf) – was Stauder als "Trommelfeuer" bezeichnet, "das Heidelberg noch nicht gesehen hat".
Dass es im Wahlkampf auch unter die Gürtellinie ging, verdeutlicht ein offener Brief von Zundels Vorgänger Robert Weber, der in der RNZ abgedruckt ist. Darin gratuliert er dem Wahlgewinner, stellt allerdings auch fest, dass der Wahlkampf "nicht dem Ruf und dem hohen Ansehen unserer Stadt entsprach und Ihnen gegenüber die in jeder Gemeinschaft gebotene Fairneß oft vermissen ließ".
Weber selbst war von der SPD nicht mehr nominiert worden, weil die mit seiner Amtsführung unzufrieden war. Stattdessen stellten die Sozialdemokraten Zundel auf, der erst 1964 in die Partei eingetreten war.
Großes Thema vor der Wahl ist vor allem die schlechte finanzielle Situation der Stadt. Auch die Pläne für eine Wohnsiedlung im Emmertsgrund werden diskutiert – damals sind sie noch wenig konkret, weil die Pädagogische Hochschule Flächenbedarf auf dem Berg angemeldet hat. Zundel spricht sich damals bereits für einen Neubau in der Altstadt oder im Neuenheimer Feld aus.
Am 3. Juli 1966 ist Zundel gewählt. Bis er sein Amt aber offiziell antreten kann, vergehen über zwei Jahre. Grund sind zwei Klagen gegen die Rechtmäßigkeit des Urnengangs. Die Verfahren gehen durch mehrere Instanzen, und erst am 15. Juli 1968 weist das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden endgültig zurück.
Bis dahin fungiert Zundel als Amtsverweser, also als kommissarischer Oberbürgermeister. Das hat der Heidelberger Gemeinderat am 10. Dezember 1966 beschlossen – mit den Stimmen der SPD, aber auch von FDP und Freien Wählern, die vor der Wahl seinen Kontrahenten unterstützt hatten.
Zundel kann also mit seinen Ideen ans Werk gehen – und bringt offenbar neuen Elan in die Stadtverwaltung. Denn in der RNZ-Berichterstattung über die Amtseinführung am 14. September 1968 überschlägt sich Karl Stauder förmlich vor Lob. In den vergangenen zwei Jahren "hat sich klar und eindeutig gezeigt, daß er die Erwartungen der einen voll erfüllte und die Besorgnisse anderer, die damals nicht an inzwischen geschehene Wunder glauben wollten, durch Taten widerlegt hat".
Unter Zundels Leitung habe sich der Arbeitsstil gewandelt. "Was einst schwerfällig und paragrafenbezogen anmutete, ist in Fluß gekommen. Sogar Baugesuche werden zügig bearbeitet", kommentiert Stauder – und schreibt auch, dass die getätigten Einsparungen sogar zu einer lobenden Erwähnung Heidelbergs im Mitteilungsblatt des Bundes der Steuerzahler geführt habe.
Es ist offenbar etwas in Bewegung gekommen in diesen zwei Jahren, auch im Gemeinderat, in dem CDU, FDP und Freie Wähler deutlich mehr Sitze haben als die SPD (23 zu 12). Denn Zundel betont in seiner Rede, dass vieles nur möglich geworden sei, "weil der Gemeinderat das Miteinander gesucht und das Gegeneinander abgelehnt" habe.



