Im "Gloria" werden Erinnerungen wach
Am "Tag des offenen Denkmals" ging es um das Heidelberg der 50er und 60er.

Von Hannes Huß
Heidelberg. Wie sah Heidelberg eigentlich früher aus? Dieser Frage ging das Gloria-Kino am Sonntag im Rahmen des "Tag des offenen Denkmals" nach. Unter dem Motto "KulturSpur" zeigte Heidelbergs ältestes Kino in Kooperation mit dem Heidelberger Stadtarchiv und dem Haus des Dokumentarfilmes in Stuttgart Amateur- und Profiaufnahmen der Stadt aus den 50er und 60er-Jahren.
Mehr als 250 Besucher fanden sich im historischen Kinosaal ein, für diese Zeitreise in ein Heidelberg vor den großen städtebaulichen Veränderungen unter Oberbürgermeister Reinhold Zundel in den Jahren 1966 bis 1990. Tillmann Steinhilber, einer der drei Geschäftsführer des Kinos, freute sich über den großen Anklang der Aktion: "Mit so einem Ansturm hatten wir nicht gerechnet. Das trifft einen Nerv."
Seit 1907 finden im Gebäude des heutigen Gloria-Kinos Filmvorführungen statt, damals noch unter dem Namen "Central-Theater lebender Fotografien". Über die Geschichte des Kinos ist allerdings noch nicht alles bekannt. Erst seit der Übernahme des Kinos durch die letztes Jahr verstorbene Inge Mauerer-Klesel, 1982, führt das Kino ein detailliertes Archiv. Aus der Zeit davor gibt es nur wenige Aufnahmen und Zeitdokumente.
Deshalb hat das Gloria-Kino den "Tag des offenen Denkmals" auch mit einem Aufruf an die Heidelberger verbunden, Zeitdokumente des Kinos vor 1982 mitzubringen. Steinhilber hat eine ganz romantische Vorstellung davon im Kopf: "Vielleicht bringen die Leute ja süße Geschichten mit, die sie mit dem Kino verbinden. Einen ersten Kuss hier zum Beispiel." Er bittet die Heidelberger weiterhin, ihre Erinnerungstücke vorbeizubringen: "Das müssen auch nicht die Originaldokumente sein, die will ich niemandem wegnehmen. Kopien oder digitale Scans reichen vollkommen aus."
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Für viele der Besucher ist der "Tag des offenen Denkmals" eine willkommene Gelegenheit, in Erinnerungen an das frühere Heidelberg zu schwelgen. Während der Aufführungen der Fotos des Heidelberger Chronisten Fritz Hartschuh ist der Kinosaal mit "Ach, weißt du noch" und wohligem Raunen erfüllt. Viele sind erstaunt, wie viel grüner die Altstadt früher war. "Da war alles nicht so zubetoniert", sagt ein Zuschauer.

Schon beim ersten Satz der SWR-Doku "Heidelberg – eine Zeitreise durch die 50er und 60er-Jahre" schallt lautes Gelächter durch den Saal: "Eines Tages wird die Altstadt für Fahrzeuge gesperrt werden müssen. Zu schmal sind ihre Gassen." Trotzdem fahren noch 60 Jahre später Autos und Lkws durch die Altstadt. Nicht mehr über die Hauptstraße, dafür durch die Nebenstraßen, wo damals noch friedlich Kinder spielten. Auch der Beitrag zu Rassismus auf dem Wohnungsmarkt der 50er wirkt so grotesk, dass das Publikum kaum an sich halten kann. "Ich hatte am Anfang auch Bedenken, als der Vito nach einem Zimmer gefragt hat. Nicht wegen der Farbe, sondern wegen der Nachbarn", erzählt eine Vermieterin, während besagter Vito still dasitzt.
"Das Gloria ist in gewisser Weise auch ein Denkmal", erzählt Helmut Klesel, der seit dem Tod seiner Frau Inge letztes Jahr der alleinige Gesellschafter des Kinos ist. In ihrer Tradition will Tillmann Steinhilber gemeinsam mit Klesel und Jutta Freimuth das mehrfach ausgezeichnete Gloria als einen Ort behalten, an dem Kino auf allen Ebenen erlebbar ist: "Wir sind die Filmemacher dieser Stadt."



