Heidelberg

Vera Bonsens liebstes Arbeitsmaterial ist Papier

Viel Kobaltblau, eine ruhige Hand und Gelassenheit: Ein Atelierbesuch bei der Künstlerin. Das Studium an der Accademia di Belle Arti in Venedig hat sie geprägt.

04.09.2025 UPDATE: 04.09.2025 04:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Vera Bonsen bei der Arbeit mit Papier in ihrem Atelier in der Weststadt. Kobaltblau zählt unverkennbar zu ihren Lieblingsfarben. Sie studierte in Venedig, geprägt hat sie die Arbeit am Theater. Foto: Kienle

Von Rolf Kienle

Heidelberg. "Wenn Du es eilig hast – gehe langsam." Das Zitat des Heidelberger Zeitmanagers Lothar Seiwert klingt, als wäre es der Künstlerin Vera Bonsen auf den Leib geschrieben. Zwei Dinge braucht sie für ihre Werke: eine ruhige Hand und viel Geduld. Vor allem Geduld. Eilig darf sie es nicht haben.

Ihre Arbeiten, besonders jene filigranen aus Papier, leben von Leichtigkeit und Transparenz, die gleichwohl den immensen Zeitaufwand erahnen lassen. Vera Bonsen faltet und schneidet, teilweise mit scharfem Skalpell, experimentiert mit unterschiedlichen Techniken. Und geht nach einer konkreten Ordnung vor.

Alles ist geplant und im Kopf entstanden, nichts dem puren Zufall überlassen. Die Arbeitsweise anderer Künstler, die anfangs nicht wissen, wann ein Bild wirklich fertig ist und wie es am Ende aussieht, ist ganz sicher nicht ihre.

Das dürfte auch an ihrer Biografie liegen. Vera Bonsen, die in Heidelberg geboren wurde und in der Weststadt zu Hause ist, hat Bühnen- und Kostümbild studiert. Bühnenbild und Kostüme entstehen in einem mitunter langen, kreativen Prozess aus Wünschbarem und realistisch Machbarem. Studiert hat sie an der Accademia di Belle Arti in Venedig. Das Studium habe sie "sehr geprägt", sagt sie.

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Dort, in Venedig, war sie umgeben von großer Kunst, der Biennale, von Architektur, Alten Meistern, von Kunsthandwerkern, Papierwerkstätten, Restauratoren, die zu den besten der Welt gehören, Vergoldern, von Farben und Materialien. "Das hat mich inspiriert." Vermutlich haben diese besonderen Erfahrungen letztlich zu ihrer sympathischen Gelassenheit geführt.

Ab Mitte der 1980er-Jahre arbeitete sie als Assistentin am Mannheimer Nationaltheater, dann übernahm sie erste Ausstattungsarbeiten am Staatstheater Saarbrücken. 1999 wurde sie Leiterin der Entwurfsabteilung am Niedersächsischen Staatstheater Hannover. Zudem arbeitete sie freischaffend bei den Bregenzer Festspielen, an der Volksoper Wien oder an der Komischen Oper Berlin.

Sie stellte während dieser Zeit fest, dass die intensive Beschäftigung mit Theater und Musik "zu einer eigenständigen künstlerischen Gestaltungsform führte", wie es die plastischen Wandbilder aus Papier und Pappe zeigen, die zu ihren auffälligsten Arbeiten gehören und ihr Atelier schmücken.

Ab 2004 wagte sie den Schritt zur freien Künstlerin, wurde Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler sowie im Forum für Kunst Heidelberg, seit 2016 ist sie auch Mitglied bei der Gedok Heidelberg und stellt dort regelmäßig aus. Vertreten wird sie heute von der Galerie Grewenig in der Pfarrgasse 1 im Stadtteil Handschuhsheim.

Ein Bühnenbild beginnt immer mit einem Modell; eine Arbeit, die von Bühnenbildnern den konkreten Umgang mit Papier, Pappe und anderen Materialien sowie bestimmten Techniken verlangt. Vera Bonsen erging es wie allen Kollegen. Sie aber schuf sich damit ein Potenzial, aus dem sie heute noch schöpfen kann. In ihrer heutigen eigenen Arbeit fand sie "mehr künstlerische Freiheit". Ohne die Theaterarbeit aber wäre ihr künstlerischer Weg womöglich anders verlaufen. Sie habe viel profitiert von jener Zeit.

Ihre Arbeit, so langwierig der Entstehungsprozess auch sein mag, sei meditativ, erzählt sie, und beschreibt sie mit dem großen Wort der Entschleunigung. Es klingt authentisch. Bei der Arbeit hört sie klassische Musik – für sie ebenfalls eine Quelle der Inspiration.

Klassik hört sie schon immer, sagt sie. "Meine erste Platte war die ,Zauberflöte’." Aber eigentlich mag sie alle Genres der Musik. Und sie spielt Klavier. Schon als Kind träumte sie von einem Beruf, der mit Musik und bildnerischer Gestaltung zu tun hat.

Vera Bonsen bevorzugt Schwarz-Weiß und Grau, hat aber eine unverkennbare Vorliebe für Kobaltblau, samtig-matt, nie glänzend, weil Kobaltblau für Stabilität, Ruhe, Himmel und Wasser stehe. Das variiert sie allerdings auch: Grundmaterial eines 16-teiligen Objektes zum Beispiel ist Steinpapier, ein öl- und wasserresistentes und reißfestes Material aus gemahlenem Kalkstein.

Ihr gefiel "sein sperriges Eigenleben". Daraus schuf sie 16 Kästen, in das sie das Steinpapier in feinen Streifen "sperrte". Im Hintergrund der Kästen befindet sich jeweils ein Spiegel, in dem sich das Licht und der Betrachter spiegeln. Der Titel dieser Arbeit lautet: "Casual Black".

Eine andere Arbeit erweckt den Eindruck von endlosen Filmrollen, die aus der Wand herausquellen. Sie wirken wie ein Bruch mit der Mehrzahl der geometrischen Objekte und sind für die Künstlerin eine Erinnerung an vordigitale Zeiten, die einem anderen Rhythmus folgten.

Ein achtteiliges und 2,30 Meter hohes Wandobjekt aus Pappe nennt sich "La Ola" und springt einen förmlich an. Installationen gehören seit jeher zu ihren bevorzugten Objekten, wobei sie offen ist für jede moderne Kunst. Eingrenzen will sie sich nicht.

Info: Mehr über die Arbeit der Heidelberger Künstlerin Vera Bonsen gibt es unter www.verabonsen.com

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