Heidelberg

Uni-Rektor Eitel sieht den Wissenschaftsstandort gefährdet

Daher setzt er große Hoffnungen in den Masterplanprozess Neuenheimer Feld - Verhältnis zwischen Stadt und Uni habe sich verbessert

15.01.2018 UPDATE: 16.01.2018 06:00 Uhr 4 Minuten, 11 Sekunden

Das Neuenheimer Feld im Neckarbogen ist der naturwissenschaftliche und medizinische Campus der Universität Heidelberg. Doch wie soll die Zukunft des Campus aussehen? Wo gibt es Entwicklungsmöglichkeiten? Und wie können die Verkehrsprobleme gelöst werden? Im Masterplanprozess, der dieses Jahr startet, sucht die Stadtgesellschaft nach Antworten. Foto: Kay Sommer

Von Holger Buchwald und Denis Schnur

Heidelberg. Die Universität Heidelberg steht vor wichtigen Entscheidungen. Im ersten Teil des Jahresgesprächs mit der RNZ spricht Rektor Bernhard Eitel über das Verhältnis zur Stadtspitze und die Zukunft des Neuenheimer Feldes.

Nachdem es Konflikte um die Pläne für eine Straßenbahn im Neuenheimer Feld gegeben hat, scheinen Sie sich nun besser mit Oberbürgermeister Würzner zu verstehen. Täuscht der Eindruck?

"Das Blutgerinnsel liegt in der Berliner Straße", sagt Bernhard Eitel. Foto: Rothe

Das Verhältnis zwischen Universität und Stadt hat sich in der Tat verbessert. Zum einen ist das Bewusstsein dafür gewachsen, wie wichtig die Wissenschaftseinrichtungen für Heidelberg sind. Zudem gibt es immer mehr Berührungspunkte - sei es bei der Bewerbung um die Digitale Stadt oder der Internationalen Bauausstellung. Eine wichtige Rolle spielt auch der Erste Bürgermeister Jürgen Odszuck. Ich halte ihn für überaus kompetent, seine Handschrift ist deutlich zu erkennen. Das Tandem Würzner-Odszuck funktioniert in meinen Augen sehr gut. Außerdem haben wir im Moment keine konkrete Konfliktsituation.

In diesem Jahr soll der Masterplanprozess für das Neuenheimer Feld beginnen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer schlug aber vor, dass die Uni die entsprechende Rahmenvereinbarung nicht unbedingt mit unterzeichnen müsse.

Auch interessant
Heidelberg: Im Neuenheimer Feld muss etwas passieren
Streit um den Masterplan Neuenheimer Feld: Würzner setzt Vertragsunterzeichnung mit der Uni durch
Masterplan Neuenheimer Feld: Einigung im Heidelberger Gemeinderat stand auf Messers Schneide
"Masterplan Neuenheimer Feld": Zu Fuß, mit der Bahn oder dem Rad
Rahmenvereinbarung im Ausschuss abgelehnt: Masterplan für das Neuenheimer Feld droht zu scheitern
Masterplan Neuenheimer Feld: Viel Raum für hitzige Diskussionen
Masterplan für den Feld-Campus: Die Universität Heidelberg wird nicht entmachtet

Damit wollte sie aber nicht die Universität ausbooten, sondern sicherstellen, dass auch ihr Ministerium in den Prozess eingebunden wird. Dass das Land stark einbezogen werden möchte, ist nachvollziehbar. Die Bauten im Neuenheimer Feld sind Wissenschaftsimmobilien - mit einem Wert in Milliardenhöhe. Im Übrigen hat Oberbürgermeister Würzner zu Recht darauf beharrt, dass die Universität als eigenständiger Rechtsträger die Vereinbarung mit unterzeichnen sollte. So kam es ja auch.

Im Masterplanprozess wurde das Kündigungsrecht der Universität abgeschwächt. Haben Sie deshalb Bedenken?

Wir können jederzeit den Prozess verlassen. Ob das nun in der Rahmenvereinbarung steht oder nicht. Wir gehen aber davon aus, dass der Masterplanprozess in die Zukunft weisen soll und der Bestand des Neuenheimer Feldes sowie das bestehende Baurecht nicht angetastet werden. Wir sollten diese Chance nutzen.

Hintergrund

Bernhard Eitel wurde 1959 in Karlsruhe geboren und kam im Jahr 2001 als Direktor des Geographischen Instituts und ordentlicher Professor an die Universität Heidelberg. 2007 wurde er zum Rektor der Ruperto Carola gewählt. Im Dezember 2012 wurde er vom Senat

[+] Lesen Sie mehr

Bernhard Eitel wurde 1959 in Karlsruhe geboren und kam im Jahr 2001 als Direktor des Geographischen Instituts und ordentlicher Professor an die Universität Heidelberg. 2007 wurde er zum Rektor der Ruperto Carola gewählt. Im Dezember 2012 wurde er vom Senat für weitere sechs Jahre in diesem Amt bestätigt. In dieser Funktion vertritt er die Universität nach innen und außen und übt das Hausrecht aus. In seinem Verantwortungsbereich liegen die Hochschulentwicklung sowie die strategische Ausrichtung der Universität und das Fundraising. Er ist zuständig für Berufungen und verantwortlich für die Exzellenzinitiative. Zudem ist er Vorsitzender des Senats und seiner Ausschüsse. hob

[-] Weniger anzeigen

Mit dem kürzlich verstorbenen Prof. Meusburger haben Sie einen wichtigen Mitstreiter verloren.

Er fehlt. Er war ein sehr engagierter Bürger, der versucht hat, auf Grundlage seines fundierten Wissens und seiner Autorität Diskussionsanstöße zu geben. Prof. Meusburger hat versucht, die Interessen der Stadt, der Universität, der Kliniken und anderer Forschungseinrichtungen, aber auch der Gärtner im Handschuhsheimer Feld objektiv zu beleuchten und zu fragen: Was, liebe Bürger, ist Euch wichtiger? Oder wie kann man die unterschiedlichen Bedürfnisse unter einen Hut bringen?

Wieso sind die Antworten auf diese Fragen so wichtig?

Wir hatten gerade erst eine IBA-Veranstaltung, in der es um "Knowledge Pearls" ging, mittelgroße Städte, die stark von der Wissenschaft geprägt sind. Das schwedische Lund und das belgische Leuven sind solche Beispiele. Wenn man sieht, was sich an diesen Standorten in den letzten Jahren in der Entwicklung der Forschungsbauten getan hat, sieht man, wie gefährdet der Standort Heidelberg ist. Keiner plant, alle Freiflächen bis Dossenheim zu bebauen. Das zu behaupten, wäre völliger Unsinn. Aber umgekehrt sagen wir auch: Wenn sich gar nichts mehr bewegen darf, würde das das Ende für die Heidelberger Wissenschaft bedeuten.

Wie kann man den Verkehrsinfarkt im Neuenheimer Feld beseitigen?

Das Blutgerinnsel liegt nicht im Neuenheimer Feld, sondern in der Berliner Straße. Fast der komplette Nord-Süd-Verkehr in Heidelberg wird über diese Straße geführt. Alle paar Meter gibt es eine Ampel. Dass bei dem dadurch verursachten Stau der Verkehr nicht mehr aus dem Neuenheimer Feld abfließen kann, ist doch klar.

Das liegt aber auch daran, dass es auf dem Campus immer mehr Verkehr gibt.

Natürlich haben wir dort einen höheren Quell- und Zielverkehr als noch vor 30 Jahren. Anstatt aber für eine Entlastung zu sorgen, hat die Stadt in der gleichen Zeit die zweite wichtige Nord-Süd-Verbindung über die Theodor-Heuss-Brücke und durch Neuenheim zurückgebaut.

Was tun?

Ich bin kein Verkehrsplaner. Das ist eine städtische Aufgabe. Ich glaube aber, dass in den letzten 20 Jahren viele Vorschläge und Möglichkeiten ausgiebig diskutiert wurden. Man kann über einen Nordzubringer für das Neuenheimer Feld sprechen. Oder über eine Fünfte Neckarquerung. Oder man könnte den Campus auch über die Straße am Klärwerk verlassen. Eine weitere Möglichkeit wäre der Ausbau des Klausenpfades. Ob man das alles will oder nicht, ist eine politische Entscheidung. Die Stadt muss sich überlegen, wie sie mit der Berliner Straße umgehen will. Eine Fünfte Neckarquerung würde den Campus zwar entlasten, den Stau in der Mittermaier- und Berliner Straße hätten wir aber wohl trotzdem.

In Heidelberg gibt es viele exzellente Wissenschaftler. Wäre es für diese nicht eine schöne Aufgabe, kreative Lösungsvorschläge zu erarbeiten?

Stellen Sie sich doch mal vor: Irgendjemand der Universität hätte sich hingestellt und gesagt, wir machen jetzt einmal ein Verkehrskonzept für Heidelberg. Da wäre der Gemeinderat ungespitzt durch die Decke gegangen. Ich bleibe dabei: Es gibt eine klare Aufgabenverteilung. Die Planungshoheit, die Aufgabe und die Pflicht, für die verkehrliche Anbindung der wissenschaftlichen Einrichtungen zu sorgen, liegt bei der Stadt. Unser Job ist es hingegen, die Stadtgesellschaft für unsere Exzellenzstrategie zu gewinnen. Sonst muss sich in ein paar Jahren niemand mehr über Verkehrsprobleme Gedanken machen.

Eine Lösung wäre ein "emissionsarmes Massenverkehrsmittel". Das soll laut Rahmenvereinbarung geprüft werden.

Das war der Wunsch der Ministerien. Emissionsfrei heißt aber, das Verkehrsmittel darf die Wissenschaftseinrichtungen nicht so belasten wie es eine Straßenbahn durch die Straße "Im Neuenheimer Feld" getan hätte. Auch im schwedischen Lund war eine Bahn durch den naturwissenschaftlichen Campus geplant. Die Trasse wurde aber mit Rücksicht auf die Forschungseinrichtungen verlegt. Das zeigt, dass wir in Heidelberg nicht so falsch liegen. Die Busse, die man heutzutage im "Feld" findet, sind tolerierbar, weil sie luftgefedert auf Reifen fahren. Ich könnte mir auch mit Erdgas oder Wasserstoff betriebene Shuttle-Busse vorstellen.

Eine Schwebebahn wäre schön.

Aber auch die benötigt Kabel und sorgt für Elektrosmog. Ich weiß auch nicht, ob eine Schwebebahn so attraktiv ist, wenn Sie sich die Beispiele in Dortmund oder Wuppertal anschauen. Außerdem frage ich mich: Wo bitte sollte der Park-and-Ride-Parkplatz entstehen?

Abgesehen vom Neuenheimer Feld, was wünschen Sie sich von der Stadtpolitik?

Ganz allgemein wünsche ich mir noch mehr Verständnis für die Anliegen der Wissenschaft und Bewusstsein für deren Bedeutung für die Zukunft der Stadt. Das fängt mit kleinen Schritten an, zum Beispiel mit einer besseren Beschilderung der universitären Einrichtungen. Wenn Besucher über die Speyerer Straße nach Heidelberg fahren, gibt es keinen Hinweis auf die Universität. Zudem würden wir auf dem Campus gerne Hinweisstelen aufstellen, damit die Besucher wissen, dass sie sich auf universitärem Gelände befinden. So wie das auch jede Tankstelle darf.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.