Uni Heidelberg fühlt sich "als Bittsteller und Problem wahrgenommen"

Uni-Rektor Bernhard Eitel beklagt im RNZ-Gespräch mangelnde Unterstützung - Was er fordert, was ihn freut, was ihn befremdet

20.02.2017 UPDATE: 21.02.2017 06:00 Uhr 5 Minuten, 20 Sekunden

Rechts der Forschungscampus, links die Landwirtschaft: Die Zukunft des Neuenheimer und Handschuhsheimer Feldes wird derzeit heiß diskutiert. Foto: Lossen/Eisnecker

Von Holger Buchwald und Denis Schnur

Wie geht es weiter mit dem Forschungscampus im Neuenheimer Feld? Nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Planfeststellungsbeschluss für die Straßenbahn aufgehoben hat, stehen Stadt und Universität schwierige Verhandlungen bevor. Beide Seiten müssen sich zunächst auf eine Rahmenvereinbarung verständigen, bevor der Masterplanprozess starten kann. Im RNZ-Gespräch erklärt Universitätsrektor Bernhard Eitel, was er von der Stadt erwartet - und wieso die Zusammenarbeit mit einer Nachbarstadt Heidelbergs viel einfacher ist.

Mit dem Straßenbahnstreit haben Uni und Stadt viel Porzellan zerschlagen. Sind die Scherben inzwischen gekittet?

"Wir müssen auch über eine Erweiterung in Teilen des Handschuhsheimer Feldes sprechen." Universitätsrektor Bernhard Eitel zeigt im RNZ-Gespräch, wo’s langgeht. Fotos: Philipp Rothe

Also, ich glaube nicht, dass die Uni Porzellan zerschlagen hat. Wir haben lediglich unsere Rechte wahrgenommen. Und der Verwaltungsgerichtshof hat bestätigt, dass wir Recht haben. Was wir jetzt erwarten, ist, dass man unsere Position zur Kenntnis nimmt und die durch das Urteil bestätigten Anliegen berücksichtigt.

Glauben Sie, dass die Kommunalpolitiker nun gelernt haben, die Argumente der Universität ernster zu nehmen?

Ich denke schon, dass man in der Stadtbevölkerung nun besser versteht, unter welchen Zwängen die Universität steht - dass die wissenschaftlichen Einrichtungen Entwicklungspotenziale benötigen. Das ist auch den im Gemeinderat vertretenen Fraktionen inzwischen bewusst geworden. Es ist schön, dass man vermehrt die Bedeutung und die Chancen, die Heidelberg als dynamischer Universitätsstandort hat, wahrnimmt.

Stadt und Universität führen gerade Verhandlungen für eine Rahmenvereinbarung zum Masterplan. Wie weit sind Sie inzwischen gekommen?

Wir haben Vorschläge gemacht. Die Stadt und die zuständigen Ausschüsse im Gemeinderat haben darüber beraten und uns die Ergebnisse wieder zurückgespiegelt, was wiederum von uns - also von Universität und Land - geprüft wird.

Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht?

Nein. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen. Es geht um die Frage, ob wir die Vereinbarung nur als gemeinsame Zielsetzung verstehen, oder ob wir einen konkreten Rahmen abstecken müssen, ohne den keine Vereinbarung getroffen werden kann.

Wie sehen Sie das?

Ich glaube schon, dass wir einen Rahmen brauchen. Wenn wir nämlich einen völlig amorphen, ergebnisoffenen Prozess starten und nicht einmal sagen, in welche Richtung er gehen soll, kann der Masterplanprozess sehr schwierig werden.

Die Flächen im Neuenheimer Feld sind begrenzt. Wo sehen Sie Erweiterungspotenzial? Nachverdichtung auf dem Campus oder doch eine Teilbebauung des Handschuhsheimer Feldes?

Es gibt drei Komponenten. Die erste ist, auf dem bestehenden Campus höher und dichter zu bauen. Das machen wir ja bereits, indem wir alte Gebäude durch neue ersetzen - so wie bei den Marsilius-Arkaden. Allerdings können wir nicht unbegrenzt nachverdichten. Wir dürfen den Campus, der schöner und lebenswerter ist als viele wissen, als Kommunikationsraum nicht zerstören. Die zweite Komponente ist die Erweiterung auf bestehenden Flächen. Nach unseren Berechnungen funktioniert das bis ins Jahr 2050, wenn wir nördlich des Klausenpfads die an die Sporteinrichtungen angrenzende landeseigene Fläche, für die wir schon Baurecht haben, mit dazu nehmen. Und dann gibt es noch die dritte Option, dass wir in zusätzliche Flächen gehen. Das kann auch innerhalb des Neckarbogens sein. Die Grünen haben ja jetzt ein Papier verabschiedet, in dem sie die Verlagerung von Einrichtungen aus dem Neuenheimer Feld vorschlagen. Ich begrüße, dass das Papier offenhält, dass neben universitären Einheiten auch andere Einrichtungen mit diesem Schritt gemeint sein können.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer konnte sich bei der Vorstellung des Positionspapiers auch die Verlagerung der Pädagogischen Hochschule und der Jugendherberge vorstellen.

Genau das ist mein Punkt. Die Grundlagenforschung und die Naturwissenschaften müssen auf dem Campus bleiben, anderes kann verlagert werden. Das Südasien-Institut zieht in zwei Jahren ins "Centre for Asian and Transcultural Studies" nach Bergheim. Aber viel mehr können wir als Universität gar nicht verlegen. Ganz anders sieht das auch mit städtischen Einrichtungen aus. Der Technologiepark ist zum Beispiel im Neuenheimer Feld sehr beengt. Doch eines muss man auch klarstellen: Wenn wir ergebnisoffen an den Masterplan herangehen wollen, müssen wir auch über eine Erweiterung in Teilen des Handschuhsheimer Feldes sprechen. Nicht in dem Sinne, dass wir dort jetzt alle Gärtner vertreiben wollen, sondern dass die wissenschaftlichen Einrichtungen, und dazu gehört auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), dort in einigen Jahrzehnten einige zusätzliche Grundstücke bekommen.

Viele Stadträte würden es lieber sehen, wenn sich die Universität stärker bei der Konversion engagierte und mehr auf die ehemaligen US-Flächen ginge.

Das geht nur begrenzt. Sie können die Grundlagenforschung nicht auseinanderreißen, denn das ist unser Alleinstellungsmerkmal, dass die Wissenschaftler so nah bei- und miteinander arbeiten. Mit den Patton Barracks oder anderen Konversionsflächen habe ich überhaupt kein Problem, wenn es um Forschung, Entwicklung und "Industry on Campus"-Projekte geht. Aber gerade Patton oder andere Konversionsflächen wären doch auch für eine Verlagerung des Technologieparks, immerhin eine städtische Gesellschaft, geeignet. Das ist etwas, was mich befremdet. Von uns erwartet man schon jetzt vor dem Masterplanprozess eine Festlegung und ein klares Konzept, wo wir hingehen. Aber die Frage ist doch: Wie will die Stadt der medizinischen und naturwissenschaftlichen Grund᠆lagenforschung mehr Flächen beschaffen?

Diese Frage könnte auch die Uni beantworten. Sie hat ja den Flächenbedarf.

Wissen Sie, immer wenn die Wissenschaft einen Bedarf hat, ist das für die Stadt ein Problem. An anderen Standorten - wie in Mannheim - werden wir geradezu eingeladen, die Institute voranzubringen. Die medizintechnischen Aktivitäten der Uni Heidelberg etwa finden inzwischen in Mannheim statt. Die Stadt unterstützt uns dort, widmet dem eigene Flächen neben denen des Landes. In Heidelberg hingegen werden die Universität und die anderen Wissenschaftseinrichtungen oft nur als Bittsteller und sogar als Problem wahrgenommen.

Nun, die Stadt würde Sie schon mehr unterstützen, wenn Sie auch bereit wären, sich in der Konversion zu engagieren.

Aber das tun wir doch schon. Die Organische Elektronik ist in der Speyerer Straße und hat Perspektiven in den Patton Barracks. Die Konversion des Altklinikums in Bergheim zu einem sozial- und kulturwissenschaftlichen Campus mit Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe läuft. Andere Projekte müssen wir jedoch im Neuenheimer Feld realisieren. So haben wir unseren Antrag "Simulation und Optimization" mit Industriebeteiligung im Rahmen der Forschungscampus-Initiative des Bundesforschungsministeriums erst gar nicht gestellt, denn das Projekt hätten wir nur in direkter Nachbarschaft des Instituts für Wissenschaftliches Rechnen umsetzen können - und dort ist kein Platz. Stattdessen ging unser Medizintechnik-Antrag für Mannheim durch. Dort werden jetzt Schritt für Schritt viele Millionen Euro investiert. In Heidelberg haben wir es derzeit schwer, die Grundlagenforschung schneller in die industrielle Anwendung zu bringen.

Eines der größten Probleme im Neuenheimer Feld ist der Verkehr. Wie wollen Sie die Situation verbessern?

Alle Vorschläge sind bekannt und ausreichend diskutiert. Im Süden haben wir Konsens mit der Fuß- und Radwegebrücke über den Neckar. Aber wir diskutieren diesen Steg schon seit zehn Jahren. Seitdem ist nichts passiert. Im Westen gibt es nur eine Option: Die Brücke nach Wieblingen. Wenn man sie will, muss man sie bauen, wenn nicht, lässt man es bleiben. Das Gutachten, dass in diesem Naturschutzgebiet keine Brücke gebaut werden darf, das sagen mir alle Rechtswissenschaftler, ist längst zu überprüfen. Nach Norden gibt es nur den Nordzubringer, hinten an der Kläranlage, am Springer-Verlag vorbei und weiter 200 Meter durchs Handschuhsheimer Feld. Man müsste dort nur die Trasse verbreitern. Niemand will ja mitten durchs Handschuhsheimer Feld. Und im Osten könnte man die Berliner Straße ertüchtigen.

Was meinen Sie damit?

Zum Beispiel könnte man dort erst einmal eine grüne Welle einrichten. Die Verkehrsprobleme zu Stoßzeiten verdeutlichen das Problem des Nord-Süd-Verkehrs durch Heidelberg. Dabei gehen meines Wissens nur etwa 45 Prozent des Quell- und Zielverkehrs vom Neuenheimer Feld aus.

Das ist doch ganz schön viel.

Ja, aber 55 Prozent wollen vom Norden in den Süden oder umgekehrt. Wenn die Stadt die zweite Nord-Süd-Achse über den Bismarckplatz zurückbaut, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn die einzig verbleibende überlastet ist.

Was ist mit Massentransportmitteln?

Die meisten Studenten fahren mit Fahrrad oder Straßenbahn, da die Institute bewusst vorne in der Nähe der Berliner Straße liegen. Für das restliche Neuenheimer Feld reicht der Busverkehr aus. Nur wenige Fahrzeuge sind zu den Stoßzeiten überfüllt. Für eine Straßenbahn als Alternative bliebe nur die Klausenpfadtrasse, und diese ist politisch nicht gewünscht, weil man angeblich Angst hat, dass die Universität sich auf das Handschuhsheimer Feld ausdehnt. Dabei könnte die Stadt das jederzeit verhindern. Schließlich hat sie die Planungshoheit. Aber offenbar haben die Gärtner wenig Vertrauen in ihren Gemeinderat.

Info: Der Rektor über Studiengebühren, die Exzellenzinitiative und sein Verhältnis zur Wissenschaftsministerin - demnächst in Teil zwei des RNZ-Gesprächs.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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