Heidelberger Campusbahn scheitert am Bebauungsplan von 1960
Die Universität saß am längeren Hebel - Richter: "Regierungspräsidium hat seinen gesetzlichen Auftrag nicht erfüllt"

Foto: Alex
Von Holger Buchwald
Der Streit um die Campus-Bahn dauert schon zweieinhalb Jahrzehnte. 1994 fasste der Heidelberger Gemeinderat erstmals einen Grundsatzbeschluss, dass das Neuenheimer Feld mit einer Straßenbahn erschlossen werden soll. Doch mit der gestrigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, ist das Nahverkehrsprojekt in den Augen von Oberbürgermeister Eckart Würzner auf absehbare Zeit gestorben. Die RNZ hat die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Projekt zusammengestellt.
Warum wollen Stadt und Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) unbedingt die Straßenbahn?
Sie wollen dadurch vor allem das Angebot für die Fahrgäste verbessern und hoffen, dass mehr Pendler vom Auto auf den Nahverkehr umsteigen. In den letzten acht Jahren ist die Anzahl der Beschäftigten im Campus nämlich um 36 Prozent, die der ambulanten Besucher der Universitätskliniken um 25 Prozent gestiegen. "Ohne die Straßenbahn droht der Verkehrskollaps", warnt Würzner seit Jahren. Schon jetzt befördert die RNV in ihren Bussen rund 7000 Fahrgäste täglich ins Neuenheimer Feld. Mit der Bahn könnte diese Zahl auf 10.000 gesteigert werden, so die Prognose. In einen Gelenkbus passen bis zu 100 Fahrgäste, in eine Straßenbahn 250. Laut der letzten Verkehrszählung saßen in jedem Auto auf dem Campus durchschnittlich 1,1 Personen.
Warum kommt für RNV und Stadt Heidelberg eine Trasse durch den Klausenpfad nicht infrage?
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Im Norden dieser Trasse befindet sich das Handschuhsheimer Feld. "Wir müssen doch dort hinfahren, wo die Menschen hinwollen", so Martin in der Beek, Technischer Geschäftsführer der RNV. Mit einer Gleisführung durch den Klausenpfad könnte die Haltestelle "Geowissenschaften" nicht mehr bedient werden.
Warum wehren sich die Uni und die Max-Planck-Gesellschaft gegen die von Stadt und RNV favorisierte Trasse?
Bei den Geowissenschaften und im Physikalisch-Chemischen Institut befinden sich hochempfindliche Geräte, die von den Erschütterungen der Straßenbahn und durch die elektromagnetischen Felder gestört werden könnten. Vor allem geht es der Universität aber um die Zukunftsperspektive für den Campus und damit um die Wissenschaftsfreiheit: Mögliche Erweiterungsflächen der Ruperto Carola könnten durch den Bau einer Straßenbahn beeinträchtigt werden, so die Befürchtung. Grundsätzlich sei eine Randerschließung des Forschungsgeländes über den Klausenpfad wesentlich besser. Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht wehrt sich gegen den Planfeststellungsbeschluss, weil die neue Straßenbahn über sein Gelände führen würde.
Warum war ein Kompromiss nicht möglich?
Weil es um die grundsätzliche Frage geht, ob die Universität auf ihrem Gelände, das ihr laut Bebauungsplan von 1960 als Entwicklungsfläche zusteht, Nahverkehrsprojekte überhaupt dulden muss. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat diese Frage verneint. Daher saß die Ruperto Carola im Rechtsstreit am längeren Hebel. Es ging gar nicht mehr um die Frage, ob eine schwingungsarme Schienenlagerung oder die oberleitungsfreie Super-Cap-Technologie zum Einsatz kommen sollte, sondern vor allem um formale Fragen.
Warum ist das Nahverkehrsprojekt letztendlich gescheitert?
Der VGH wirft dem Regierungspräsidium (RP) als Genehmigungsbehörde vor, seinen "gesetzlichen Auftrag" nicht erfüllt zu haben und sich kein eigenes Bild über mögliche Planungsalternativen gemacht zu haben. Stattdessen habe man unkritisch die Behauptungen der RNV übernommen. Der Planfeststellungsbeschluss sei "nicht plausibel und nachvollziehbar" hatte ein Richter während der mündlichen Verhandlung bemängelt.
Wie geht es jetzt weiter?
Das weiß keiner. Die Universität begrüßt in einer Stellungnahme die Entscheidung des Gerichts und fühlt sich in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, betont aber zugleich, dass sie eine Straßenbahn keinesfalls grundsätzlich ablehne. Würzner fordert, dass im Rahmen des Masterplans Neuenheimer Feld alle Beteiligten zusammenarbeiten und eine neue Grundlage für die kommenden 30 Jahre schaffen. "Die Universität und alle Akteure dort brauchen eine klare Perspektive." Das Regierungspräsidium wiederum will prüfen, ob es gegen die Entscheidung des VGH beim Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittel einlegt.