Tourismuszahlen in Heidelberg: "Es gibt keinen Einbruch"
Weniger Besucher aus Übersee – Allerdings war 2015 ein Rekordjahr für den Heidelberger Tourismus – Die RNZ im Gespräch mit Heidelbergs Marketing-Chef Mathias Schiemer

Über zu wenige Touristen muss sich Heidelberg nicht beklagen. Das Foto entstand gestern Vormittag. Foto: Joe
Von Anica Edinger
Die Meldung klang dramatisch: "Terrorgefahr in Deutschland: Baden-Württemberg bangt um Touristen", schrieb Anfang dieser Woche etwa die Stuttgarter Zeitung - und griff damit eine Nachricht der Deutschen Presseagentur auf. Am Beispiel Heidelbergs wollte die zeigen: Touristen, vor allem aus Übersee, trauen sich nicht mehr nach Deutschland. Zu groß sei die Angst vor Terroranschlägen, bestärkt etwa durch die Gewalttaten in Würzburg oder in Ansbach. Mathias Schiemer, Geschäftsführer der Heidelberg Marketing GmbH, kennt die Tourismus-Zahlen der Stadt - und er beruhigt: So schlimm ist das alles gar nicht. Dennoch mahnt Schiemer: "Bei Großveranstaltungen müssen wir die Augen offen halten."
Hintergrund
Der Tourismus in Heidelberg ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die Stadt. Das ergab erst im vergangenen Jahr eine Studie der "dwif-Consulting" GmbH aus München. Denn die Touristen lassen oft viel Geld in der Stadt - laut Studie pro Kopf und Tag rund 42 Euro.
Der Tourismus in Heidelberg ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die Stadt. Das ergab erst im vergangenen Jahr eine Studie der "dwif-Consulting" GmbH aus München. Denn die Touristen lassen oft viel Geld in der Stadt - laut Studie pro Kopf und Tag rund 42 Euro. Profiteure sind dabei vor allem die Gastronomie (42,3 Prozent), der Einzelhandel (37,3 Prozent) aber auch touristische Dienstleister (20,4 Prozent). Laut dwif macht das insgesamt einen Bruttojahresumsatz in Höhe von rund 535 Millionen Euro aus. Dabei sind die Tagestouristen diejenigen, die am meisten Geld ausgeben. Für Heidelberg ermittelte dwif-Consulting elf Millionen Aufenthaltstage durch Tagestouristen. In der Hotellerie sind Geschäftsreisende die dominierende Gruppe.
> Absolutes Rekordjahr war das Jahr 2015: Insgesamt 1 388 824 Übernachtungsgäste kamen da nach Heidelberg. Im Vergleich zum Vorjahr - also 2014 - war das eine Steigerung um 14,1 Prozent - also um absolut 171 624 Übernachtungen. Damit verzeichnete Heidelberg die höchste Zuwachsrate in ganz Baden-Württemberg - und zugleich die höchste Übernachtungszahl in der Geschichte der Stadt.
Die Bettenauslastung erhöhte sich damit auf 55,6 Prozent.
Die deutschen Gäste gaben dabei den Ausschlag: Sie übernachteten vergangenes Jahr 113 240 Mal öfter in Heidelberg als 2014 - also ein Plus von 15,6 Prozent.
USA-Gäste verzeichneten ein Übernachtungsplus von 12,5 Prozent.
China katapultierte sich mit 63,1 Prozent mehr Übernachtungen auf Platz fünf der wichtigsten Auslandsmärkte.
Schweizer übernachteten 2015 rund 38 600 Mal in Heidelberg.
Niederländer entschieden sich rund 27 000 Mal für eines der Heidelberger Hotels.
Bei spanischen Gästen stand Heidelberg im Jahr 2015 offenbar ganz oben auf der Liste, der Städte, die man mal gesehen haben muss: Die Zahlen steigerten sich um rund 87 Prozent - "eine regelrechte Explosion", wie Heidelberg Marketing damals meldete.
Bei den Japanern dagegen sanken die Zahlen 2015: Sie übernachteten um 12,9 Prozent weniger in der Stadt - absolut also minus 15 012 Übernachtungen.
Ebenso die Russen: Die Übernachtungszahlen stürzten um 28 Prozent ein. ani
Herr Schiemer, steht die Tourismusbranche in Heidelberg kurz vor dem Zusammenbruch?
Auf keinen Fall. Ich glaube, es kann in den Zahlen für das Jahr 2016 am Ende eine Veränderung geben, aber das ist kein Einbruch. Die Hotels sind zufrieden. Am vergangenen Wochenende haben Sie wegen der Formel 1 kein Zimmer mehr in der Stadt bekommen. Das war der Wahnsinn.
Was vermuten Sie denn, verändert sich?
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Wir können jetzt schon beobachten, dass die Zahlen für den Zeitraum Januar bis Mai dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen sind. Bei den Asiaten etwa um zehn Prozent und bei den US-amerikanischen Gästen um 0,1 Prozent.
Das hört sich aber doch ziemlich moderat an.
Man muss dazu auch wissen: Wir bewegen uns auf einem sehr hohen Niveau. Im vergangenen Jahr hatten wir ein Plus an Übernachtungsgästen in Höhe von 14 Prozent - so viel, wie noch nie zuvor. Überhaupt kamen 2015 80 Millionen Touristen nach Deutschland. Das ist eine beeindruckende Zahl. Da kann es schon einmal sein, dass es im kommenden Jahr etwas zurückgeht. Auch die Lufthansa bestätigte erst diese Woche, dass es weniger Buchungen von Fluggästen aus Übersee nach Deutschland gibt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Zahlen der deutschen Touristen steigen: im Zeitraum von Januar bis Mai in Heidelberg nämlich um rund sieben Prozent.
Kann man den leichten Rückgang der Gästezahlen aus Übersee kausal auf Terrorangst zurückführen?
Natürlich kann das auch andere Gründe haben. Die Japaner entdecken zurzeit etwa ihr eigenes Land. Wir wissen aber auch, dass es beispielsweise in China konkrete Warnungen vor Reisen nach Deutschland gibt.
Haben Sie persönlich Angst vor Terror in Heidelberg?
Ich bin der Meinung: Es gibt keinen Fleck auf der Welt, der noch sicher ist. Aber in Heidelberg gibt es keine Terrorangst. Man muss trotzdem die Augen offen halten. Denn eine Definition für ein Ziel der Anschläge gibt es auch nicht mehr. Wer hätte schon gedacht, dass so etwas in Ansbach, auf der Promenade des Anglais im südfranzösischen Nizza oder in Würzburg passieren würde.
Sie sagen, man müsse "die Augen offen halten". Was konkret bedeutet das etwa für Großveranstaltungen wie den "Heidelberger Herbst", der dieses Jahr am 24. und 25. September stattfinden wird?
Wir stehen im ständigen Kontakt mit der Polizei - und auch beim "Heidelberger Herbst" wird es ein erhöhtes Polizeiaufkommen geben. Man muss dabei etwa die Eingangswege vermehrt kontrollieren. Aber Panik ist nicht angebracht. Die Sicherheit der Bürger steht an höchster Stelle. Sie zu gewährleisten, ist bei diesen Veranstaltungen die Aufgabe aller Institutionen. Auch, wenn es nie eine 100- prozentige Garantie geben kann.