Rund 100 Besucher verfolgten Frankreich-Wahl
Keiner war für Le Pen: Sie sind leidenschaftliche Europäer und erleichtert über den Macron-Sieg

Der Saal im Montpellier-Haus war voll besetzt. Foto: Philipp Rothe
Von Stefan Meyer
Um Punkt 20 Uhr brandet am Sonntag im Montpellier-Haus Jubel auf. Erleichtert schauen Franzosen wie Deutsche auf die Leinwand, wo der französische Sender TF1 soeben das vorläufige Wahlergebnis verkündet hat: 65 Prozent für Emmanuel Macron, 35 Prozent für Marine Le Pen. Die Menschen klatschen, nehmen einen tiefen Schluck aus ihren Weingläsern und sagen sich mit vielsagenden Blicken: Alles noch einmal gut gegangen. Die nationalistische Kandidatin hat verloren.
Wie viel bei dieser Wahl auf dem Spiel stand, zeigt sich nicht zuletzt am Besucherandrang. Mehr als 100 Menschen haben den Weg ins Montpellier-Haus gefunden. Vor fünf Jahren war es gerade einmal die Hälfte, und auch im ersten Wahlgang vor zwei Wochen nicht mehr als 70. Die Kräfteverhältnisse sind dabei eindeutig: Kein einziger Besucher lässt sich Sympathien für den Front National anmerken. Stattdessen gibt es Spott und sogar Buhrufe, als Marine Le Pen nach ihrer Wahlniederlage vor die Kameras tritt. Nein, das Montpellier-Haus ist voller leidenschaftlicher Europäer und ab 20 Uhr voller erleichterter Menschen.
Auch Thierry Stöckel ist mit dem Ausgang der Wahl sichtlich zufrieden. "Marine Le Pen bedeutet für mich alles, was ich hasse: dieser Rassismus, dieser Fremdenhass! Ich kenne die Familie Le Pen seit Jahrzehnten, und sie steht genau in dieser Linie.
Überhaupt keine Frage, dass ich für Macron war. Er ist wie ich ein überzeugter Europäer, und er ist jung. Für mich bedeutet er die Zukunft", verrät der Erste Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters. Zumal ihm die parteiliche Unabhängigkeit des neuen Präsidenten gefällt. "Ich habe genug von dem ewigen Kampf zwischen rechts und links in Frankreich. Es geht einfach nicht, ich finde das so primitiv. Es gibt rechts und links sehr gute Leute, die zusammenarbeiten müssen. Ich hoffe, Macron schafft das. Es wird wahrscheinlich schwierig, aber ich glaube und hoffe, dass die Leute klug genug sind, einen Kompromiss zu finden und miteinander zu reden."
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Auch Erika Mursa ist die Freude über den Ausgang der Wahl anzumerken. "Ich bin zwar ein optimistischer Mensch, aber nach dem Brexit und nach Trump bin ich vorsichtig geworden und wollte nicht glauben, dass es klappt. Jetzt bin ich so froh und habe den Glauben an die Franzosen und deren Vernunft wieder voll und ganz wiedererlangt", erklärt die Vorsitzende des Deutsch-Französischen Kulturkreises (DFK) - zumal Emmanuel Macron schon in der ersten Runde ihr Favorit war.
Dennoch blickt sie sorgenvoll in die Zukunft. "Wenn es Macron jetzt nicht gelingt, die Gesellschaft wirklich grundsätzlich zu erneuern und nicht nur die Gräben zwischen links und rechts zu schließen, sondern auch zwischen der sogenannten Elite und denen, die überhaupt keine Chancen haben in dieser Gesellschaft - wenn es ihm nicht gelingt, das in fünf Jahren deutlich zu verbessern, dann stehen wir wahrscheinlich wieder genauso da wie jetzt", betont Mursa. Gerade die Jugendarbeitslosigkeit sei eines der größten Probleme, die Macron in den Griff bekommen müsse.
In eine ähnliche Kerbe schlägt Karla Jauregui, die Leiterin des Montpellier-Hauses. "Ich bin auf jeden Fall erleichtert, weil es absolut unmöglich und undenkbar gewesen wäre, dass Le Pen gewinnt. Das wäre der Niedergang von Frankreich gewesen und für Europa sicherlich unheimlich schwierig geworden."
Mit Blick auf die im Juni anstehenden Parlamentswahlen äußert jedoch auch sie sich sorgenvoll. "Besonders auf dem Land hat Le Pen sehr viele Stimmen bekommen, und ich befürchte, dass sie bei den Parlamentswahlen leider unheimlich viele Sitze gewinnen wird. Im Französischen spricht man von einem ,raz-de-marée’. Das ist, wenn eine Art Tsunami kommt."
Für Macron sieht sie daher Ärger aufziehen. "Es wird sicherlich nicht so schön werden, wie viele glauben. Was seine Arbeitsmarktreform angeht, wird es viele Demos und Streiks geben. Außerdem ist die Gesellschaft gespaltener als früher. Das könnte zu Konfrontationen führen."