Heidelberger Altstadt: Schläger und Gröler sind länger unterwegs

Seitdem die Kneipen länger öffnen dürfen, registrieren Polizei und Stadt mehr Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

15.02.2016 UPDATE: 16.02.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden

Auch die Polizei registrierte wieder mehr Straftaten in der Altstadt. Archiv-Foto: Sven Hoppe

Von Holger Buchwald

Mehr Lärm, mehr Dreck, aber auch mehr alkoholisierte Schläger - all das verzeichneten Polizei und Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) 2015 für die Heidelberger Altstadt. Zwölf Monate nach Verlängerung der Kneipenöffnungszeiten (siehe "Hintergrund") liegen nun die Zahlen sowie die Stellungnahmen der Anwohner und Gastwirte vor. Am 23. Februar diskutiert der Bezirksbeirat Altstadt als erstes über das Thema - noch geht es dabei nur um eine Informationsvorlage, ohne Beschlussempfehlung, wie es weitergehen soll.

Hintergrund

Die Sperrzeitregelung für die Heidelberger Altstadt bestand bis 31. Dezember 2014. Sie besagte, dass die Gaststätten werktags um 2 Uhr und am Wochenende um 3 Uhr schließen müssen. Nach einer langen Diskussion um Kneipenlärm, Dreck und Randale setzte sich aber

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Die Sperrzeitregelung für die Heidelberger Altstadt bestand bis 31. Dezember 2014. Sie besagte, dass die Gaststätten werktags um 2 Uhr und am Wochenende um 3 Uhr schließen müssen. Nach einer langen Diskussion um Kneipenlärm, Dreck und Randale setzte sich aber eine Gruppe von jungen Stadträten im Gemeinderat durch und kippte die Sonderregelung. Seit 1. Januar 2015 gelten auch in der Altstadt die üblichen Zeiten für Baden-Württemberg: Demnach dürfen die Wirte ihre Gäste unter der Woche bis 3 Uhr und in der Nacht auf Samstag und Sonntag bis 5 Uhr bewirten. Allerdings knüpfte der Gemeinderat diese Liberalisierung an konkrete Bedingungen: Der Kommunale Ordnungsdienst müsse von acht auf zwölf Personen aufgestockt werden. Zudem sollte auch geprüft werden, ob Deeskalationsteams und ein geändertes Nachtbus-Konzept die Situation in der Altstadt noch weiter befrieden könnten. Nach einem Jahr sollte das Konzept erneut auf den Prüfstand kommen. Jetzt wird der Gemeinderat am 23. März darüber diskutieren. hob

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Dirk Geist ist als Leiter des KOD häufig in der Altstadt unterwegs und kennt die Sorgen der Anwohner. "Sie beklagen sich über Lärm bis in die frühen Morgenstunden, kurz bevor die Kehrmaschine durch die Gassen fährt. Und ich kann diese Beobachtung nur bestätigen", sagt er am Rande eines Pressegesprächs im Rathaus. Die Hoffnung, dass längere Kneipenöffnungszeiten die Besucherströme entzerren und es daher seltener zu Ruhestörungen kommt, habe sich nicht bewahrheitet. Türsteher ließen zwar keine stark alkoholisierten Nachtschwärmer mehr in die Lokale. Dies führe aber dazu, dass die Zurückgewiesenen durch die Gassen ziehen - und dabei mit anderen Gruppen in Konflikt geraten.

Die Zahlen, die Bürgeramtschef Bernd Köster für den Gemeinderat erheben ließ, scheinen Geists Einschätzung zu bestätigen. In seinem Amt gingen vergangenes Jahr 75 Lärmbeschwerden ein, 70 Prozent davon entfielen auf das Wochenende, gut 30 Prozent auf die Zeit zwischen 3 und 5 Uhr. Als "Brennpunktbereich" hat die Stadt die Gegend rund um den Marktplatz, die Untere Straße, die Ketten- und Krämergasse, aber auch die Stein- und Fischergasse identifiziert.

Auch die Polizei meint, dass sich die Situation verschlechtert hat. So nahm die Straßenkriminalität - Raub, Körperverletzung und Sachbeschädigung - laut Statistik zu. Diese Straftaten haben sich in der Altstadt von 429 in 2014 auf 571 im vergangenen Jahr erhöht, eine Steigerung von 33,1 Prozent. "Kürzere Kneipenöffnungszeiten gehen einher mit weniger Alkoholkonsum, geringeren Geräuschimmissionen und einer rückläufigen Zahl an Aggressionsdelikten", schreibt die Polizei in ihrer Stellungnahme. Seit der Liberalisierung seien die polizeilichen Kräfte über einen längeren Zeitraum im Gebiet der Altstadt gebunden. Die Ordnungsstörungen, die bei der Polizei angezeigt wurden, etwa Grölen oder "Wildpinkeln", haben 2015 im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls um 11,2 Prozent auf 336 zugenommen. Allerdings: Vor zwei Jahren registrierten die Beamten bei kürzeren Öffnungszeiten deutlich mehr Taten, nämlich 406.

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Die Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) und der Verein Alt-Heidelberg fordern eine Rückkehr zur alten Sperrzeitregelung. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hingegen ist der Auffassung, dass die Liberalisierung "nicht zu einer verstärkten gastronomiebedingten Lärmentwicklung" geführt habe. Daniel Wilson, Mitinhaber dreier Kneipen in der Altstadt, meint, die Wirte hätten ihre Hausaufgaben gemacht, um den Lärm zu verringern. Die personelle Aufstockung des KOD zeige hingegen noch kaum Wirkung. Denn die neuen Mitarbeiter mussten erst einmal ausgebildet werden.

Die Stadt hält sich mit Empfehlungen für das weitere Vorgehen zurück. Die Zunahme der Beschwerden sei auch auf die höhere Sensibilisierung der Anwohner zurückzuführen. Beim Fazit der Verwaltung bleibt daher alles beim Alten: "Es besteht ein deutlicher Zielkonflikt zwischen den Interessen der Wirte und der Gaststättenbesucher einerseits und den Interessen der Anwohner andererseits."

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