Ist das Kunst beim Adenauerplatz? Oder muss das weg?
Marina Volkova verschönerte aus Versehen die falsche Unterführung - Nun drohen der 54-Jährigen eine Anzeige und hohe Kosten

An die 20 Werke hat Marina Volkova im Sommer in der Fußgängerunterführung unter dem Konrad-Adenauer-Platz gemalt. Foto: Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Keine 200 Meter liegen zwischen der Unterführung am Friedrich-Ebert-Platz und der am Adenauer-Platz. Doch diese kurze Distanz könnte Marina Volkova teuer zu stehen kommen. Die Künstlerin war nämlich im Sommer auf der Suche nach einer Fläche, auf der sie malen darf. Doch die von der Stadt ausgewiesene Unterführung am Ebert-Platz fand sie nicht. Stattdessen landete sie unterhalb des Adenauer-Platzes und war sicher: Hier muss es sein. Die großen weißen Kacheln an der Seite des Durchgangs waren einfach perfekt, um sich dort künstlerisch zu betätigen.
"Ich habe mich gewundert, warum hier niemand gesprayt hat", erklärte Volkova im Gespräch mit der RNZ. Wahrscheinlich seien die Flächen zu klein oder die Unterführung zu schlecht belüftet, dachte sie. Bis auf Schmierereien war an den Wänden nichts zu finden. Also legte Volkova, die Anfang des Jahres in der Heidelberger Stadtbücherei ausgestellt hatte, im Juli los. Sie reinigte die Kacheln und arbeitete hier den ganzen Sommer. "Erst dachte ich, ich mache ein bis zwei Bilder", so die Künstlerin. Aber dann seien regelmäßig Leute gekommen, hätten ihre Arbeit gelobt, sich mit ihr darüber unterhalten - und hätten auf das nächste Werk gewartet. "So lebt Kunst." Sie habe den Austausch genossen. "Jeder Künstler braucht Zuschauer."
Also habe sie weiter gemacht. Drei bis vier Stunden verbrachte die 54-Jährige täglich in der Passage, bemalte die meisten Kacheln mit beeindruckenden Gemälden in dezenten Farben. Auch die Polizisten aus dem benachbarten Revier hätten sich nie beschwert.
Bis zum 7. September. Da forderten zwei Beamte sie plötzlich auf, aufzuhören. Die Fläche dürfe eben nicht legal bemalt werden. Wie ein Polizeisprecher bestätigte, sei eine Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen Volkova aufgenommen worden. Vom städtischen Amt für Abfallwirtschaft sei sie zudem darauf hingewiesen worden, dass sie möglicherweise für die Entfernung ihrer eigenen Werke aufkommen müsse - eine Arbeit, die schnell mehr als 2000 Euro kosten könnte. In der Regel ist das die Vorgehensweise der Stadtverwaltung bei unerlaubten Graffiti: Der Verursacher wird angezeigt, falls möglich für die Reinigungskosten herangezogen und sein "Werk" wird schnellstmöglich entfernt.
Nun handelt es sich bei den Bildern von Volkova aber nicht um Schmierereien an Hauswänden. Entsprechend weicht die Stadt hier offenbar zumindest von ihrem Vorsatz ab, illegale Straßenkunst sofort entfernen zu lassen. "Gestern wurde die Unterführung gereinigt, aber meine Bilder sind geblieben. Das gibt mir Hoffnung", erklärte Volkova am Donnerstag.
Die Stadtverwaltung selbst äußert sich inhaltlich noch nicht zu der Sache. Stattdessen hat Bürgermeister Wolfgang Erichson die Künstlerin zu einem Gespräch am 20. September eingeladen. "Danach informieren wir gerne über das weitere Vorgehen", so ein Stadtsprecher.
Die Künstlerin hofft nun auf Entgegenkommen der Stadt, auch wenn sie ihren Fehler einsieht: "Ich habe mich getäuscht, und dazu muss ich stehen." Und doch will sie ihren Traum nicht aufgeben, ihre Arbeit in der Unterführung abzuschließen. "Es gibt so viele Möglichkeiten. Hier könnte ein offenes Atelier für viele Künstler entstehen. Der Ort ist perfekt dafür."
Hintergrund
> Legale Graffiti sind in Heidelberg durchaus möglich. Die Stadt hat neun Flächen ausgewiesen, an denen Sprayer ihre Kunst praktizieren dürfen: Neben der Fußgängerunterführung an der Friedrich-Ebert-Anlage sind die Unterführungen am Messplatz in Kirchheim,
> Legale Graffiti sind in Heidelberg durchaus möglich. Die Stadt hat neun Flächen ausgewiesen, an denen Sprayer ihre Kunst praktizieren dürfen: Neben der Fußgängerunterführung an der Friedrich-Ebert-Anlage sind die Unterführungen am Messplatz in Kirchheim, am Ende der Hardtstraße in Kirchheim, in der Hertzstraße zwischen Industriegebiet und Rohrbacher Feld, unter der Abfahrt nach Leimen der B 3 in Richtung Emmertsgrund, in der Leimener Straße, am Götzenberg sowie am Karlstorbahnhof. Außerdem stehen auf der Pfaffengrunder Terrasse in der Bahnstadt Wände, an denen gesprüht werden darf.
> Illegale Graffiti sollen schnell verschwinden, um den Anreiz für die Sprayer zu minimieren. Die Stadt unterstützt Hausbesitzer bei der Entfernung auf ihren Wänden. Ein städtisches Reinigungsteam entfernt auf Wunsch zügig unerlaubte Schmierereien. Die Eigentümer müssen die Hälfte der Kosten zahlen. Den Reinigungsdienst kann man unter Telefon 06221 / 5829999 bestellen. dns