Wie sich Heidelberg als Kulturhauptstadt verändern könnte
Die RNZ wirft einen Blick nach Paphos auf Zypern und Marseille in Frankreich, was sich dort verändert hat, seit die Städte den europäischen Wettbewerb gewonnen haben.

Von Rolf Kienle
Heidelberg. Heidelberg soll Kulturhauptstadt werden – die Idee von Oberbürgermeister Eckart Würzner ist in den Wochen vor den Sommerferien politisch und in der Stadtgesellschaft kontrovers diskutiert worden. Unser Autor hat zwei Städte besucht, die den europäischen Wettbewerb gewonnen haben und sich angeschaut, wie dies die Orte verändert hat.
Das kleine Paphos an der Südküste Zyperns war die längste Zeit nicht das, was man ein Vorzeigestädtchen nennen konnte. Das hat sich mit dem Titel Kulturhauptstadt 2017 geändert: Schöne, blitzsaubere Plätze und Gassen und ein besucherfreundliches Wegesystem prägen das Städtchen heute, als wäre es gestern erst generalsaniert worden. Und natürlich Cafés und Restaurants, die einen Wettbewerb einzugehen scheinen in Blau und Weiß. Blau steht für Himmel und Meer, Weiß für die Reinheit des griechischen Freiheitskampfes.

Das südfranzösische Marseille galt viele Jahre eher als das Schmuddelkind Frankreichs: Die zweitgrößte Stadt des Landes war eigentlich immer schmutzig, laut und unsicher. Kein Ort für einen Urlaub. Auch das hat sich geändert, nachdem Marseille 2013 Kulturhauptstadt wurde. Auch dank üppiger finanzieller Möglichkeiten: 800 Millionen Euro sammelten die Franzosen für das Projekt an Spendengeldern ein. In Paphos hatte man wegen der internationalen Finanzkrise nur 8,5 Millionen zur Verfügung.
Paphos lebt vom Tourismus, der sich aber weitgehend unten, an der Küstenlinie, abspielt. Hier stehen die großen Hotels, hier liegen die eigentlichen Schätze des 36.000-Einwohner-Ortes: der alte Hafen mit dem mittelalterlichen Kastell, die Königsgräber aus vorchristlicher Zeit und die römischen Mosaike. In den vielen Restaurants entlang des Hafens spielt das abendliche Leben, 80er-Jahre-Charme inklusive. Hier spürt man wenig davon, dass Paphos gerade erst Kulturhauptstadt war. Aber oben, im alten Paphos, da empfängt einen jetzt ein Zypern, das sympathisch und authentisch ist, soweit man das als Besucher beurteilen kann – und charmant-rustikal. Aufgesetzt wirkt da nichts. Das Leben findet auf der Straße und auf den Plätzen statt, wie am großen Platz beim Rathaus, wo die Männer morgens Backgammon spielen. Hier haben die Einwohner eindeutig profitiert von der Kulturhauptstadt.
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In Marseille ist es ebenfalls der Alte Hafen, der im Mittelpunkt der touristischen Stadt steht. Er ist das Herz der Stadt. Früher sei er immer nur an Marseille vorbeigefahren, erzählt einer, der heute in einem Museum am Alten Hafen arbeitet – und sich wohlfühlt in dieser Stadt. Auch Anne Dallaporta, eine gebürtige Marseillais, sagt, sie fühle sich heute sicher in der Stadt; das sei nicht immer so gewesen.
Als man sich vor mehr als zehn Jahren auf den Titel Kulturhauptstadt vorbereitete, nahm Marseille dies zum Anlass, sich von den schmutzigen und lauten Seiten der Stadt, aber auch vom Image des Kriminellen zu befreien. Man verlegte die Stadtautobahn unter die Erde und unter das Hafenbecken, verlegte einen Teil des Hafens und baute ein respektables Museum, wo früher ein wenig ansehnliches Viertel stand. Die Bürger der Region sollten davon profitieren, aber auch mehr Touristen in die Stadt kommen.
Das Konzept hat funktioniert: Fünf Millionen Touristen kommen inzwischen jedes Jahr, die Zahl der Hotels und Restaurants hat zugenommen. "Vorher waren wir nicht bekannt für gute Küche, jetzt stehen wir ganz speziell für mediterrane Kost", erzählt Dallaporta. "Wir haben heute sieben Restaurants mit Michelin-Stern, allein sechs kamen in den letzten zehn Jahren dazu."
Die Gegend um den Hafen Marseilles wurde zudem verkehrsberuhigt. Vor 2013 lief der Verkehr auf dem Quai des Belges vierspurig, heute ist er in der Hand der Fußgänger und des ÖPNV. Am Alten Hafen hat Stararchitekt Norman Forster ein ebenso markantes wie zurückhaltendes Spiegeldach gebaut und einen Kontrapunkt zu den Fischerbooten und Yachten gesetzt.
Doch wie vergrämt man jene Szene, die das Image von der befriedeten Innenstadt stören? Sage und schreibe 1600 Videokameras sorgen dafür, dass sie sich genau dort beobachtet fühlen und die Gegend meiden. So macht auch in den Vierteln der nächsten Umgebung wie in Le Panier oder bei "Les Halles" Ausgehen selbst am späten Abend Spaß.