Digitalisierung

Die Pandemie offenbart viele Schwachstellen

Die Corona-Pandemie habe der Digitalisierung zwar einen Schub gegeben, aber die Landesminister sehen dennoch weiteren Handlungsbedarf.

01.07.2022 UPDATE: 03.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden
Virtueller Bankschalter: Eine Mitarbeiterin der Heidelberger Volksbank berät Kunden von nun an in der Selbstbedienungszweigstelle über den Bildschirm. Foto: Volksbank Heidelberg

Von Barbara Klauß

Heidelberg. "Bei der Digitalisierung müssen wir noch eine Schippe drauflegen", erklärte Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, am Donnerstagabend bei einem Empfang im Heidelberger Rathaus. Zwei Tage lang kamen Digitalminister aus den 16 Bundesländern in der Stadt zusammen, um über Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels zu sprechen. Gerade in der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass die Zukunft Deutschlands ohne Digitalisierung nicht denkbar ist, so Schnorr. "Wir konnten trotz der Corona-Pandemie weiter von zu Hause aus arbeiten", sagte er, Verwaltung und Wirtschaft liefen weiter.

In vielen Bereichen hat die Digitalisierung das Leben bereits stark verändert. Dennoch hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher: Im IMD Digital Competitiveness Index lag das Land 2016 noch auf dem 15. Platz, im Corona-Jahr 2021 rutsche es auf den 18. ab. Die Pandemie offenbarte viele Schwachstellen: in der Verwaltung, in Unternehmen, in Bildungseinrichtungen. "Wenn wir mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen hätten, wären wir noch besser durch die Corona-Pandemie gekommen", meint Staatssekretär Schnorr. Doch brachte die Pandemie auch einen gewaltigen Schub: Die Menschen gewöhnten sich daran, Gespräche über Bildschirme zu führen, remote zu arbeiten und immer mehr Dinge virtuell zu erledigen. Nicht nur, aber auch deshalb entstehen derzeit etliche neue, digitale Angebote – auch in Heidelberg.

> Virtueller Bankbesuch: In der Selbstbedienungszweigstelle der Heidelberger Volksbank mitten im Stadtteil Kirchheim steht seit Neuestem eine Glas-Kabine: Dort können Kunden – hinter verschlossener Tür – mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Bank ins Gespräch kommen, allerdings nur über einen Bildschirm. Ersetzt wird durch diesen "virtuellen Bankschalter" der spontane Besuch in der Filiale. Der ist in Kirchheim nicht mehr möglich, seit die Zweigstelle während der Pandemie geschlossen wurde. Neun Filialen hat die Volksbank Heidelberg derzeit noch in der Stadt, vor zehn Jahren waren es Bereichsleiter Hans-Peter Klee zufolge noch 13. Bei den neun soll es demnach jedoch bleiben.

Dass quasi alle Banken ihre Filialnetze ausdünnen, hängt auch mit der Digitalisierung zusammen: 65 Prozent der Menschen in Deutschland erledigten 2020 ihre Bankgeschäfte laut Statista online – von den 16- bis 29-Jährigen sogar 97 Prozent. Zudem wird es auch für Geldhäuser schwieriger, Stellen zu besetzen.

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Dennoch gebe es immer noch Kunden, "die gerne jemanden sehen möchten", erklärt Klee, der bei der Heidelberger Volksbank für den digitalen Bereich zuständig ist. In der Liveübertragung können sie nun etwa Kreditkarten ordern, Überweisungen machen, Fragen rund ums Konto stellen, Termine für eine Kreditberatung vereinbaren. Unterlagen können eingescannt, Unterschriften über ein Touchpad geleistet werden. Einen fünfstelligen Betrag hat die Bank hier investiert – vor allem, um im Stadtteil weiter präsent zu sein.

Das Kundendialog-Center der Bank, das auch für den Telefonservice zuständig ist, hat 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; fünf von ihnen betreuen vor allem den "virtuellen Schalter", um zwei Arbeitsplätze wurde der Bereich nun aufgestockt. Sie sitzen in der Hauptstelle in der Kurfürstenanlage, sind ausgebildete Bankkaufleute und schon lange dabei. Vertrauen und Sicherheit spielen Umfragen zufolge eine große Rolle bei der Nutzung digitaler Angebote.

> Virtuelles Bürgeramt: Gerade der Verwaltung in Deutschland wird mit Blick auf die Digitalisierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Zwar sieht das Onlinezugangsgesetz (OZG) vor, dass bis Ende dieses Jahres knapp 600 Leistungen von Bund, Ländern und Kommunen digital verfügbar sein müssen – doch konnten der OZG-Informationsplattform zufolge zuletzt nur 15 Prozent vollständig digital abgewickelt werden. Die Stadt Heidelberg ist hier nun einen Schritt voran gekommen gekommen und hat, vom Land Baden-Württemberg mit 880.000 Euro gefördert, ein "virtuelles Bürgeramt" eröffnet, in man sich etwa an- oder ummelden, Parkausweise oder Führungszeugnisse bekommen kann. Dieses Angebot stellte Oberbürgermeister Eckart Würzner am Donnerstag den Digitalministern aus den Ländern vor.

> Forderungen der Minister: "Wir sind uns in den Ländern einig, dass das Digitalisierung höchste Priorität zukommt", sagte der baden-württembergische Digitalisierungsminister Thomas Strobl beim Empfang im Rathaus. Er und seine Länderkollegen forderten nach der Konferenz etwa den Bund auf, den digitalen Personalausweis zügig umzusetzen. Die digitale Identität sei der Schlüssel für viele digitale Angebote, gerade auch der öffentlichen Verwaltung, hieß es.

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