Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart, und Sören S. Sgries
Stuttgart. Die Schulen in Baden-Württemberg sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, technisch nur unzureichend auf mögliche erneute Schließungen im Verlauf der Corona-Pandemie vorbereitet. Das geht aus vorläufigen Ergebnissen einer Umfrage zum Stand der Digitalisierung der Schulen im Land hervor, die am Montag vorgestellt wurden.
Demnach wär ein effektiver Fernunterricht in Folge erneuter "Shutdown"-Phasen vielerorts kaum möglich. Auch davon abgesehen seien die Bildungseinrichtungen nicht annähernd dem aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stand der Digitalisierung entsprechend ausgestattet. Die Urheber der Umfrage appellierten an die politisch Verantwortlichen, die Situation zu verbessern.
Durchgeführt hatte die Erhebung, die sich an alle öffentlichen Schulen im Land richtete, eine Initiative aus Berufsschullehrer-Verband, Gewerkschaft GEW, Grundschulverband, Verband Bildung und Erziehung sowie dem Verein für Gemeinschaftsschulen. Knapp 4000 Schulen seien angeschrieben worden, 1455 hätten Fragebögen vollständig und plausibel ausgefüllt zurückgesandt, erklärte Projektleiter Volker Arntz. Die Beteiligung der vielen verschiedenen Schularten spiegle dabei die tatsächlichen Anteile dieser im Land wider.
Die Umfrage wurde nicht komplett veröffentlicht. Die Macher legten bisher "erste vorläufige Befunde" vor. So sei unter anderem die Ausstattung mit digitalen Endgeräten abgefragt worden. Das Ergebnis: An fast 95 Prozent der Schulen teilten sich mehr als zwei Personen ein Gerät, an gut 25 Prozent sogar zehn oder mehr Personen. Zwar hätten fast alle Schulen (97 Prozent) einen Internetanschluss, jedoch verfügten nur 7,5 Prozent der Einrichtungen über Verbindungen mit mehr als einem Gigabit pro Sekunde. Auch sei oft das Schulhaus gar nicht oder nicht komplett mit LAN oder W-LAN vernetzt.
"Die Ergebnisse sind niederschmetternd", befand Matthias Wagner-Uhl, ein Sprecher der Initiative. Er forderte "eine Bündelung der Kräfte", um die Lage zu verbessern. Thomas Irion vom Grundschulverband sagte: "Wir sind nicht vorbereitet auf eine zweite Corona-Welle."
Vertreter der Opposition im Landtag sprangen den Initiatoren bei. Einen "alarmierenden Rückstand" beklagte SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei. "Die ersten Befunde machen klar, die Lage an den Schulen in Baden-Württemberg ist noch schlimmer als befürchtet." Der Abgeordnete Timm Kern (FDP) forderte: "Die Landesregierung darf sich keine Sommerpause leisten, sondern muss sicherstellen, dass Lehrer und Schüler mit digitalen Endgeräten und datenschutzkonformer Software ausgestattet werden."
Das Kultusministerium erklärte: "Der Nachholbedarf bei der digitalen Ausstattung der Schulen ist bundesweit unbestritten hoch." Man arbeite an den Problemen und investiere viel Geld, jedoch seien auch die Kommunen und der Bund gefragt. Verwiesen wurde auf den Digitalpakt, durch den bundesweit fünf Milliarden Euro in die digitale Ausstattung von Schulen fließen sollen. Für die digitale Ausstattung der Schüler stehen bereits 130 Millionen Euro bereit. Auch investiere das Land bereits über eine Milliarde Euro in den Glasfaserausbau. "Die Versäumnisse von fast zwei Jahrzehnten lassen sich aber nicht innerhalb weniger Monate aufholen", sagte eine Ministeriumssprecherin.
Gleichzeitig gelte jedoch: Eine hervorragende digitale Ausstattung allein mache den Unterricht nicht unmittelbar besser. Die Technologien müssten "klug und additiv eingesetzt werden", so die Sprecherin. Wichtig sei deshalb auch die Fortbildung der Lehrkräfte. Ein entsprechendes Fortbildungsprogramm sei aufgelegt. Pro Jahr könnten damit bis zu 50.000 Lehrkräfte erreicht werden.