Europa könnte sich für grüne Gentechnik öffnen
Nobelpreisträger befeuern die Debatte um optimierte Pflanzen. Auch Forschungsministerin Stark-Watzinger ist für eine Lockerung.

Von Julian A. Fischer, RNZ Berlin
Berlin. Gentechnik hat in Deutschland einen schlechten Ruf. Während fast überall auf der Welt genveränderte Pflanzen angebaut und gegessen werden, ist die Thematik hierzulande zuletzt kaum noch präsent gewesen. Groß sind die Ängste, gentechnisch verändertes Essen sei schädlich oder verändere gar die eigenen Gene.
Mit Vorurteilen will der Medizinnobelpreisträger Richard John Roberts aufräumen. Am Freitag erhob er seine Forderungen in der Landesvertretung von Sachsen-Anhalt in Berlin. Zusammen mit 112 weiteren Nobelpreisträgern prangert Roberts Organisationen an, die sich gegen die grüne Gentechnik aussprechen. "Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", betont er immer wieder. Er verteidigt aber nicht die rote Gentechnik, bei der etwa Gensequenzen verschiedener Arten im Labor kombiniert werden. Bei grüner Gentechnik werden Methoden verwendet, die der Züchtung ähneln.
Die Biologin Christiane Nüsslein-Vollhard vom Tübinger Max-Planck-Institut hat die Forderung ebenfalls unterschrieben. "Die Ackerflächen nehmen ab, die Bevölkerung zu. Wir brauchen schädlingsresistente Pflanzen und müssen Flächen intensiv bewirtschaften", sagte sie in Berlin. "Wenn wir weiter Pestizide und Kupfersulfat einsetzen, werden die Böden nicht mehr brauchbar." Die intensiven Züchtungen vergangener Jahrzehnte, mit dem Ziel Mutationen zu erzwingen, seien kaum von gentechnisch herbeigeführten Mutationen zu unterscheiden.
Doch in der Bevölkerung gibt es viel Skepsis. Organisationen wie Greenpeace warnen vor angeblichen Gefahren. Für Roberts unverständlich. "Überall auf der Welt werden sie gegessen, fast alle Nutztiere in Europa essen sie. In 40 Jahren gab es nicht einen Vorfall oder Unfall, der auf gentechnische Veränderungen zurückzuführen ist" , sagt der Amerikaner.
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Der frühere Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Horst Rehberger (FDP), hat mit 21 Wissenschaftlern am Freitag einen offenen Brief an den Rat der evangelischen Kirche und "Brot für die Welt" adressiert. Beide Institutionen, die Hungersnöte bekämpfen, lehnen gentechnisch veränderte Nahrung ab. In dem Brief heißt es: "Widerstand auf der Basis von Emotionen und Dogma, dem die Datenlage widerspricht, muss Einhalt geboten werden."
Ein konkretes Beispiel ist der goldene Reis. Laut WHO leiden 250 Millionen Menschen an Vitamin-A-Mangel. Forschern ist es gelungen, Reis so zu verändern, dass er das Vitamin enthält. Wegen der Bildung von Karotin schimmert er golden – daher sein Name. Mittlerweile wird er auf den Philippinen angebaut und soll die Kindersterblichkeit senken.
In Europa galt bisher ein striktes Verbot, nun hat die EU-Kommission eine neue Richtlinie erarbeitet, die noch im Juni vorgestellt werden soll. Dann könnten neue Gentechniken zugelassen werden. Unterstützung kommt von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). "Wir sehen in den neuen Züchtungstechniken eine riesige Chance, Pflanzen effizient, zielgerichtet und sicher zu züchten. Wir können damit den Hunger in der Welt bekämpfen", sagt sie unserem Berliner Büro. Die aktuelle Rechtslage sei aus der Zeit gefallen. "Deshalb setzte ich darauf, dass die EU-Kommission den Rechtsrahmen wissenschaftsorientiert und risikoangepasst neu ausrichtet." Deutschland solle bei der Biotechnologie nicht den Fehler machen, "sich von der Zukunft abzumelden".