Plaudertaschen: Axel Milberg, Linda Zervakis und Barbara Schöneberger (o.Reihe); Verona Pooth, Charlotte Roche und Thomas Gottschalk.
Die einen tun es beim Joggen, die anderen beim Bügeln oder Einkaufen: Podcast hören ist groß in Mode, und seit Beginn der Coronakrise sind die Audiostücke aus dem Internet endgültig zum Medienphänomen für die Masse geworden. In Zeiten von Quarantäne und Ausgangsbeschränkungen haben viele Menschen Podcasts als tolles Medium für Information und Zeitvertreib entdeckt, die Hörserien der Experten Christian Drosten und Alexander Kekulé zur Pandemie etwa wurden viele Millionen Mal abgerufen. Inzwischen sind etliche TV-Promis auf den Podcast-Zug aufgesprungen – sogar Verona Pooth, die mit dem Werbespruch "Da werden Sie geholfen" einst mit ihren limitierten technischen Fähigkeiten kokettierte, mischt munter mit.

Geschichten erzählen hat eine lange Tradition: Schon immer hörten die Menschen gerne zu, wenn ein Erzähler sie mit kurzweiligen oder lehrreichen Ausführungen in seinen Bann zog. Die meisten Promi-Podcasts funktionieren allerdings nicht wie ein Vortrag oder eine Lesung, sondern nach dem Dialog-Prinzip, das heißt: Meistens sind es zwei, die da reden. Egal, ob Thomas Gottschalk in "Podschalk" mit Nicola Müntefering über alles Mögliche plaudert und zum Beispiel sein Rezept für den Cocktail "Appletini" preisgibt, Quasselstrippe Barbara Schöneberger in "Mit den Waffeln einer Frau" mit Kollegen wie Anke Engelke klönt oder "Tagesschau"-Lady Linda Zervakis in "Gute Deutsche" Prominente mit Migrationshintergrund interviewt.
Dabei bleiben die TV-Stars in ihren Podcasts generell ihrem Lieblingsthema treu: Kinofan Steven Gätjen redet in "Süß oder salzig" mit TV-Kollegen wie Steffen Henssler über Filme. Charlotte Roche, die seit ihrem Roman "Feuchtgebiete" als Expertin fürs Intime gilt, plaudert in "Paardiologie" mit ihrem Mann über das gemeinsame Eheleben. In "Klassik drastisch" stellen die Schauspieler Devid Striesow ("Tatort"), der schon mit sechs Jahren Geige gelernt hat, und Klassikfan Axel Ranisch Werke von Mozart oder Schubert vor.
Aus den beiden letztgenannten Podcasts sind inzwischen auch Bücher geworden. Das Streaming für die Ohren ist längst ein Teil der riesigen Verwertungsmaschine, mit der sich jeder halbwegs bekannte Name zu Geld machen lässt. Der Podcast ist für die Stars das akustische Äquivalent zum Bildermedium Instagram in Sachen Selbstdarstellung – wobei nicht alle viel zu sagen haben. Verona Pooth plaudert in "Poothcast" mit Sohn San Diego und gibt sich naiv wie ehedem: "Wo ist die Kamera?" Merke: Nicht jeder Promi-Podcast erreicht intellektuelle Fallhöhe.
In der ersten Corona-Welle im Frühjahr bastelten einige TV-Berühmtheiten aus lauter Langeweile eigene Audioformate. "Tatort"-Star Axel Milberg etwa stellte seine Lieblingsbücher vor und der an Covid-19 erkrankte Oliver Pocher machte mit Ehefrau Amira während der Quarantäne den Podcast "Die Pochers hier!" – das Spaßformat stürmte umgehend die Charts. Alte Hasen sind dagegen Jan Böhmermann und Olli Schulz, deren weltweit populäre Audioserie "Fest & Flauschig" schon 2016 startete. In ihrem kreativen Kielwasser schwimmen heute zum Beispiel Joko Winterscheidt ("Alle Wege führen nach Ruhm"), Klaas Heufer-Umlauf ("Baywatch Berlin") oder Palina Rojinski ("Podkinski"): Diese Hörreihen sind launige bunte Tüten, deren Gemeinsamkeit nicht zuletzt die witzigen Titel sind.
Doch in der weiten Welt der Podcasts, deren globale Zahl mittlerweile in den siebenstelligen Bereich geht, gibt es natürlich nicht nur Plauderstündchen von Promis: Längst gibt es Hörserien zu allen nur denkbaren, auch sehr ernsthaften Themen wie Politik (Alt-Kanzler Gerhard Schröder: "Die Agenda"), Philosophie oder Feminismus. Besonders empfehlenswert für Freunde klassischer Musik oder solche, die es werden wollen, ist die Reihe "32 x Beethoven": Starpianist Igor Levit analysiert darin gemeinsam mit seinem Freund Anselm Cybinski alle 32 Klaviersonaten des großen Komponisten, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr gewürdigt wird. Gegen
Langeweile im Corona-Sommer hilft aber zum Beispiel auch "Wie die Tiere", ein Wissenschaftspodcast des Biologen Mario Ludwig mit animalischen Fun-Facts. Wer es in dieser Jahreszeit richtig heiß mag, dem seien Sex-Podcasts wie "Oh Baby!" ans Herz gelegt, in denen es sehr offenherzig zum Beispiel um die Frage geht, wie guter Oralverkehr funktioniert.
Ein besonders beliebtes Genre sind "True Crime"-Podcasts wie die Serie "Verbrechen" der Wochenzeitung "Die Zeit": Der Podcast bietet neben Unterhaltung und Tiefgang auch Einblicke in die Hintergründe des deutschen Strafrechts und erhielt dieses Jahr den Deutschen Podcast-Preis in der Kategorie Journalistische Leistung.
In der gigantischen Fülle des Audio-Angebots liegt aber auch ein Problem: Viele Hörer beklagen die Unübersichtlichkeit und haben Angst, den für sie besten Inhalt zu verpassen. Abhilfe können inzwischen Podcasts über Podcasts schaffen, zum Beispiel bei Deutschlandfunk Kultur. Oder man nutzt die Charts von "Spotify" oder "iTunes" zur Orientierung.
Die beiden Internet-Dienste zählen zu den gängigsten Plattformen eines boomenden Markts: Schon 2019 war einer Umfrage zufolge jeder vierte Bundesbürger ein Podcast-Hörer, gegenwärtig entstehen immer neue Produktionsfirmen und Plattformen, die um Werbeeinnahmen und Nutzer kämpfen. Fündig werden Podcast-Fans auch in der ARD-Audiothek, die das Hör-Angebot sämtlicher Fernseh- und Radiostationen des Senderverbunds bündelt. Dort kann man zum Beispiel einen weiteren Promi-Podcast herunterladen: Bastian Pastewkas "Kein Mucks!". Der Komiker stellt darin Kriminalhörspiele aus den 50er und 60ern vor – einer Zeit also, in der Podcasts, Internet und Corona noch in weiter Ferne lagen.