Bürgermeister ist nicht gleich Bürgermeister
Neckarsteinach. Ein Rathauschef in Baden-Württemberg hat mehr Rechte und eine andere Stellung in der Verfassung als einer in Hessen
Neckarsteinach. Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen einem Bürgermeister in Baden-Württemberg und einem in Hessen? Hat der Rathauschef im badischen Neckargemünd zum Beispiel andere Rechte, Pflichten und Aufgaben als der im nur wenige Kilometer entfernten hessischen Neckarsteinach? Bürgermeister ist doch gleich Bürgermeister - könnte man meinen. Doch es gibt große Unterschiede. Diese hat die RNZ anlässlich der Bürgermeisterwahl im hessischen Neckarsteinach am Sonntag unter die Lupe genommen.
"In Hessen gilt die Magistratsverfassung, in Baden-Württemberg die Süddeutsche Ratsverfassung", erklärt Neckarsteinachs scheidender Bürgermeister Eberhard Petri. Während in Kommunen in Baden-Württemberg der Gemeinderat das Hauptorgan ist, gibt es in Hessen den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung als Gremien. "Was in Baden-Württemberg der Bürgermeister ist, das ist in Hessen der ganze Magistrat", erklärt Eberhard Petri weiter.
In Hessen ist der Bürgermeister der Vorsitzende des Magistrats - das ist in Neckarsteinach ein derzeit fünfköpfiges Gremium, das sich um die laufende Verwaltung kümmert und Vorlagen für das Parlament, also die Stadtverordnetenversammlung, mit aktuell 19 Sitzen erarbeitet. Der Bürgermeister vertritt den Magistrat im Parlament, ist aber dort nicht Vorsitzender. Das ist in der Vierburgenstadt der Stadtverordnetenvorsteher Willi Hofherr. Dieser kümmert sich um die Tagesordnung, bei ihm liegen die Sitzungsführung und die Worterteilung. "Der Bürgermeister muss gehört werden, stimmt aber anders als in einem Gemeinderat in Baden-Württemberg nicht mit", erklärt Petri weiter.
Immer nach der Kommunalwahl entsenden die Parteien und Wählergruppierungen ihre Mitglieder in den Magistrat und in die Stadtverordnetenversammlung. Die Sitzverteilung im Magistrat spiegelt die in der Stadtverordnetenversammlung wieder. Der Magistrat tagt alle zwei Wochen nicht-öffentlich, die Stadtverordnetenversammlung kommt einmal im Monat öffentlich zusammen. "In Hessen gibt es eine stärkere Trennung zwischen Exekutive und Legislative", sagt Eberhard Petri.
Die Position des Bürgermeisters sei in Hessen formal schwächer als in Baden-Württemberg. "Obwohl er im Parlament nicht abstimmen darf, ist er trotzdem als Rathauschef ein starker Faktor", so Petri. "Im Magistrat zählt die Stimme des Bürgermeisters bei Stimmengleichheit doppelt." Erst seit 1994 werden Bürgermeister in Hessen vom Volk gewählt. Vorher war es die Stadtverordnetenversammlung.
Einer, der den Unterschied als Rathauschef in Hessen und in Baden-Württemberg aus eigener Erfahrung kennt, ist der Eppelheimer Bürgermeister Dieter Mörlein. Er war von 1992 bis 1994 Stadtoberhaupt in Neckarsteinach. "Jetzt wird der Bürgermeister in Hessen zwar direkt gewählt, er hat aber nicht mehr Rechte bekommen", kritisiert er. Er könne Entscheidungen nur vorbereiten, aber nicht mit abstimmen. Baden-Württemberg sei da ein Stück voraus. "Hier kann ich über vieles alleine entscheiden, in Hessen habe ich immer den Magistrat gebraucht", sagt Mörlein. Im Vergleich sei er jetzt "ein kleiner König". "In Hessen bist du der Prinz Charles, in Baden-Württemberg die Queen", sagt Mörlein augenzwinkernd.