Vieles rund um den Rechtsstaat in Deutschland zu erklären hatten der Vizepräsident des Landgerichts Mosbach, Dr. Alexander Ganter (Mitte) und Richterin Jennifer Holm (r.). Für die zu dem Seminar in der Volkshochschule Mosbach gekommenen Flüchtlinge übersetzte Dr. Adnan Ghazal (l.) die Ausführungen ins Arabische. Foto: Frank Heuß
Von Frank Heuß
Mosbach. Flüchtlinge über das rechtsstaatliche System der Bundesrepublik fachlich fundiert zu informieren, hat sich die Volkshochschule (VHS) auf Basis einer Kooperationsvereinbarung mit dem Landesjustizministerium zur Aufgabe gemacht. An der VHS Mosbach fand am frühen Mittwochnachmittag im Obertorzentrum eines der ersten Seminare dieser Art in Baden-Württemberg statt.
Als Referenten hieß VHS-Leiterin Dr. Katrin Sawatzki den Vizepräsidenten des Landgerichts Mosbach, Dr. Alexander Ganter, willkommen, der mit Richterin Jennifer Holm auch gleich weibliche Verstärkung mitgebracht hatte. Aufgezeigt wurde schon damit, dass in westlichen Demokratien auch Frauen in wichtige Positionen der Justiz gelangen können, was hingegen in Staaten der arabischen Welt regelmäßig als undenkbar gilt. Ebenso begrüßte Sawatzki den Leiter des Fachreferats für Politik und Gesellschaft beim VHS-Verband in Stuttgart, Dr. Michael Lesky, Peter Wojcik als den Integrationsbeauftragten des Landratsamtes und Thomas Maurer vom Jobcenter des Neckar-Odenwald-Kreises.
Zur Seminar-Premiere fanden sich etwa 30 Flüchtlinge ein, die vorwiegend aus Syrien oder dem Irak stammen. Eine Verpflichtung zur Teilnahme gab es nicht, Sprachdozentin Elke Wagner hatte aber in ihrem Kurs dafür geworben. Das Seminar wurde zwar in deutscher Sprache gehalten, die Inhalte aber häufiger von Dr. Adnan Ghazal ins Arabische übersetzt.
Dass das Mosbacher Landgericht für die Verhängung hoher Strafen bekannt ist, machte Ganter eingangs mahnend deutlich. Sein anschließender Rundgang, den er im Wechsel mit Jennifer Holm unternahm, ging quer durch die rechtsstaatlichen Strukturen der Bundesrepublik. "Wir wollen Ihnen auch etwas Mentalität vermitteln", schickte er voraus. Angesprochen wurden die Grundrechte, das politische System mit demokratischen Volkswahlen, die föderalen Strukturen, die Justiz mit dem Gewaltenmonopol des Staates und vieles andere mehr. Und dabei kamen schnell so manche Fragen auf - darunter einige, die aus Blickwinkel westlicher Werteordnung durchaus etwas verwundern konnten.
"Darf man in Syrien eine Zweitfrau haben, wenn man in Deutschland lebt?" "Wie viel Gramm Marihuana darf man besitzen?" "Warum haben die Grünen so viel weniger Sitze im Bundestag als die CDU?" Solche und ähnliche Fragen beantworteten die Richter geduldig.
Kann eine verheiratete Frau vom Staat zum Arbeiten "gezwungen" werden? Hier hatte Thomas Maurer vom Jobcenter angemerkt, dass man beim Sozialleistungsbezug verpflichtet werden könne, zumutbare Arbeit anzunehmen. "Arbeitszwang" im juristischen Sinne ist dies jedoch nicht - denn die "Strafe" wäre hier lediglich der Entzug von Geldleistungen. Ebenfalls eine mitunter schwierige Gratwanderung war es etwa, die Grenzen von Not- und Besitzwehrrechten zu erklären.
Insbesondere zu den Themen des Besitzes "weicher" Drogen und Möglichkeiten der Reaktion auf Straftaten von anderen wollten die Flüchtlinge einiges genauer wissen. "Am besten ist, Sie besitzen gar keine Drogen", wiederholte Jennifer Holm fast gebetsmühlenartig. Ebenso erklärte Ganter, warum die Strafverfolgung der Polizei und die spätere Ahndung der Justiz zu überlassen ist - und weshalb man sich an Regeln selbst dann halten muss, wenn sie im konkreten Fall nicht sinnvoll erscheinen.
"In Deutschland ist alles so kompliziert und kostet viel Geld", resümierte einer der Flüchtlinge. Entnehmen konnte man dem Seminar großes Interesse seitens der Flüchtlinge daran, den rechtlichen Rahmen in Deutschland besser zu verstehen und Voraussetzungen für das "Zurechtkommen" zu schaffen. Allerdings zeigte sich auch, dass nicht nur in sprachlicher Hinsicht der Weg zur Integration mitunter noch steinig sein könnte.