RNZ-Podcast "Mein Platz"

Mit Larissa Rieß auf der Heidelberger Neckarwiese (Folge 2)

Der RNZ-Porträt-Podcast mit Persönlichkeiten aus der Region und ihre besonderen Verbindungen hierher.

27.09.2021 UPDATE: 29.10.2021 18:00 Uhr 4 Minuten, 48 Sekunden
Larissa Rieß. Foto: Paul Pflästerer

Heidelberg. (RNZ) Für "Mein Platz", den Porträt-Podcast der Rhein-Neckar-Zeitung, trifft Onlineredakteur Matthias Kehl Persönlichkeiten aus der Region. Es geht um den Lebensweg der Gäste und ihre besondere Verbindung zur Rhein-Neckar-Region. Wie hat die Region ihre Geschichte geprägt? Welche Ereignisse waren dabei entscheidend? Was hat ihnen geholfen, ihren heutigen Platz im Leben zu finden?

Ihr findet den Podcast auch bei Spotify (Direktlink), iTunes (Direktlink) und Soundcloud (Direktlink).


Folge 2: Wie Larissa Rieß ihre Heimat in Heidelberg fand

Radiomoderatorin, Musikproduzentin, DJane und Schauspielerin - Larissa Rieß’ Wirken zu definieren, fällt nicht leicht. Die RNZ stellt die in Ecuador geborene, in Portugal aufgewachsene und mittlerweile wieder in Heidelberg wohnende Weltenbummlerin im Porträt-Podcast "Mein Platz" vor.


Von Ecuador an die Neckarwiese (plus Fotogalerie)

Von Matthias Kehl

Es ist ein sonniger Morgen kurz nach neun in Heidelberg-Neuenheim. Am Neckarufer ist es ruhig. Nur vereinzelt sind Spaziergänger oder Jogger zu sehen. Unweit der Ernst-Walz-Brücke trifft die RNZ Larissa Rieß zum Gespräch an der Neckarwiese. Die 33-jährige Radiomoderatorin wirkt gut gelaunt, braucht keinen Anlauf, um auf Betriebstemperatur zu kommen. "Für mich ist es eigentlich schon mittags", sagt die überzeugte Frühaufsteherin, die seit nunmehr vier Jahren wieder fest in Heidelberg lebt. Rieß ist viel rum- und schließlich nach Heidelberg zurückgekommen. Aber der Reihe nach.

Zum Interview hat Rieß Hündin Vilma mitgebracht. Die Idylle am Morgen wirkt wie ein Kontrast zu dem, was man sonst aus dem öffentlich-actionreichen Berufsleben von Rieß zu sehen bekommt. Larissa Rieß als Moderatorin beim Sender 1 Live. Larissa Rieß, alias Lari Luke, als Musikproduzentin und DJane für basslastige Musik. Larissa Rieß als Mitglied der Amazon-Prime-Serie Last One Laughing (LOL). Für die gebürtige Ecuadorianerin ist Heidelberg mittlerweile eine feste Heimat geworden. "Heidelberg bedeutet für mich Ruhe und Seelenfrieden", erzählt die 33-Jährige, die mit einem Heidelberger verheiratet und seit vergangenem Jahr Mutter ist.

Die Tochter einer Argentinierin und eines Deutschen hat am Neckar ihren Rückzugsort gefunden. Im zweiten Anlauf. Seit 2017 ist sie nach zahlreichen Städtewechseln zurück in der Stadt, in der sie sich in Deutschland zu Hause fühlt.

Rieß wächst zunächst in Cascais auf, einer portugiesischen Küstenstadt in der Nähe von Lissabon. Als sie etwa zehn Jahre alt ist, zieht die Familie für den Job des Vaters nach Böblingen. "Der Wechsel war für mich schrecklich", erinnert sie sich. Auf Böblingen folgt dann der Umzug nach Heidelberg. Wieder ein Neuanfang. Mit der Sprache war Rieß durch ihre Großeltern, ihren Vater und Schulunterricht zwar vertraut. "Deutschen Humor und Ironie", sagt sie, "musste ich erst einmal lernen". Heute wird Rieß unter anderem dafür von ihren Fans geliebt. Auf ihrem Instagram-Kanal parodiert sie etwa Alltagssituationen mit deutschem Dialekt, nimmt sogenannte Influencer-Mütter aufs Korn, zeigt sich mit ihrer treuesten Gefährtin, Hündin Vilma, beim Abhängen auf dem Sofa. Ihre Familie lässt sie raus aus öffentlichen Posts, die gewährten Einblicke dosiert sie bewusst.

Wer Larissa Rieß folgt, sieht diese immer wieder in verschiedenen Rollen. Die Radiomoderatorin mit der rauen Stimme ist auch Schauspielerin – etwa in der Serie "Jerks". Im Fernsehen wurde sie als Ensemble-Mitglied in mehreren Rubriken bei Jan Böhmermanns Satire-Sendung "Neo Magazin Royal" bekannt. Ihre erste Kino-Rolle übernahm Rieß 2017 im Film "Fack Ju Göthe 3".

Die private Larissa Rieß genießt abseits des Trubels der Medienhauptstädte Berlin, München oder Köln, in denen sie früher bereits gewohnt hat, ihr Leben in Heidelberg. Sie hat genug vom Umziehen. "Ich habe das Gefühl, meine Geschichte sollte mich hierhin führen", sagt sie und blickt auf die Neckarwiese, auf der sich Vilma austobt. Die vorher rastlose Larissa Rieß hat in Heidelberg ihre Heimat gefunden. 


Folge 1: Torch, der Hip-Hop und das Leben in der Heidelberger Altstadt

Einer der Pioniere der deutschen Hip-Hop-Bewegung wird am 29. September 50 Jahre alt: Torch, alias Frederick Hahn aus Heidelberg. Der Wahl-Schweizer spricht in der ersten Folge des RNZ-Podcasts über seine Geschichte, die ihn aus der Region heraus bekannt machte, über seinen heutigen Platz im Leben und über sein Gefühl von Heimat.

Wir treffen uns im Heidelberger Schloss. Der Weg zur Bühne führt über den Hof in den Königssaal. Als Torch diesen betritt, ist der Festsaal nahezu menschenleer. Abgeschieden vom Trubel der Touristen draußen. Nur zwei Stühle, ein Tisch und ein Aufnahmegerät stehen auf der Empore. Doch auch ohne Publikum ist Torch am angesteckten Mikrofon in seinem Element.

Philosoph, Lyriker, Rapper? Ganzheitlich in ein Schema passt Torch nicht. Und will es auch nicht. Er, der schon in den 80ern mit seiner Heidelberger Hip-Hop-Gruppe Advanced Chemistry (AC) entscheidend dabei mitwirkte, deutschen Sprechgesang im Land zu etablieren. Mit dem Song "Fremd im eigenen Land" 1992 schafften AC den Durchbruch. Ein Musikvideo aus Heidelberg läuft damals auf dem US-amerikanischen Sender MTV – ein Novum. Rap auf Deutsch wird wahrgenommen, das Genre wächst. Bis heute. Katalysiert von Torch und AC, der Crew aus der Region.

"Viele haben das Rap-Ding damals Witz gesehen, wir nicht", erzählt Torch und fügt an "für uns war das Identität". Seine Stimme klingt rauer als auf den Aufnahmen von damals, seine Botschaft aber nicht minder überzeugend. Mit seiner Gestik gibt Torch seinen Worten immer wieder Nachdruck. Wenn er etwa erzählt, wie er mit seinen Crew-Mitgliedern Linguist (Kofi Yakpo) und Toni L (Toni Landomini) Hip Hop an der Internationalen Gesamtschule Heidelberg (IGH) Hip Hop inoffiziell als Schulfach vermittelte. Am Neckar gewinnt ein Genre aus Amerika an Bedeutung, dem Torch ein Gesicht verleiht.

Aufgewachsen in der Heidelberger Hauptstraße, bringt der Sohn einer Haitianerin und eines Ostpreußen, durch Musik und Sprache die verschiedenen Facetten seiner Identität zum Ausdruck. Er lernt hier seine Freunde und späteren musikalischen Partner kennen, die unterschiedliche Wurzeln und dieselbe Faszination zum Hip-Hop mitbringen. All das prägt Torch, dessen Album "Blauer Samt" im Jahr 2000 zu einem der einflussreichsten deutschen Rap-Alben wird.

Wenn Torch über Identität spricht, spricht er über seinen Weg aus der Region in die Welt: vom Jungen aus der Heidelberger Altstadt zum Rapper auf MTV und Moderator des Musiksenders Viva. Aber auch über den Umgang mit Rassismus-Erfahrungen, wie es ist, Pionier zu sein unter besonderen Bedingungen. Und über das Gefühl von Heimat, das beim Wahl-Schweizer nach wie nur durch Heidelberg hervorgerufen wird. Am Donnerstag wird er dort die Richard-Benz-Medaille für besondere Verdienste um Kunst und Wissenschaft verliehen bekommen - hier der Artikel der emotionalen Ehrung.

In Heidelberg ist er geboren, dort hat er für Hip-Hop seine Spuren hinterlassen. Seine Graffitis sind mittlerweile verschwunden. Doch bilden etwa stilprägende Elemente des Genres aus der Privatsammlung des Musikers Grundlage für ein Hip-Hop-Archiv, das in der Stadt entsteht. Auch mit "einem anderen steuerlichen Wohnsitz oder wie man das nennt", wähnt sich Torch im Kopf immer auch in Heidelberg.

Mit seiner Familie lebt er mittlerweile in der Schweiz, nennt sich "hauptberuflich Vater". Er sucht mit der Zeit auch bewusst die Distanz zu seiner Heimat. "Irgendwie ist man der König seines Heidelberger Schlosses, aber auch ein einsamer König", sagt er und lässt seinen Blick durch den mit Eichenholz vertäfelten Festsaal schweifen. Er möchte vermeiden, "wie sein eigenes Schlossgespenst zu werden". Deshalb lebe er im Exil, um von außen zu beobachten und punktuell für Höhepunkte zurückzukehren.

Diese stehen in der Region nun wieder bevor. Wenn Torch am Samstag, 2. Oktober, anlässlich seines 50. Geburtstags ein Jubiläumskonzert im Heidelberger Schloss geben wird. Im Rahmen der Veranstaltungstage "50 Jahre Torch" wird der Hip-Hopper unter anderem am Montag an Universität Heidelberg aus seiner neuen Monografie "Blauer Samt" vorlesen. Torch, dessen Künstlername auf Englisch "Fackel" heißt, will weitermachen und sagt: "Man muss sehen, dass das Feuer weiter brennt". Seine Leidenschaft zieht den Hip-Hopper nun wieder ans Mikrofon und auf die Bühne. Dann auch wieder mit Präsenz-Publikum.  

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