Sarah Wiese, die Social-Media-Spezialistin aus Sandhausen
Bei Instagram und TikTok folgen der Unternehmerin aus Sandhausen Hunderttausende. Mit der RNZ sprach sie über Sonnen- und Schattenseiten ihrer Online-Berühmtheit.

Von Matthias Kehl
Walldorf. Den Begriff "Influencerin" mag sie nicht. Viel zu negativ aufgeladen. Andere Menschen "zu beeinflussen" ist nicht ihr Ziel, sagt Sarah Wiese. Die Beiträge der 27-Jährigen in den Sozialen Netzwerken erreichen Hunderttausende. Auf Instagram und TikTok folgen der jungen Frau aus Sandhausen zusammengenommen über 700.000.
Im Porträt-Podcast "Mein Platz" erzählt sie unter anderem, wie sich ihr einstiges Hobby zur Berufsgrundlage entwickelte, wie heute ihr Alltag als "Digital Creator" aussieht und wo man beim Online-Auftritt aufpassen sollte.
Zum Gespräch mit der RNZ kommt Sarah Wiese mit ihrem Hund Louis ins Café. Sie ist elegant gestylt: weiße Bluse, weite beigefarbene Hose, passend zur beige-braunen Handtasche. Die helle Mähne ihres Hundes ergänzt das Outfit. Wiese wirkt entspannt, sie spricht betont gelassen. Ihre Stimme klingt etwas tiefer als in ihren Insta-Stories, entspannter. Sprechen vor dem Mikrofon ist die eloquente 27-Jährige gewohnt, das merkt man.
Es ist etwa zehn Jahre her, als Sarah Wiese merkt, dass das, was sie postet, nicht nur ihr privates Umfeld interessiert. Nach dem Bali-Urlaub mit ihrer Mutter steigt sie aus dem Flugzeug und traut ihren Augen kaum, als sie auf ihr Smartphone blickt. Vor dem Abflug hatte sie ein Urlaubsfoto bei Instagram online gestellt, das während ihrer Zeit im Flugmodus Tausende Menschen gesehen haben. Es ist eine Selfie-Collage, mit Sonnenbrillen-Bildern vom Strand (siehe Fotogalerie). Hunderte Likes, etliche Kommentare von teils fremden Personen werden ihr angezeigt. Für sie ist dies eine unerwartete erste Zuspruchswelle. Auch im Rückblick leuchten ihre Augen euphorisch, wenn sie davon erzählt.
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Trotzdem bleibt ihr Online-Auftritt seinerzeit noch eine Spielerei. Von den knapp 370.000, die ihrem Account "sarahx.ws" heute bei Instagram folgen, ist sie da noch weit entfernt. Die sportbegeisterte Schülerin besucht damals die Fitness-Messe "Fibo" in Köln und erfährt dort positive Rückmeldungen für ihr Auftreten. "Du bist, was die Leute sehen wollen", sagt ihr ein Stand-Betreiber und fragt, ob sie seine Produkte für Instagram in die Kamera halten kann. Damals erzählt sie ihm stolz vom Bali-Bild und macht gerne mit. Es folgt die Vermittlung an einen "Supplement"-Shop, der sie als Model haben möchte. Sie wird mehr und mehr zum Fitness-Vorbild.
Sarah ist von dieser Entwicklung angetan, vernetzt sich in der Szene. Rückendeckung für ihr Werben im Netz erhält sie von zu Hause. Etwa von Mutter Martina Wiese, die ihrer Tochter als Fotografin, Videografin und vor allem als Vertrauensperson zur Seite steht. In Sandhausen beginnen sich die Pakete zu stapeln. Produkte wollen getestet und beworben werden.
Dass ihr "Insta-Game" später einmal zur Berufsgrundlage wird, scheint ihr auch da noch abwegig. Die spätere Geschäftsfrau macht nach ihrem Schulabschluss zunächst eine Lehre bei einer Bank. Parallel dazu läuft ihr Hobby weiter, Eindrücke aus ihrem (Privat)-Leben mit ihrer Community zu teilen. Ihr Alltag, ihre Sport-Routine, ihr Essen, "Ich hab echt vieles geteilt", gibt Wiese etwas verlegen blickend zu. Der Followerschaft gefällt´s - sie wächst weiter. Und Wiese beginnt sich zu spezialisieren, sie schärft ihr Profil.
Für ein Mode-Geschäft aus Heidelberg übernimmt sie den Instagram-Auftritt. Und auch bei der Fashion-Firma steigen dann die Followerzahlen. Wiese sieht darin eine Bestätigung ihrer Expertise. Mit ihrer Online-Reichweite kann sie heute durch Produkt-Platzierung Geld verdienen. "Kooperationen" buchen nennt man das. "Fashion, Fitness, Beauty & Home" stehen bei ihren Inhalten im Fokus. Auch Hotels beauftragen sie regelmäßig, ihren Aufenthalt bei Instagram zu dokumentieren. Alles schön und gut also?
Die 27-Jährige kennt heute auch die Schattenseiten des Geschäfts. Dass hinter ihrem Hochglanzprofil eine junge Frau mit gewöhnlichen Problemen steht, will sie nicht verstecken. "Wenn es mir wirklich schlecht geht, sage ich das auch", räumt Wiese ein, fügt aber einschränkend hinzu:"eigentlich interessiert's keinen". Sie fragt rhetorisch: "Würde man sich draußen hinstellen und Hunderten von Leuten erzählen, warum es dir schlecht geht? Das geht eigentlich keinen was an". Damals habe sie darüber nicht groß nachgedacht, heute schon.
Sie begreife ihren Online-Auftritt als Job, versuche dabei, ihrer Community ihren Ansatz zu vermitteln, wie sie mit Herausforderungen umgeht. Der Ton im Netz, das weiß Wiese, ist dabei nicht selten rau. "Cybermobbing ist ein großes Problem", fügt sie an. Aus politischen Debatten halte sie sich bewusst komplett heraus.
Mit Hunderttausenden von Followern ist sie eine gefragte Frau mit Reichweite. Sarah Wiese merkt, wie manche es auf ihre Bekanntheit abgesehen hatten. "Jeder will da irgendwie seinen Nutzen", mahnt sie. Ihre Freundschaften pflegt sie vor allem offline. Dass sie einen Partner an ihrer Seite hat, verrät sie. Ihn online zeigen tut sie bewusst nicht.
Obwohl sie nach eigenen Angeben nie gezielt darauf hinarbeitete, ihren Online-Auftritt als Beruf zu betreiben, hat genau das immer konkrete Konturen angenommen. Das Geschäft mit der Online-Vermarktung wird für Wiese lukrativ. Sie stellt fest, dass sie damit mehr Geld verdient als bei ihrer Anstellung bei der Bank. Der Arbeitsalltag im Angestellten-Verhältnis ist ein Kontrast zur Selbstgestaltung im Online-Geschäft. "Irgendwann war ich in dieser Spirale drin, in der Firmen Beiträge reposten und man Einladungen zu bestimmten Events erhält".
Sie beginnt ein Studium, auch um in Sachen Betriebswirtschaft dazuzulernen. Bevor sie eine eigene Firma gründet. "Mein Opa war selbstständig, mein Vater ist selbstständig, ich hab das so ein bisschen mitbekommen", erzählt Wiese. Die Nähe zu ihrer Familie ist ihr wichtig. Wie viele Familienmitglieder zieht auch sie nach von Sandhausen nach Walldorf. Beruflich dreht sich ihr Business weiter ums Web. Ihre Erfahrungen, wie man als Account wächst, Kunden dazugewinnt, gibt sie mit ihrer Firma "Wannabe Social" heute weiter: mit Beratung und Dienstleistung.
Worauf es dabei ankommt, wo sie mittlerweile klare Grenzen zu ihrem Privatleben zieht und wann sie sich vorstellen könnte, aus dem professionellen Insta-Game auszusteigen, erzählt sie im RNZ-Podcast. Darin berichtet sie unter anderem auch, mit welchen Persönlichkeiten sie im Zuge ihrer Online-Karriere in Kontakt kam und was sie Menschen rät, die mit ihrer Social-Media-Vermarktung Geld verdienen wollen. Auch ihre Mutter, die ihre Laufbahn seither eng mitverfolgt, kommt in der Folge zu Wort.
Dabei wird deutlich, dass nicht alles, was im Online-Profil von Sarah Wiese leicht und erholsam aussieht, es auch ist. "Aber es soll schon so aussehen", sagt sie mit einem Lächeln. Das merkt sie vor allem bei Reise-Anfragen. Richtig Urlaub, ohne Auftrag, ohne Handy, habe sie dieses Jahr das erste Mal gemacht. Es bestehe unterbewusst die Versuchung, Momente gewissermaßen verwerten zu wollen. Deswegen möchte sie mit ihrem Instagram-Kanal irgendwann bewusst aufhören. Wann es soweit ist, das will Sarah Wiese dann doch gerne selbst beeinflussen.