Das Beispiel Koblenz zeigt: Moderne Seilbahnen werden gut angenommen. Foto: dpa
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Eine Seilbahn über den Neckar könnte viele Verkehrsprobleme Heidelbergs lösen. Darin waren sich die rund 30 Teilnehmer eines Workshops in der ehemaligen Zentrale der Heidelberger Druckmaschinen einig. Der Verein "Urban Innovation - Stadt neu denken!" hatte dazu eingeladen (siehe Hintergrund). Dieses Verkehrsmittel sollte bei der Ausarbeitung des Masterplans für das Neuenheimer Feld auf jeden Fall mit bedacht werden, so der Tenor. Allerdings gebe es noch viele offene Fragen.
Das Hauptproblem im Neuenheimer Feld ist in den Augen von Architekt und Stadtplaner Nils Herbstrieth der Autoverkehr. 25.000 Menschen müssten täglich ins "Feld" rein und auch wieder raus. Dabei seien die Zufahrtsstraßen nur eingeschränkt leistungsfähig. Laut Herbstrieths Informationen werden zudem rund 80.000 Quadratmeter Geschossfläche für 7000 Parkplätze "verschwendet". "Die Zeit der autogerechten Universität sollte vorbei sein", fordert der Architekt. Eine Straßenbahn in Randlage ist für ihn auch keine Lösung: "Sie bedient nur ein Drittel bis maximal die Hälfte des Neuenheimer Feldes." Herbstrieth schlägt vor, neue Park-and-Ride-Parkplätze zu schaffen und diese dann mit einer Seil- oder Hochbahn anzubinden. "Mit 2000 oder 3000 Stellplätzen abseits des Campus wäre schon viel Verkehr abgefangen."
Die Strecke: Architekt Herbstrieth könnte sich vorstellen, im Rahmen der Internationalen Bauausstellung verschiedene zukünftige Wissensorte mit einer Seilbahn zu verbinden: Patrick Henry Village, den Landwirtschaftspark, das Airfield, die geplante Großsporthalle, den Hauptbahnhof und den Campus auf der anderen Seite des Neckars. Eine Anbindung des S-Bahnhofes Pfaffengrund-Wieblingen hält er für problematisch, weil dann die Seilbahn durch das Naturschutzgebiet Alt-Neckar gebaut werden müsste.
Machbar wäre eine Seilbahn laut Tino Imhäuser, Managing Director der Schweizer Firma "Cable Car Services". Es gebe genügend Beispiele, dass Seilbahnen nicht nur für Bergfahrten taugen: etwa die Bahnen für die Bundesgartenschauen in Rostock (2003) oder München (2005). Aktuell entwickelt Imhäusers Firma eine Lösung für Harare, die größte Stadt Simbabwes, die im Autoverkehr erstickt. Ziel ist es, am Rande der Stadt Parkplätze zu bauen und die Menschen mit Seilbahnen ins Zentrum zu bringen.
Die Kosten variieren. Von schienengebundenen Hochbahnen hält Imhäuser wenig: "Das kostet richtig viel Geld, ähnlich wie eine Straßenbahn." Stattdessen könnte er sich für Heidelberg eine Einseilumlaufbahn vorstellen, die 8000 Passagiere pro Stunde befördern kann. "80 Personen können in vier Sekunden abtransportiert werden. So schnell können sie nicht aus dem Bus aussteigen", betont der Seilbahnbauer. Auch eine Dreiseilumlaufbahn wäre möglich, mit einer Kapazität von 6000 Personen pro Stunde. Die modernen Kabinen seien barrierefrei, selbst eine Fahrradmitnahme sei denkbar. Laut Imhäuser würde der "Brückenschlag", also allein die Strecke der Seilbahn über den Neckar, zwischen 200.000 und 300.000 Euro kosten. Ein Bruchteil der Kosten für ein Brückenbauwerk. Auch was die Bauzeit angeht, ist die Seilbahn unschlagbar. In den Alpen geht so etwas innerhalb weniger Monate: von Ende April bis Dezember.
Gelungene Beispiele stellte Stadtplaner Matthias Nüßgen vor, eines davon auch aus Deutschland: In Koblenz sei die Seilbahn, mit der die Besucher der Bundesgartenschau vom Stadtzentrum über den Rhein auf das Gelände der Festung Ehrenbreitstein kommen, voll in das bestehende Verkehrssystem integriert. Die Stadtplaner hätten aber das weitere Potenzial dieser Anlage noch nicht ausgeschöpft. So müsste die Seilbahn laut Nüßgen nur einige Kilometer verlängert werden, um auch noch das Gelände der ehemaligen Fritsch-Kaserne zu erschließen. Statt 35 Minuten mit dem Auto bräuchte man dann für diese Strecke nur zwölf Minuten.
Die Diskussion: Arnulf Weiler-Lorentz, Stadtrat der "Bunte Linke", hält wenig davon, ergänzend zur Straßenbahn mit einem sehr guten Netz noch ein weiteres Verkehrsmittel hinzuzufügen. Die meisten anderen Workshop-Besucher hingegen schienen mit der Seilbahn-Idee zu liebäugeln. Sie müsste allerdings irgendwie an den Hauptbahnhof angebunden werden. Dann könnten schon weit außerhalb von Heidelberg Park-and-Ride-Parkplätze in der Nachbarschaft von S-Bahnhöfen gebaut werden. Stadtplaner Nüßgen meint, dass im "Feld" nur eine Seilbahnstation in der Mitte notwendig wäre, bei der Zentralmensa. Von hier aus seien dann alle Bereiche innerhalb von 500 Meter erreichbar. Er schlägt vor, den Zugang zum Campus für Autofahrer noch unattraktiver zu machen - zum Beispiel über eine Maut.