Prof. Michael Haus an seinem Schreibtisch im Homeoffice. Die Pandemie hat auch seinen Arbeitsalltag grundlegend verändert. „Bei den Aufzeichnungen bin ich nun gelassener geworden und kann mit kleinen Fehlern umgehen“, sagt Haus. Foto: privat
Von Joris Ufer
Heidelberg. Wie in vielen Bereichen hat die Corona-Pandemie auch im Universitätsbetrieb vieles unmöglich gemacht, was zuvor selbstverständlich schien – allem voran die Präsenzlehre. Michael Haus ist Professor für Moderne Politische Theorie an der Universität Heidelberg. Vor der Fortsetzung der Vorlesungszeit am Montag erzählt der 50-Jährige im Interview von persönlichen Lernerfolgen, digitalen Lehrformaten und neuen Ideen, die man auch nach der Pandemie beibehalten könnte.
Herr Professor Haus, im März musste die Universität sehr plötzlich auf einen digitalen Betrieb umsteigen. Wie ist diese Umstellung gelungen?
Damals sind wir sehr unvorbereitet in diese Situation hineingeschlittert, weil wir ja davon ausgegangen sind, in Präsenz lehren zu können. Dann hatten wir etwa einen Monat Zeit, auf die digitale Lehre umzustellen. Um noch etwas Zeit zu gewinnen, wurde auch der Beginn der Vorlesungszeit hinausgeschoben. Das war erstmal eine sehr hektische Situation. Ich habe nach Programmen zur Videoaufzeichnung gesucht und geschaut, welche Möglichkeiten es auf unserer Lernplattform "Moodle" gibt, um interaktive Lernmöglichkeiten für die Studierenden zu schaffen.
Wie ist die Lage heute im Vergleich dazu?
Mittlerweile hat sich vieles besser eingespielt. Wenn ich zum Beispiel einfach nur eine Videokonferenz schalten muss, weiß ich, wie ich das tun soll. Außerdem kann ich auch mit meinem eigenen Anspruch besser umgehen und glaube nicht mehr, das perfekte Video machen zu müssen. Bei den Aufzeichnungen bin ich nun gelassener und kann mit kleinen Fehlern umgehen, sofern ich der Auffassung bin, dass sie didaktisch unproblematisch sind. Da haben wir als Dozenten auch psychologisch eine Menge dazugelernt.
Hand aufs Herz: Wie technikaffin sind Sie selbst?
Ich würde mich nicht unbedingt als technikaffin bezeichnen, aber ich mag die mediale Komponente. Die Videoaufnahmen an sich fand ich zum Beispiel sehr spannend. Trotzdem ist da eine gewisse Scheu. Man sieht sich in diesem Film und ich sag mal, wenn man jetzt kein großer Narzisst ist, ist das auch mit ein wenig Unsicherheit und Hemmnissen verbunden. Ich glaube, da gibt es verschiedene Typen. Die einen sind vielleicht sehr technikaffin und finden es toll, jetzt so viele Möglichkeiten am Computer zu haben. Und dann gibt es auch solche wie mich, die das Mediale und die audiovisuellen Optionen interessant finden.
Welche Lehrmethoden sind denn in dieser Situation am geeignetsten?
Es kommt sehr darauf an, welche Art von Lehrformat man gestaltet. Ich hatte im Sommersemester eine große Vorlesung zur politischen Theorie. Da nehmen traditionell bis zu 200 Studierende teil, und damals hatten wir noch sehr eingeschränkte technische Möglichkeiten. Synchrone Online-Vorlesungen dieser Größe kamen grundsätzlich nicht in Frage, auch heute ist das noch problematisch. Dennoch ist es einfacher geworden. Wir haben unser eigenes System, "Heiconf", das auf einer Open Source Software beruht. Das ist zwar gut, war aber anfangs nicht sehr stark in der Kapazität, sodass ich diese Vorlesung überhaupt nicht mehr synchron gehalten habe, sondern alles über Videopräsentationen und Texte machen musste.
Was war die Reaktion der Studierenden darauf?
Das Günstige war, dass es meine eigenen Texte waren, weil ich gerade ein Lehrbuch in dem Bereich schreibe. Ich konnte also einfach meine Buchkapitel verwenden und mit den Studierenden weiterentwickeln. Das hat dann gut funktioniert und über "Moodle" gab es noch Übungsaufgaben. Darauf habe ich viele positive Rückmeldungen bekommen. Diese Kombination von Videos und Texten hat den Studierenden gut gefallen.
Irgendwann wird die Pandemie hoffentlich überstanden sein. Welche Lehrelemente sollte man danach beibehalten?
Diese Online-Übungsmöglichkeiten und Präsentationen bieten den Studierenden mehr Selbstbestimmung in den Fragen, wann und wie schnell sie etwas machen wollen. Des Weiteren wird die Notwendigkeit der physischen Präsenz entschärft. Ich bin gegen eine Lockerung der Anwesenheitspflicht, weil sie für die Verbindlichkeit des Zusammenarbeitens wichtig ist. Aber dass Studierende, denen es gerade vielleicht nicht möglich ist, in Heidelberg anwesend zu sein, nun trotzdem an der Seminarsitzung teilnehmen können, ist ein Freiheitsgewinn. Das können wir in Zukunft nutzen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie noch für die Zukunft der digitalen Lehre?
Im Rahmen meiner Tätigkeit an der "Heidelberg School of Education" hatten wir ein Treffen mit Kolleginnen und Kollegen von der "Columbia University" in New York, mit denen wir eine Online-Lehreinheit zu kritischer Medienpädagogik erarbeiten. Ich erwähne das, weil es die Aussicht darauf gibt – und manche machen das auch schon –, gemeinsame, internationale Formate mit Studierenden anderer Universitäten zu machen. Wir könnten jetzt zum Beispiel mit den New Yorkern gemeinsam ein Seminar auf der Basis von Online-Lehre machen. Ich glaube, da gibt es sehr viele Möglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft sind.