Neubaugebiet "Nordstadt" Ladenburg

"Trägerin der Liebe" mit Nazi-Beziehungen?

Ehrenbürgerin Elisabeth Trippmacher soll Platznamen erhalten - Vita aber nicht unbelastet - Diskussionen auch im Heimatbund

19.11.2017 UPDATE: 22.11.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden

1953 wurde Elisabeth W. Trippmacher von Landrat Dr. Gaa mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. In den beiden Weltkriegen hatte sie sich für Verwundete, Kranke und Kriegsopfer eingesetzt und unter anderem an Stalin, Eisenhower und Göring geschrieben. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Wegen der Namensgebung im Neubaugebiet "Nordstadt" könnte es noch Diskussionen geben. In einer Mitgliederversammlung des SPD-Ortsvereins informierte Fraktionsvorsitzender Steffen Salinger über die aktuelle Entwicklung des Baugebiets, das offiziell den Namen "Nordstadt-Kurzgewann" tragen wird.

Über die Straßennamen einigte sich der Gemeinderat kürzlich in nicht-öffentlicher Sitzung. Demnach sollen die zehn neuen Straßen und Wege nach alten Ladenburg Gewannflächen benannt werden, sagte Salinger: "Lange Ruthen", "Bäumelgewann", "Stadtäcker", "Alte Leimengrube" oder "Gänsäcker", werden die neuen Postadressen heißen. Es gibt auch einen "Zieglerwasen", der aber nichts mit Altbürgermeister Rainer Ziegler zu tun habe, so Salinger.

Diskussion könnte es derweil um den Namen des zentralen Begegnungsplatzes geben. In der Sitzung habe ein Stadtrat, der auch Mitglied im Heimatbund ist, vorgeschlagen, die Verdienste von Ehrenbürgerin Elisabeth W. Trippmacher zu würdigen, so Salinger.

Trippmacher wurde 1878 geboren und wird im Stadtlexikon des Heimatbunds als "verdienstvolle Ladenburger Bürgerin" beschrieben. Sie war viele Jahre im Roten Kreuz tätig und setzte sich während beider Weltkriege für Vermisste und Gefangene, Kriegswitwen und Fremdenlegionären ein. Bei der Typhusepidemie in Pforzheim nach dem Ersten Weltkrieg organisierte sie über ihre Kontakte in die Schweiz Hilfe für die Erkrankten.

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Im Jahr 1918 erfolgte unter ihrer Leitung die Ladenburger Quäkerspeisung. "In der Frau lebt und wirkt das große Mitleid mit allem Lebendigen. Sie ist die berufene Trägerin der Liebe", sagte einst Hans Thoma.

Trippmacher setzte sich dafür ein, dass das Mannheimer Diakonissenkrankenhaus, das während des Zweiten Weltkriegs nach Ladenburg verlegt wurde, längere Zeit hier bleiben konnte. Sie schrieb bekannte Leute an, wenn es darum ging, sich für humanitäre Zwecke einzusetzen, steht im Lexikon des Heimatbunds. Trippmacher schrieb an Königin Wilhelmine von Holland und bat um Lebensmittellieferungen. Trippmacher forderte unter anderem bei Josef Stalin und Dwight D. Eisenhower Hilfe an und schrieb dem führenden Nazipolitiker Hermann Göring wegen der Vergabe von Kleinkrediten für Handwerker.

Trippmacher gratulierte während des Dritten Reichs einer bekannten jüdischen Mitbürgerin sogar öffentlich. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs war sie eine geschätzte Persönlichkeit. 1953 bekam sie von Landrat Gaa das Bundesverdienstkreuz ausgehändigt. 1958 wurde sie Ehrenbürgerin der Stadt Ladenburg.

Eine Frau also, die es verdient hat, Namensgeberin des Begegnungsplatzes im Neubaugebiet zu werden? Heike Jung, im Vorstand des Heimatbunds und Schriftführerin im SPD-Ortsverein, äußerte auch Zweifel.

Die Vita der Ehrenbürgerin sei nicht unbelastet, sagte sie: "Die Ehrenbürgerin hatte eine große Nähe zu den Machthabern des Dritten Reichs. Ich wäre da sehr vorsichtig und würde mich genau informieren, bevor ein Platz nach ihr benannt wird."

Jung fordert hohe Sensibilität bei dem Thema ein. Auch im Heimatbund selbst wurde darüber schon äußerst kontrovers diskutiert, man sei sich alles andere als einig darüber gewesen, dass die Ehrenbürgerin in der Öffentlichkeit so unbelastet dargestellt werde. Jung erinnerte daran, dass es jüngst in Herxheim große Diskussionen wegen der "Hitlerglocke" gab. Ladenburg sollte daher schon im Vorfeld diskutieren, ob eine Frau, die gute Kontakte zu den Nationalsozialisten hatte, öffentlich gewürdigt werden sollte. "Ich habe da meine eigene Meinung", sagte Jung.

Die Vorsitzende des Heimatbundes, Carola Schuhmann, die auch am Ratstisch sitzt, konnte sich noch keine eigene Meinung bilden. "Ich habe zu wenig Informationen", sagte sie auf RNZ-Nachfrage, "Ich halte es für wichtig, Zeitzeugen zu befragen, bevor man urteilt." Doch auch sie wünsche sich einen sensiblen Umgang mit der Namensvergabe.

Info: Die Namensvergabe im Neubaugebiet "Nordstadt-Kurzgewann" wird am heutigen Mittwoch im Ladenburger Gemeinderat behandelt. Beginn ist um 18 Uhr im Domhof. Auf der Tagesordnung stehen zudem die Ehrung der Blutspender und die Einstellung eines Integrationsmanagers. Auch der Punkt "Bilanz der Müllentsorgung auf der Neckarwiese" wird sicherlich von hohem öffentlichen Interesse sein.

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