"Einmal mit allem"

Kult! Der Döner wird 50

Vor 50 Jahren kam der Döner nach Deutschland. Viele Theorien kursieren über den türkischen Fast-Food-Kult.

06.04.2022 UPDATE: 10.04.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Der Döner – ein Geschmackserlebnis. Foto: Getty

Berlin. Saftig geschnittenes Fleisch, Salat, Tomaten, Zwiebeln, vielleicht ein paar Chili-Flocken und viel Soße im knusprigen Fladenbrot – der klassische Döner Kebab: "einmal mit allem". "Er ist eine Berliner Kreation", sagt der Soziologe Eberhard Seidel. Das Imbissgericht entstand vor 50 Jahren aus dem Zusammenspiel türkischer Einwanderer und der Berliner Mehrheitsgesellschaft. Seidel beschäftigt sich seit 35 Jahren mit der Entwicklung des Döner. Und hat darüber gerade eine "türkisch-deutsche Kulturgeschichte" verfasst.

An der Entwicklung seien Hunderte von ehemaligen Gastarbeitern aus der ersten und zweiten Generation beteiligt gewesen. "Sie erschufen etwas Neues, etwas Hybrides, das sich zum beliebtesten Fast Food der Deutschen entwickelte und heute Milliardenumsätze generiert", sagt Seidel. Bundesweit gebe es rund 18.500 Döner-Imbisse und türkische Restaurants, aber mit 1600 Verkaufsstellen sei Berlin die Döner-Metropole. Nach Angaben des 2010 in Berlin gegründeten Vereins Türkischer Dönerhersteller in Europa liegt der Konsum in Deutschland bei etwa 550 Tonnen täglich.

Der Geburtsort des "German Döner" lag vor 50 Jahren im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Aber wer ihn erfand oder zuerst angeboten hat, das lässt sich nicht seriös beantworten, meint Seidel. Laut Döner-Verein hat der ehemalige Gastarbeiter Kadir Nurman 1972 den ersten Döner Kebab am Bahnhof Zoo in Berlin verkauft. Es sei allerdings nachgewiesen, dass es den Döner Kebab bereits zuvor in einigen türkischen Restaurants in Deutschland gab, sagt Seidel. Nurman sei sicher nicht der erste gewesen – "trotzdem nimmt er einen wichtigen Platz in der Ahnengalerie der Väter des Döner Kebabs ein".

Eine Erzählung über den Döner Kebab behauptet, er sei in Berlin erfunden und anschließend in die Türkei reimportiert worden. "Das ist falsch", so Seidel. Den Döner Kebab im Brötchen habe es in der Türkei bereits Mitte der 60er-Jahre gegeben. Er sei dort aber nie so populär geworden wie in Deutschland. "Die Menschen in der Türkei essen nicht so viel auf der Straße oder auf der Hand, die setzen sich lieber hin."

Es sei kein Zufall, dass der Döner in Berlin so erfolgreich geworden ist. In den 70er- und 80er-Jahren stieg hier die Arbeitslosenzahl in die Höhe. "Deshalb gab es eine große Notwendigkeit, sich eine Einnahmequelle zu erschließen", sagt Seidel. Zusätzlich gab es in Berlin Gesetze, die Einwanderer aus der Türkei massiv diskriminierten. Der sogenannte Lummer-Erlass, benannt nach dem früheren CDU-Innensenator Heinrich Lummer, erhöhte 1981 den Druck: Gastarbeiter, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst finanzieren konnten, mussten mit Ausweisung rechnen.

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Wissensfrage: Wo der Döner entstand

"Das war der Grund, warum viele in Berlin Döner-Läden aufmachten", sagt Seidel. "Berlin hatte eine aufgeschlossene bunte Szene, also Studenten, Wehrflüchtige, Klassenkämpfer, Internationalisten und Berufsproleten, die nicht so sehr mit Ressentiments behaftet waren." Außerdem habe es hier viele Menschen gegeben, die wenig Geld hatten – und der Döner bot ein sagenhaftes Preis-Leistungs-Verhältnis.

"Gerichte und Küchen entwickeln sich in einem permanenten transnationalen Austausch weiter", sagt Seidel. "Neue und zeitgemäße Interpretationen des klassischen Döner Kebabs" ist auch der Ansatz bei "Kebap with Attitude". "Warum den Döner nicht einfach mal weiterdenken?", sagten sich Deniz Buchholz und Daniel Herbert. Seit 2019 gibt es bei ihnen "Trüffel Delüks" – mit Röstkartoffeln, Granatapfel, Frühlingszwiebeln und frisch geriebenem Trüffel.

Eine weitere interessante Entwicklung bietet das "Adlon". Seit August 2018 führt das Luxushotel den "türkischen Klassiker", wie es auf der Speisekarte heißt. Der Edel-Döner im Fladenbrot mit Kalbsrückenstreifen und verfeinert mit Trüffelcreme und Rotkohl kostet 26 Euro – und ist damit der teuerste Döner Deutschlands. Elisabeth Edich