Die zehn spektakulärsten Arten, wie sich Tiere selbst verteidigen
Vom Anglerfisch bis zum "Wandelnden Blatt" gehen Tiere verschieden vor.

Von Christian Satorius
Tatort Japan: Asiatische Riesenhornissen (Vespa mandarinia) schicken gezielt Späherinnen aus, um Honigbienennester aufzustöbern. Hat eine Hornisse ein Honigbienennest erst einmal entdeckt, dann markiert sie dieses sofort mit Pheromonen, die den anderen Hornissen den Weg weisen. Bereits jetzt ist es für das Honigbienenvolk zu spät, denn die Bienen haben den fünfmal größeren Angreiferinnen nichts entgegenzusetzen, ihre Stachel durchdringen die feindliche Panzerung nicht. Das gilt zumindest für die Westlichen Honigbienen.
Deren östliche Verwandte hingegen haben eine äußerst wirkungsvolle Form der Selbstverteidigung entwickelt. Normalerweise versuchen Tiere sich zu schützen, indem sie ganz einfach "die Beine in die Hand nehmen"; nur, wenn es dafür zu spät ist, stellen sie sich dem Kampf mit überlegenen Angreifern. Oft bauen Tiere auch auf ihre "inneren Werte", sprich auf ihre Giftigkeit. Nicht so die Östliche Honigbiene. Sie setzt sich auf besonders außergewöhnliche Weise zur Wehr, wie das folgende Ranking der spektakulärsten Fälle von Selbstverteidigung im Tierreich zeigt.

10. Platz der Top Ten belegen "Wandelndes Blatt" und "Wandelnder Ast", also die Gespenstschrecken (Phasmatodea). Sie imitieren nicht nur Blätter und kleine Ästchen perfekt in Form und Farbe, sie ahmen diese auch in der Bewegung nach und wippen bei jedem Schritt hin und her, wie ein Blatt im Wind. Viele der bis zu 30 Zentimeter langen Gespenstschrecken haben aber noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: Sie umklammern den Angreifer mit ihren (manchmal recht stacheligen) Hinterbeinen und drücken zu, so fest sie nur können.

9. Unangenehm pieksen können auch Kugel- und Igelfische, die auf Platz neun dieser Hitliste landen. Bei Gefahr pumpen sie sich in Windeseile mit Wasser voll und es entsteht eine große dicke Fischkugel, die so kaum noch verschlungen werden kann. Gifte und die spitzen Stacheln der Igelfische helfen dabei, die Fischmahlzeit ungenießbar zu machen. Selbst Haien mit ihrer unglaublichen Beißkraft bleibt eine derartige Fischkugel im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken und sie müssen sie wieder ausspucken.
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8. Im Hals des Gegners macht sich auch die Verteidigungsstrategie der Bombadierspinnen (etwa der Theraphosa- oder Brachypelma-Arten) bemerkbar, denen Platz acht gebührt. Die Vogelspinnen sind am Hinterleib stark behaart – sie können diese nesselnden Brennhaare mit ihren Beinen abstreifen und ihren Gegnern entgegenschleudern. Werden die Brennhaare eingeatmet oder gelangen in die Augen, ist der Feind erst mal außer Gefecht gesetzt. Auch einige Schmetterlingsraupen wie die Prozessionsspinner haben solche Brennhaare.

7. Auf Platz sieben landet der Dachs, von dem man das vielleicht gar nicht erwartet hätte. Sein Bau kann aus mehreren hundert Meter langen Gängen bestehen, weit über einhundert Eingängen und einem Wohnkessel in bis zu fünf Metern Tiefe. Natürlich kennt er sich in diesem Labyrinth bestens aus. Dringt nun ein Feind ein, wie beispielsweise ein Jagdhund, so versucht er, diesen in einem Gang zu isolieren und einzugraben. So mancher unvorsichtige Hundebesitzer hat so schon sein Haustier im Wald für immer verloren.

6. Noch aggressiver wehren sich die Bombadierkäfer (Brachininae) auf Platz sechs. Sie mischen in speziellen Körpervorrichtungen Hydrochinon und Wasserstoffperoxid mit katalysierenden Enzymen (Katalase und Peroxidase). Giftiges über 100 Grad Celsius heißes 1,4-Benzochinon kommt im wahrsten Sinne des Wortes dabei heraus, denn der Käfer spritzt die entstandene Chemikalie dem Angreifer direkt ins Gesicht, wenn’s sein muss mehrfach.

5. Während die Käfer ihre Feinde so daran hindern, in sie hinein zu beißen, setzen andere Tiere genau darauf. Während viele Echsen ihren Schwanz oder einen Teil davon in so einem Fall abwerfen können – der sich manchmal sogar noch windend weiterbewegt und so die Aufmerksamkeit des Angreifers auf sich zieht –, setzt der mexikanische Schwanzlurch Axolotl (Ambystoma mexicanum) noch stärker auf seine Regenerationsfähigkeit. Er kann nicht nur Arme und Beine, sondern auch innere Organe, teilweise sogar sein Gehirn wiederherstellen. Bei jungen Tieren kann sich diese einzigartige Regenerationsfähigkeit innerhalb weniger Tage vollziehen. Dafür gebührt dem Axolotl mindestens Platz fünf.

4. Während die eingangs erwähnten importierten Westlichen Honigbienen (Apis mellifera) den übermächtigen Hornissen hilflos ausgeliefert sind, haben die heimischen Östlichen Honigbienen (Apis cerana) im Laufe der Zeit gelernt, sich zu helfen: Sie fangen die Späherin ab, noch bevor diese das Nest markieren kann. Mehrere hundert Bienen stürzen sich nun auf die Hornisse und umklammern sie mit ihren Leibern. Durch Muskelzittern erhöhen sie die Temperatur im Inneren dieses lebenden Bienenballs auf über 45 Grad Celsius und backen so die Hornisse förmlich zu Tode. Sie selbst nehmen keinen Schaden dabei, denn sie können kurzzeitig Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius überleben, nicht aber die Hornissen.

3. Auf Platz drei haben es die Krötenechsen (Phrynosoma) Nordamerikas geschafft. Sie können den Blutdruck in ihren Augenhöhlen stark erhöhen und so Blut aus dem Augenwinkel bis über einen Meter weit auf ihre Feinde spritzen. Das tun sie jedoch nur in Ausnahmesituationen, normalerweise setzen sie lieber auf ihre Tarnung.

2. Noch eins drauf setzen Seegurken (Holothuroidea), die sich damit Platz zwei redlich verdient haben. Sie schleudern ihre Organe, die sogenannten Cuvierschen Schläuche, die teilweise auch noch giftig sind, auf den Angreifer.

1. Die unangefochtene Nummer eins kann aber sogar das noch toppen: Es ist das nur fünf Zentimeter kleine Männchen des Teufelsanglers (Linophrynidae), ein Tiefseefisch, der in bis zu 4000 Metern Tiefe vorkommt. Dort sucht sich das Fischlein einen großen Freund als Beschützer, besser gesagt eine Freundin: nämlich die sehr viel größeren Weibchen ihrer Art. Haben sie ein solches im Dunkeln der Tiefsee mit ihren lichtempfindlichen Augen und der guten Nase gefunden, fangen sie an, sich ihren ersten Platz dieser Rangliste zu verdienen: Sie verbeißen sich im Weibchen und verwachsen mit ihm, sogar die Blutkreisläufe vereinigen sich. Von nun an ernährt das Weibchen das parasitäre Männchen mit, dessen Organe sich mehr und mehr zurückbilden. Das Männchen hat so seinen perfekten Bodyguard immer dabei. Das ist doch nun wirklich einen ersten Platz wert, oder?