Uraufführung in Bremen

Eine Tragödie: Mesut Özils Geschichte als Theaterstück

Die Geschichte von Mesut Özil hatte schon immer etwas Filmreifes. Jetzt wird die Geschichte des Fußball-Weltmeisters als Theaterstück aufgeführt. Autor und Hauptfigur verbindet einiges.

15.10.2025 UPDATE: 15.10.2025 11:49 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
Theater Bremen - Der Zauberer von Öz – Eine Fußballtragödie"
Mesut Özil als Bühnenfigur: Die Geschichte des Fußball-Weltmeisters wird in Bremen als Theaterstück aufgeführt.

Bremen (dpa) - In Bremen wurde Mesut Özil einst zum Fußball-Nationalspieler. Und nach Bremen kehrt Özil an diesem Donnerstag zumindest als Bühnenfigur zurück. Im Kleinen Haus des Bremer Theaters wird ein Stück uraufgeführt, das von Aufstieg und Abkehr des begnadeten Fußballers in den vergangenen Jahren erzählt: vom Weltmeister und Integrationssymbol in Deutschland zu einer Art "Posterboy" türkischer Nationalisten, wie es der Autor Akin Emanuel Şipal nennt.

Sein Theaterstück heißt: "Der Zauberer von Öz - eine Fußballtragödie", obwohl es um Fußball im Kern nicht geht. "Es geht um die Gesellschaft, um den Migrationsdiskurs und darum, wie sich diese verschiedenen Dinge ergänzen und überlagern", sagte Şipal der Deutschen Presse-Agentur.

Kein Kontakt zu Özil

Genau wie Özil hat Şipal türkische Wurzeln. Genau wie Özil wurde er im Ruhrgebiet geboren. Beide haben sogar gemeinsame Bekannte. Das half Şipal bei seiner Arbeit aber nicht. Auf Kontaktanfragen des Autors und auch der dpa reagierte der Fußballer nicht, an dem Theaterstück über seine eigene Geschichte ist er in keiner Weise beteiligt. Auch das zeigt: Die Verbindungen zwischen Özil und seinem Heimatland Deutschland sind nachhaltig gestört.

Sein Ex-Club Werder Bremen, der mit Özil den DFB-Pokal gewann, das Europacup-Endspiel erreichte und der ihn 2010 mit einem Millionengewinn an Real Madrid verkaufte, will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Zum großen Abschiedsspiel seines einst kongenialen Partners Diego wurde er in diesem Jahr nicht eingeladen. Mesut habe "in der letzten Zeit eine Entwicklung genommen, die nicht mit den Werten von Werder Bremen zusammenpasst", hieß es ganz offiziell.

Das falsche Integrationssymbol?

In diesem Ton hat Şipal das Theaterstück nicht verfasst. Es gehe ihm nicht um eine Abrechnung mit Özil. Oder mit der "rassistischen Hetze", der dieser teilweise "ausgesetzt war. Das ist ein Fall, der so stark polarisiert, obwohl er eigentlich ein Fall voller Feinheiten, Differenziertheit und vieler Nuancen ist", so Şipal.

In der Rückschau glaubt der Autor, dass Özil in Deutschland trotz seiner Erfolge als Fußball-Nationalspieler und trotz aller Auszeichnungen wie dem "Bambi" für gelungene Integration nie zur Symbolfigur für dieses Thema taugte.

"Ich glaube total, dass eine Vorbildwirkung in diesem Migrationsdiskurs hilfreich sein kann", sagt Şipal. "Aber in meiner Wahrnehmung war Özil immer jemand, der schwer lesbar ist, der nicht so gut zeigt, was er fühlt, der nicht so mitteilsam ist. Jemand, der es schwierig macht, einen Zugang zu bekommen."

Genau das mache ihn als Theaterfigur interessant. Das habe aber auch dazu geführt, dass "alle Seiten ihn voll projiziert haben: mit Erwartungen, mit Ideen, mit Vorstellungen".

"Große destruktive Kraft"

Besonders deutlich werde dies am großen Wendepunkt in Özils Karriere: den Wochen rund um die WM 2018 in Russland. Özil und sein Nationalmannschafts-Kollege Ilkay Gündogan besuchten kurz vor dem Turnier den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, was eine Lawine auslöste, die niemand mehr aufhielt. Das frühe WM-Aus, die teils zügellose Kritik an Özil, sein Rücktritt als Nationalspieler: Das alles folgte darauf.

Şipal erkennt darin eine "große destruktive Kraft", die viele Menschen mit Migrationshintergrund kennen. Özil habe sich "ganz klar zu Deutschland bekannt und für die deutsche Nationalität entschieden. Und dann merkt er: Dass gute Leistungen und große Erfolge für einige nicht reichen. Dass seine Entscheidung immer erst noch von der anderen Seite nachhaltig akzeptiert werden muss." 

Trauzeuge Erdogan

Das hatte Özil 2018 in drei ausführlichen Statements in den sozialen Medien auch angeprangert. Was daraus folgte, findet Şipal dennoch paradox: "Du bist ein Opfer eines rechten Narratives geworden - und suchst jetzt Schutz bei Rechten in der Türkei. Du wirst ein politischer Funktionär, nachdem du vorher immer behauptet hast, kein politischer Mensch zu sein."

Anfang dieses Jahres wurde Özil in den Vorstand der Erdogan-Partei AKP gewählt. Der heutige Präsident der Türkei ist auch sein Trauzeuge. Es sei so, sagt Şipal, als ob Özil diejenigen bestätigen wolle, die schon immer gesagt haben: Der ist keiner von uns.

Am Ende geht es in diesem Theaterstück aber genau darum, erklärt der Autor: "Mesut Özil ist in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Er war bis zu seinem 14. Lebensjahr kein einziges Mal in der Türkei. Es ist also nicht die Geschichte eines Türken, der Deutschland den Rücken gekehrt hat. Sondern es ist die Geschichte eines Deutschen, der in die Türkei ging."

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